Borussia Dortmund gegen Werder Bremen im DFB-Pokal. Moment, da war doch was? Na klar, die aufblasbaren Bananen!
Das Finale von 1989 zwischen Dortmund und Bremen ist ein heißer Kandidat für das bunteste, fröhlichste Endspiel um den DFB-Pokal überhaupt. Das strahlende Sommerwetter spielte dabei ebenso eine Rolle wie das gute Verhältnis der beiden Fanlager. Und natürlich die mehr als tausend aufblasbaren Bananen, die Berlin schon mal einen Vorgeschmack auf die Love Parade gaben, die sieben Tage nach dem Spiel zum ersten Mal durch die Stadt zog.
Bananen? Jüngere Leser kratzen sich jetzt vielleicht fragend am Kopf. Warum um alles in der Welt sollten Fußballfans Plastikfrüchte mit in ein Stadion nehmen? Das ist eine berechtigte Frage. Vor allem, da wir hier nicht nur von Bananen reden. Der Autor dieser Zeilen hatte zum Beispiel an jenem Tag einen aufblasbaren Gorilla dabei, und wie Filmaufnahmen des WDR zeigen, war zumindest ein anderer Dortmunder auf denselben Einfall gekommen.
Doch die Bananen waren in der Überzahl. Werner Wirsing, der damalige Projektleiter des BVB für das Endspiel, hatte sich extra mit der Firma Chiquita in Verbindung gesetzt, um so viele von den Teilen wie nur eben möglich nach Berlin zu karren. Vor einigen Jahren erinnerte er sich im Gespräch mit dem Journalisten Gregor Schnittker: „Die Dinger sollten aber 70 Mark das Stück kosten! Ich sagte: ‚Liebe Freunde, ich bin gerne bereit, mit unseren Fans Werbung für Ihr Produkt zu machen. Wir wollen dafür auch kein Geld. Bitte schicken Sie uns aber möglichst schnell 1.000 Stück.‘ Bevor die groß was erzählen konnten, waren sie von der Werbeidee überzeugt, und wir bekamen unsere Plastikbananen. Da haben wir noch BVB-Aufkleber draufgemacht und sie auf die Busse verteilt. Als ich die Bananen später im Stadion sah, ging mir das Herz auf: Zwei Drittel des Stadions waren schwarz-gelb.“
Nicht nur er war von der Kulisse beeindruckt. Für viele Fans ist das Finale von 1989 so untrennbar mit Wirsings Chiquitas verbunden, dass sie glauben, die Sache mit den Bananen wäre an jenem Tag entstanden. Aber das stimmt nicht. Schon Monate vor dem Endspiel waren die ersten Bananen auf den Tribünen des Westfalenstadions aufgetaucht. Als sich die Karawane von etwa 40.000 Borussen auf den Weg zum Finale nach Berlin machte, war der seltsame Fanartikel schon fest etabliert. Dabei war er noch nicht mal eine Dortmunder Erfindung.
So komisch es klingt, die Banane kam aus Manchester. Im August 1987 nahm ein City-Fan namens Frank Newton, der Werbeartikel dieser Art sammelte, aus einer Schnapsidee heraus eine anderthalb Meter große Banane mit ins Stadion. Er zog ihr ein Trikot über und malte mit Filzstift ein Gesicht aufs Plastik. Die Fans um ihn herum fanden das sehr witzig, und als Ersatzspieler Imre Varadi sich aufwärmte, forderten sie spontan die Einwechslung von „Imre Banana“.
Oder vielleicht war es auch andersherum. Als Varadi 2013 vor einem Pokalspiel auf einer Bühne in Manchesters Stadtzentrum vom Klub-TV interviewt wurde, erinnerte er sich so an den Beginn der Manie: „Eines Tages lief ich ins alte Stadion an der Maine Road ein, und jemand schrie ‚Imre Banana‘. Keine Ahnung, warum. Vielleicht weil wir damals sehr kurze Hosen trugen … Wie auch immer, beim nächsten Spiel brachte dann jemand so eine Banane mit.“ Ob nun zuerst der Spitzname da war oder zuerst die Frucht, mit seinem nächsten Satz hatte Varadi auf jeden Fall recht: „Es brachte den Spaß zurück.“
Die Achtziger waren bis dahin kein gutes Jahrzehnt gewesen, denn sie gehörten den Hooligans. Fußballfans hatten einen miserablen Ruf. Offenbar traf so etwas Spinnertes wie Frank Newtons aufblasbare Banane den Zeitgeist. Es war ein Signal, im Stadion keinen Ärger zu machen, sondern Blödsinn. Anders ist es nicht zu erklären, dass nun etwas folgte, das die Engländer bis heute als Inflatable Bananas Craze kennen. Binnen weniger Wochen wurden aufblasbare Requisiten zu einer Art Fußball-Tamagotchi: Plötzlich musste jeder eins haben, obwohl niemand genau wusste, wofür es gut war.
Es dauerte nicht lange, da wurde die nächste Eskalationsstufe gezündet. Angeblich begann es bei einem Spiel von West Bromwich Albion, als inmitten der gelben Bananen plötzlich ein aufblasbares Frankenstein-Monster in die Höhe gereckt wurde. Bald brauchte jeder Klub sein eigenes, spezielles Utensil. Als die BBC über das Phänomen berichtete, erklärte der Ansager ohne die Miene zu verziehen: „Enthusiasten sagen, die Bananen hätten den Spaß zurück in den Fußball gebracht. Zusammen mit aufblasbaren Fischen, Skeletten und vereinzelt sogar aufblasbarer Blutwurst.“
Als Manchester City am Boxing Day 1988 zu Stoke City reiste, fuhren fast 12.000 Fans mit, unter ihnen Stephen Tudor. Vor einigen Jahren schrieb er über diesen Tag: „Fast jeder Mann, jede Frau und jedes Kind hatte etwas Aufblasbares dabei – von Plastikkrokodilen bis zu einem Planschbecken.“ Wer sein Accessoire vergessen hatte, dem wurde von prominenter Seite geholfen: Beim Einlaufen hielt jeder City-Spieler eine große Kunststoffbanane in der Hand, die er anschließend in die Fankurve warf.
Es war nur eine Frage der Zeit, wann diese Mode nach Deutschland schwappen würde. Und vielleicht war es unvermeidlich, dass man sie in Dortmund besonders begeistert aufnahm. Viele in der Stadt stationierte britische Soldaten besuchten ja regelmäßig die Spiele des BVB, außerdem herrschte gerade Aufbruchstimmung bei einem Klub, der nach langen Jahren der Erfolglosigkeit eine Mannschaft hatte, die den Fans Spaß machte. Und schließlich passte die Farbe der Bananen natürlich perfekt zum Klub.
Die Manie mit dem aufblasbaren Zubehör verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Doch es gibt immer mal wieder ein nostalgisches Comeback, und zwar bei den beiden Klubs, die man am engsten mit ihr verbindet. Zum Pokalfinale 2008 organisierten BVB-Fans ein kleines Revival. Und im Januar 2016 bat Man City seine Fans ganz offiziell, zum Pokalspiel gegen Everton ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen und mit aufblasbaren Bananen ins Stadion zu kommen.