Die Aufholjagd gegen den HSV wird beim VfB Stuttgart als die größte Auferstehung seit Jesus Christus gefeiert. Dabei hat das Spiel vor allem eines gezeigt: wie erschreckend labil die beiden Spitzenteams sind.
Es gibt ja schon jetzt eine Reihe von Theorien darüber, wie sich der Fußball unter den Bedingungen eines Geisterspiels verändert: Auswärts ist längst kein Nachteil mehr, Trainer können besser Einfluss nehmen und Techniker trauen sich mehr zu, weil das Publikum nicht gleich stöhnt, wenn mal ein Kabinettstückchen in die Hose geht.
Welche von all diesen Binsen allerdings am meisten bemüht wird und damit schon beinahe der erste Glaubenssatz des Corona-Fußballs ist, lässt sich lapidar mit dem Satz zusammenfassen: Der Bessere wird gewinnen. Sprich, von den aseptischen Gegebenheiten würde in der Regel das stärker besetzte Team profitieren, weil sich die Spieler nicht von den ganzen hysterischen Leuten auf den Rängen wuschig machen lassen, sondern sich zu hundert Prozent aufs Fußballspielen konzentrieren können.
Moment mal. Wenn das tatsächlich so wäre, dann hätten der VfB Stuttgart und der Hamburger SV unter den neuen Bedingungen ja eigentlich richtig durchstarten müssen. Dass die beiden Schwergewichte für Zweitligaverhältnisse überragend besetzt sind, steht außer Frage. Dass sie in der Hinrunde und auch nach der Winterpause oft genug Probleme hatten, dies auf dem Rasen zu zeigen, wurde zu gerne mit dem Druck von außen, murrenden Haupttribünen-Spießern und bis an die Zähne bewaffneten Gegnern begründet, die sich – aufgepeitscht von einem fanatisierten Publikum – durch ihr Spiel des Jahres blutgrätschten.
Nun, all das gibt es jetzt nicht mehr. Stattdessen einfach nur zwei Fußballmannschaften, die im sterilen Ambiente gegeneinander antreten, Elf gegen Elf. Und doch haben der HSV und der VfB die gleichen Probleme wie schon in der gesamten Saison. Eine seltsame Labilität kennzeichnet die beiden vermeintlichen Spitzenteams. Immer, wenn man meint, jetzt haben sie den Kontrahenten im Griff und schießen ihn aus dem Stadion, bringt sie der kleinste Störfaktor aus der Balance – und, schnipp, fällt das Kartenhaus in sich zusammen.