Elf Verletzte und sechs Anzeigen. Nach dem DFB-Pokalspiel in Magdeburg prangern Darmstadt-Fans das Verhalten der Polizei an. Die Vorwürfe sind schwerwiegend.
Obwohl der SV Darmstadt 98 auswärts im DFB-Pokal-Spiel gegen Magdeburg fast 90 Minuten lang führte und schließlich in die nächste Runde einzog, blieb der Gästeblock still. Nur vereinzelte Gesänge kamen aus der Kurve, keine koordinierten Lieder, keine Zaunfahnen. Denn drei Fans konnten nicht dabei sein. Sie fehlten im Block. Zwei waren in Polizeigewahrsam und einer von den Sanitätern ins Krankenhaus gebracht worden. „Wir haben der Mannschaft mitgeteilt, dass das nichts mit ihrer Leistung zu tun hatte, wir waren einfach sehr besorgt, weil wir nicht wussten, wie schwer die Verletzung ist und ob alle heute da raus kommen“, sagt ein Sprecher der Lilien-Fanhilfe, die gegründet wurde, um Darmstadt-Fans rechtlich zu unterstützen, wenn sie Probleme mit der Polizei haben.
Es gibt zwei Versionen zu dem Vorfall. Die der Polizei geht wie folgt: Randale von Darmstadt-Anhängern. 20 sogenannte Hoch-Risiko-Fans hätten den Weg zum Stadion blockiert und so eine gefährliche Situation verursacht. Der Aufforderung, den Weg zu räumen, seien die Fans nicht nachgekommen, also habe die Polizei eingreifen müssen: „Die Kräfte haben die Straße mit Hilfe von körperlichen Zwang in Form von Wegdrängen geräumt. Daraufhin kam es zu massiven Übergriffen auf die Polizei“, sagt ein Polizeisprecher. Die Gruppe habe geschlagen, getreten und Gegenstände geworfen. Dabei habe ein Polizist eine Schlagverletzung erlitten, ein anderer eine Kapselverletzung an der Hand.
„Verpiss Dich“ als Begrüßung
Zwei Darmstadt-Fans seien deshalb festgenommen worden, einer von ihnen habe ärztliche Hilfe benötigt. Bisher sind noch keine Strafanzeigen gegen Polizisten eingegangen. Die Polizei werde die Ergebnisse, wie es üblich sei, in einer Nachbesprechung analysieren und sich mit dem Einsatz auseinandersetzen, bisher gäbe es allerdings keine Indizien auf ein Fehlverhalten: „Die Darstellung der Darmstadt-Fans überrascht uns sehr“, so der Polizeisprecher. Die Darmstädter zeichneten nämlich ein ganz anderes Bild.
In ihrer Version lief die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) Thüringen rücksichtslos in die Menge, rannte Rollstuhlfahrer und ein 10-jähriges Mädchen um, schlug auf Fans ein, provozierte und beleidigte. Schon die Anfahrt sei für die Darmstädter eine einzige Gängelei gewesen, berichtet der Sprecher der Fanhilfe: „Wir sind 15 Kilometer vor Magdeburg auf einer Raststätte zu einem Kontaktpunkt der Polizei gefahren. Danach ging es über Schleich- und Umwege zum Stadion.“ Anderthalb Stunden habe die Fahrt gedauert, an deren Ende die Fans von Polizisten mit Beleidigungen wie: „Verpiss Dich!“ begrüßt worden seien. Bei den vier Fahrzeugen habe es sich um zwei Busse verschiedener Ultra-Gruppierungen gehandelt, einem „alkoholfreien Fanbus“ und einem Bus des zweitältesten Fanklubs von Darmstadt.
Verin und Behörden überfordert?
Direkt nach der Ankunft hätte die Polizei den Fans unterschiedliche Anweisungen gegeben: „Die einen haben gesagt, wir sollen in die Richtung gehen, dann kamen andere Polizisten und haben uns wieder in die entgegengesetzte Richtung geschickt“, so der Sprecher. Falls diese Schilderung korrekt sei, wäre das ein klarer Fehler der Behörden, sagt Thomas Feltes, Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum: „Es muss eigentlich klar sein, welchen Weg die Fans einzuschlagen haben. Diese Darstellung lässt darauf schließen, dass Polizei und der gastgebende Verein mit der Planung überfordert waren.“
Die Fan-Vereinigung würde derzeit alle eingegangenen Materialien auswerten und könne bisher weder bestätigen noch ausschließen, dass es einen Flaschenwurf gegeben habe, die Bezeichnung „Weg-Blockade“ sei ihrer Meinung nach allerdings seltsam: „Das war der einzige Weg, der zum Stadion geführt hat. Außer uns waren keine anderen Fans da. Ich weiß nicht, was da hätte blockiert werden können“, sagt der Sprecher. Als die Räumung begann, hätten sich einige Personen den Polizisten entgegengestellt, ob es aber tatsächlich Tritte gegeben habe, sei ebenfalls noch nicht analysiert worden. Ein offizieller Fanbeauftragter des SV Darmstadt wurde bei dem Versuch zu vermitteln von Polizisten in ein Gebüsch geworfen, das bestätigte auch der Verein.