Selbst Jürgen Klopp brüllt ihn mit: „Allez allez allez“ ist der Liverpooler Hit auf den Tribünen – doch der Gesang stammt aus Italien und Portugal. Und erzählt viel über jedes einzelne Land.
Im Februar 2019 sitzen zwei Handwerker in einer Bar in Liverpool und spielen Gitarre. Sie improvisieren munter, der eine sagt dem anderen die Akkorde an und dann singen sie mit voller Inbrunst. In den leeren Raum hinein. So fängt kein trockener britischer Witz an, sondern eine Geschichte über Musik, Fußball und sehr wohl auch die unbewusste Verbindung von Kulturen, über ganz Europa hinweg, bis nach Südamerika und zurück.
Dass diese Geschichte in der britischen Hafenarbeiterstadt Liverpool spielt, ist natürlich kein Zufall. In eben jener Stadt, deren Söhne die Welt einst mit „Penny Lane“ oder „Come together“ beschenkten; in der aus jedem Türspalt oder jedem Fenster die Popmusik weht und fast jeder Bewohner in seiner Jeanstasche ein Gitarrenplektrum bei sich trägt wie einen Notfallschlüssel. Und in der die Menschen, so bemerkte es in den siebziger Jahren ein berühmter Trainer, tatsächlich den „Fußball essen, trinken und atmen“. All dies trifft auch auf die beiden Handwerker zu.
Der eine heißt Jamie Webster, trägt schwarzen Parker und Popper-Schnitt. Er arbeitet als Elektriker und stammt aus Liverpool. Webster ist leidenschaftlicher Gitarrist. In der Stadt tritt er meist am Wochenende bei „Open Mike“-Abenden auf. Als Anhänger des Liverpool Football Club mischt er immer wieder Fangesänge seines Vereins in das Set um Oasis‑, Beatles- oder Kinks-Lieder.
So kam es, dass er eines Abends im Frühjahr 2018 bei der „Boss Night“ einen Gesang intonierte, den er kurz zuvor bei einer Auswärtsfahrt seines Klubs in Porto aufgeschnappt hatte. Schon bei der zweiten Wiederholung fing das Publikum Feuer und stimmte lauthals mit ein. Sieben Mal wiederholte Webster den Gesang, bis der ganze Saal das Lied schmetterte, als wären alle Besucher mit dem Liedtext so vertraut wie mit einem Weihnachtslied. Das Video dieses Konzerts wurde zu einem Internethit, millionenfach geklickt und geteilt – die Hitsingle des Hobbymusikers und Elektrikers.
Wir vermissen den Fußball. Schon jetzt. Und damit die Entzugserscheinungen uns nicht allzu sehr zusetzen, präsentieren wir als kleine Ersatzdroge ab sofort in loser Reihenfolge die schönsten Vereinshymnen und besten Fangesänge.
Der andere „Handwerker“, der im Februar 2019 neben Webster sitzt, stammt aus Brasilien. Er heißt Alisson Becker und ist der Torwart des Liverpool FC; in seinem Fach einer der besten. Becker trägt eine schwarze Daunenjacke, Vollbart und eine nach hinten gezogene graue Baseball-Cap. „We go to A minor, then to F, to G“, erklärt Webster dem Torwart die Akkorde, dann schlagen beide zusammen die Akkorde. Sie singen Websters Hit, der im engeren Sinne ein Hit aller Liverpool-Fans ist:
We conquered all of Europe,
we never gonna stop
From Paris down to Turkey
We won a f… ing lot
Bob Paisley and Bill Shankly
The fields of Anfield Road
We are loyal Supporters
And we come from Liverpool
Allez allez allez …