Was für eine Demütigung. Ausgerechnet mit einem 2:1‑Sieg beim Erzrivalen Benfica Lissabon. Ausgerechnet in dessen Estadio da Luz machte der FC Porto in dieser Saison vorzeitig die Meisterschaft perfekt. Eine blau-weiße Spielertraube lag sich in den Armen, der Porto-Block feierte ausgelassen. Das war zu viel für die Verantwortlichen im Stadion: Sie schalteten kurzerhand das Flutlicht aus und die Rasensprenger an, um die spontane Meisterfeier zu unterbinden. Erfolglos, Portos Spieler ließen sich nicht stören. Sie feierten einfach weiter. Klatschnass und im Dunkeln.
Und das war wohl nur die erste Krönung einer außergewöhnlichen Saison. In der Liga gewann der FC Porto 24 von 26 Spielen, blieb saison- und wettbewerbsübergreifend 36 Spiele ohne Niederlage. Im Pokal steht man im Halbfinale, in der Europa League quasi auch: Nach dem 5:1 im Hinspiel gegen Spartak Moskau ist das Rückspiel nur noch statistisch interessant. Porto ist so stark wie seit dem Champions-League-Erfolg 2004 unter José Mourinho nicht mehr. Doch was macht den Klub nach der für Porto-Verhältnisse durchwachsenen Vorsaison (Platz drei) so stark?
Der Aufschwung gelang vor allem wegen zweier Männer, die rund die Hälfte der Tore erzielen. Der Kolumbianer Radamel Falcao, 25, führt die Torjägerliste der Europa League mit zehn Treffern an, der Brasilianer Hulk, 24, die der portugiesischen Liga mit 22 Toren. Die beiden ergänzen sich blendend: Der bullige Hulk ist ein spielstarker, technisch versierter Außenstürmer, der bevorzugt von der rechten Seite kommt und auch als Vorbereiter (14 Assists in der Liga) glänzt. Falcao ist ein typischer Mittelstürmer, der sofort den Abschluss sucht und ein Gutteil seiner Tore per Direktabnahme erzielt. Ein One-Touch-Angreifer klassischer Prägung.
Die beiden stehen mittlerweile bei vielen Klubs in Europa auf dem Zettel. Inter Mailand soll Falcao als Nachfolger für Diego Milito auserkoren haben und knapp 20 Millionen Euro bieten, Hulk steht im Fokus der englischen Top-Klubs Chelsea und Manchester City. Eine Ablöse von 28 Millionen Euro ist im Gespräch.
Der „Mini-Mourinho“, der keiner sein will
Mindestens ebenso bemerkenswert wie die beiden begehrten Angreifer ist der erst 33-jährige Trainer André Villas-Boas. Lange Jahre zog im Stab von José Mourinho um die Fußballwelt, arbeitete bei Porto, Chelsea und Inter als Scout und Assistent unter dem großen Meister. 2009 wurde er Cheftrainer beim abstiegsbedrohten portugieseischen Erstligisten Académica Coimbra, hielt mit dem Klub die Klasse und wechselte vor dieser Saison zum FC Porto – mit beeindruckendem Erfolg, der so nicht zu erwarten war.
Denn vor der Saison verließen die portugiesischen Nationalspieler Bruno Alves (für 22 Millionen Euro nach St. Petersburg) und Raul Meireles (für 13 Millionen Euro nach Liverpool) den Klub, gleichwertigen Ersatz bekam Villas-Boas mit Joao Moutinho nur für Meireles.
Trotzdem spielt die junge Mannschaft – Torwart Helton ist mit 32 Jahren der einzige Spieler über 30 im Kader – stärker als in der Vorsaison und holte vorzeitig die Meisterschaft in einem Jahr, in dem die portugiesische Liga stark wie lange nicht ist: Mit Braga, Benfica und Porto stehen drei Klubs im Viertelfinale der Europa League, in der Fünfjahreswertung der UEFA klettert Portugal damit auf Rang sechs und wird kommende Saison drei Klubs für die Champions League melden können.
Portugal hofft aufs Traumfinale
Die deutsche „Financial Times“ zog einen naheliegenden Vergleich und nannte Villas-Boas den „Mini-Mourinho“. Doch davon will er nichts hören: „Es ist mir egal, ob man mich den neuen oder den alten Mourinho nennt. Ich schätze ihn, aber ich bin anders.“ Der nächste große Schritt nach der Meisterschaft, um aus dem Schatten seines berühmten Vorgängers zu treten, wäre der Sieg in der Europa League. Portugal fiebert schon einem Finale Benfica gegen Porto entgegen, eine nach den bisherigen Auftritten der beiden Klubs im Wettbewerb wahrscheinliche Paarung. Spannung verspricht das Duell auch: Im Hinspiel des portugiesischen Pokal besiegte Benfica Port0 2:0, es war eine der ganz seltenen Niederlagen unter dem neuen Trainer.
Ein Triumph im Endspiel der Europa League würde für Villas-Boas nicht nur einen internationalen Titel schon in seiner ersten Porto-Saison bedeuten, er machte weitere Vergleiche mit dem Auserwählten unvermeidlich. Denn auch José Mourinho holte zum Start seiner großen Karriere den Uefa Cup.