Wegen großer Verletzungssorgen kommt Nürnbergs Torwart Benedikt Willert gegen den VfL Bochum zu seinem Profi-Debüt. Doch zwei folgenschwere Patzer verwandeln die Premiere in einen Albtraum. Wie sein Gegenüber reagiert, zeugt indes von großer Klasse.
Montagabend, Castroper Straße, Ruhrstadion. Nürnberg ist zu Gast in Bochum. Im Flutlicht steht der Keeper des FCN unter besonderer Beobachtung. Etwas unfreiwillig feiert der erst 18-jährige Benedikt Willert sein Zweitligadebüt, nachdem zuvor gleich vier Torhüter der Franken ausgefallen waren. Christian Mathenia brach sich die Kniescheibe, Patric Klandt riss sich im Pokalspiel in Kaiserslautern die Achillessehne. Jonas Wendlinger muss aufgrund einer Schambeinentzündung passen, Andreas Lukse plagt ein Infekt. Für Willert dagegen geht unverhofft ein Traum in Erfüllung. Normalerweise steht der U19-Torwart für die zweite Mannschaft im Tor und kam bereits acht Mal in der Regionalliga zum Einsatz. Nun steht er als erster Torhüter aus dem Jahrgang 2001 in der zweiten Liga zwischen den Pfosten.
Die Ausgangslage ist für die Nürnberger alles andere als einfach. Seit fünf Pflichtspielen warten sie auf einen Sieg. In Kaiserslautern flog der FCN aus dem DFB-Pokal. Der Druck lastet nun also auch auf den Schultern des 18-jährigen Keepers. Und dann unterlaufen Willert gleich zwei Fehler, die zu Gegentoren führen. Die Bochumer Anhängerschaft reagiert hämisch: „Fünfter Torwart – Jeder weiß, warum“, skandieren sie. Möglicherweise bereut der Nürnberger in diesen Minuten, überhaupt mit dem Fußballspielen angefangen zu haben. Doch dann erfährt er ungeahnte Unterstützung: In der Halbzeitpause eilt der Bochumer Torhüter Manuel Riemann zur Mittellinie, mit dem Zeigefinger vor den Mund gestikuliert er Richtung Ostkurve und versucht, die Häme gegen den Debütanten zu unterbinden. Auch nach dem Schlusspfiff geht Riemann zu Willert und nimmt ihn in den Arm, um ihn aufzubauen.
Zwischen Leistungsgesellschaft und Empathie
Gerade für junge Spieler kann der Umgang mit der enormen Erwartungshaltung im Profifußball eine große Herausforderung sein. Vor diesem Hintergrund bewies Riemann mit seinem Einschreiten hohe Sozialkompetenz und Empathie. Die Leistung Willerts bewertete er als „übertrieben unglücklich“. Er empfand es als „nicht angebracht, den gegnerischen Torwart runterzumachen, weil er das nicht verdient hat“, erläuterte Bochums Nummer Eins nach Spielende bei Sky. Der VfL pflichtete seinem Keeper via Twitter bei: „Fehler passieren. Ob mit 18 oder 38. Kopf hoch und weiter machen, viel Erfolg für deine Laufbahn, Benedikt Willert!“.
Die Bochumer Anhängerschaft hatte nach dem außergewöhnlichen Einschreiten ihres Torhüters offensichtlich ein Einsehen. Anstatt sich weiter mit dem gegnerischen Debütanten auseinanderzusetzen, stand fortan die Freude über den ersten Heimerfolg in dieser Saison im Mittelpunkt.