Die Uefa erlaubt wieder Stehplätze bei internationalen Spielen. Dabei galt die Ablehnung im Verband lange Zeit als Grundsatzentscheidung. Was hat sich geändert?
So hielt es auch Richter John Goldring 2016 fest, nachdem eine abschließende Kommission unter seinem Vorsitz ihre Arbeit getan hatte. Der Reflex von 1989, Stehplätze als Grund für wenig Sicherheit unter einen Generalverdacht zu stellen, war damit überholt. Höchste Zeit also, um die Entscheidung nun auch auf internationaler Ebene zu revidieren.
Dieser Ansicht sind auch die Fußballfans, die sich der Kampagne „Europe Wants To Stand“ zusammengeschlossen haben. Sie wurde vom internationalen Fanbündnis „Football Supporters Europe“ ins Leben gerufen und hat sich zur Aufgabe gemacht, das bisher geltende Stehplatzverbot der Uefa zu kippen. Durch die Entscheidung des europäischen Fußballverbandes sieht sich das Bündnis nun am Ziel. „Wir begrüßen die Entwicklung der Uefa hin zu einer evidenzbasierten Sicherheitspolitik, die die Bedürfnisse und Erwartungen aktiver Fans berücksichtigt. Für unsere Mitglieder ging es bei unserer Kampagne immer darum, den Fans die Wahl zu geben, wie sie ihr Team auf sichere Weise unterstützen können“, sagte Gregor Weinreich, der Koordinator der Kampagne, auf der Website der Vereinigung.
Und auch für manche Vereine ist die neuerliche Rückkehr zu Stehplätzen etwas Besonderes. „Wir freuen uns sehr über diesen Beschluss, denn er eröffnet uns die Möglichkeit, erstmals in unserer Vereinsgeschichte Europapokal-Spiele in unserem Stadion auszutragen“, zitierte Union Berlin seinen Präsidenten Dirk Zingler in einem Statement. Der Verein müsse nun noch weitere, eher machbare Anforderungen des Verbandes erfüllen, um im eigenen Stadion spielen zu dürfen. „Das ist eine großartige Nachricht. Die Stehplätze sind ein wichtiger Teil unserer Fußballkultur“, äußerte sich auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der zusätzlich anmerkte: „Alle Fans bitte ich darum, verantwortungsbewusst mit dieser Chance in der nächsten Spielzeit umzugehen.“
Es ist der Appell an die Anhänger, Ausschreitungen wie die im Brüsseler Heysel-Stadion 1985 nicht zu wiederholen. Damals gelangten Karten für den eigentlich als neutral vorgesehenen Block, der sich neben dem der Liverpooler Anhänger befand, in Italien in den Verkauf – durch einen korrupten Funktionär, heißt es. Viele Unterstützer der „alten Dame“ machten sich aus Turin auf den Weg nach Brüssel. Gegenseitige Provokationen endeten damit, dass englische Hools in den nur spärlich abgetrennten Nebenblock eindrangen. Viele der Toten waren italienische Fans. Albträume wie Heysel und Hillsborough dürfen sich nicht wiederholen. Doch mit den bewährten Konzepten aus Deutschland oder dem „Safe Standing“ aus England sind Zustände wie in Brüssel vor 37 Jahren heute wohl auch kaum mehr möglich.