Malaga! Borsigplatz! Meisterschaften! Götze, Kagawa, Lewandowski! Sieben Jahre war Jürgen Klopp beim BVB, sieben Jahre Spektakel. Seine Dortmunder Trainer-Laufbahn in der Bildergalerie.
Nein, ihr blickt nicht auf die Boyband »Ldnschd Nrd«, sondern auf den Trainingsauftakt im Juni 2008 der Ära Jürgen Klopp beim BVB. Zuvor hatten sich immer wieder hartnäckig die Gerüchte um einen Wechsel nach Hamburg gehalten. Klopp erzählte später, dass Dietmar Beiersdorfer ihn unter anderem wegen seiner zerissenen Jeans und seines ungepflegten Bartes nicht haben wollte. Schade, Didi.
Als Klopp anfing, trainierte er Spieler wie Dede, Giovanni Federico und Diego Klimowicz. Ja, die gab es tatsächlich.
Der Start in die Premierensaison funktionierte: Einem 3:2‑Erfolg in Leverkusen folgte ein erster Achtungserfolg: Gegen die Bayern von Jürgen Klinsmann erkämpfte sich der BVB am 2. Spieltag ein 1:1. Moderator damals: Kai Pflaume. Die Älteren werden sich erinnern.
Der erste Dämpfer für Klopp wartet im DFB-Pokal-Achtelfinale. An den Feierlichkeiten zum 100. BVB-Geburtstag 2009 ballerten Claudio Pizarro und Hugo Almeida Bremen eine Runde weiter. Auch im BVB-Trikot: Kevin Prince-Boateng und Tinga.
Im viel wichtigeren Duell gegen den blauen Lokalrivalen aus dem Ruhrgebiet blieb Klopp in der Saison 2008/09 zweimal ohne Niederlage. Einem spektakulären 3:3 in der Hinrunde, bei dem Alex Frei nach einem 0:3‑Rückstand erst in der 89. Minute den Ausgleich schoss, folgte im Rückspiel ein 1:1. Klopp fing an, den aus der Insolvenzstarre wieder erwachenden Borussen Spaß zu machen.
Womit Klopp auch anfing: Alphatier an der Seitenlinie zu spielen. Gehörte zum Trainer dazu, hat machmal genervt.
Als der BVB in der Saison 2015 stagnierte, warf man Klopp immer wieder vor, Spieler nicht mehr auf eine neues Level zu hieven. Zu Beginn war es anders: Es war so, als ob Klopp Kickern wie Nuri Sahin ein Trampolin hinstellte, sie stiegen drauf, sprangen ab und gingen durch die Decke.
Noch einer, der sich besonders tief ins Sprungbrett von Klopp presste, um wie ein Flummi nach oben zu gehen, war Shinji Kagawa. Der Japaner kam 2010 nach Dortmund, schoss in seinem ersten Spiel gegen Qarabag Agdam gleich zwei Tore und war eine der wichtigsten Stützen für die kommenden Meistertitel.
Klopp zweite Saison startete wie ein Autofahrer, der kein Grün erkennen kann: Nicht gut. Am siebten Spieltag lagen die Dortmunder nur auf Rang 15. Anschließend aber gab der BVB Gas, es folgten zwölf ungeschlagene Spiele in Serie. Am Ende wurde es Rang fünf, EUROPAPOKAL! Nur der DFB-Pokal unterwarf sich noch nicht der »Echten-Liebe«-Strategie. Der BVB schied gegen Osnabrück mit 2:3 im Achtelfinale aus.
Es fällt schwer, aus Klopps Zeit einen herausragenden Transfer herauszugreifen. Doch wohl niemand wurde so wichtig wie Robert Lewandowski. Mal abgesehen vom windigen Marktschreien seiner Berater, die ihn später halb Europa anboten, er aber angeblich von nichts wusste. Das war nicht so wichtig. Im Sommer 2010 kam er für 4,5 Millionen Euro aus Posen.
Besondere Spiele fanden bei Klopps alter Liebe, dem FSV Mainz 05, statt. Immer wieder betonte er, wie sehr ihm der Verein noch am Herzen liege. Ende Oktober 2010 eroberte der BVB in Mainz, die bis dahin an der Spitze lagen, die Tabellenführung und gab sie bis zum Schluss nicht wieder her. Mittlerweile wissen wir auch, dass es Aufgabe der Mainzer ist, den neuen Trainer der Dortmunder auf sein Amt vorzubereiten. Hier ein Symbolbild von damals.
Was dem BVB trotz der überraschenden weil souveränen Tabellenführung blieb, war die Schwäche im DFB-Pokal. In der Meistersaison 2010/11 war bereits in der 2. Runde am »Bieberer Berg« Schluss. Offenbach gewann 4:2 im Elfmeterschießen.
In der Liga marschierte der BVB so souverän durch die Saison als wäre Serienmeistersein eine Disziplin, die am Borsigplatz erfunden worden wäre. Das gipfelte im Demütigen des Vereins, der eben jene Kunst des Tabellenführungverwaltens sonst perfekt beherrscht. Ende Februar kam es zum großen Showdown in München. Klopp und sein Team gewannen 3:1. Die Vorentscheidung.
»Meisterstück der Rasselbande« schrieb daraufhin die Süddeutsche Zeitung. Die Liga gewöhnte sich an Siegersprints, Jubelfäuste, die Boris Becker stolz machten und Gewinner-Grimassen aus der Kloppschen Mimikschule.
Klopp selbst leugnete seinen Titelanspruch wie ein Jäger seine Jagdlust. Noch im April sagte er, dass er erst am vorletzten Spieltag wirklich daran denken würde. Dahinter steckte die Strategie, sich selbst in den Fokus zu setzen, dafür der jungen Mannschaft möglichst wenig zuzumuten. Hat funktioniert. Unangenehmer Nebeneffekt: Manchmal wurde es dann doch etwas lächerlich, wie sich der BVB als klarer Tabellenführer immer noch als Außenseiter und Underdog sah.
Am 30. April 2011 war es soweit: Nach einem 2:0 gegen den 1. FC Nürnberg leugnete niemand mehr die Titelansprüche, Dortmund war nach 2002 zum siebten Mal Deutscher Meister.
Der Verein hatte nach den harten Insolvenzzeiten aus Fehlern gelernt, und solide gewirtschaftet. Man kann an Hans-Joachim Watzke natürlich vieles kritisieren, doch was er, Jürgen Klopp und Michael Zorc seit 2005 aus dem darbenden BVB geformt haben, ist eine der beachtenswertesteten Leistungen der jüngeren Fußballhistoire. (In Hamburg wird währenddessen schüchtern die Nummer von Klaus-Michael Kühne gewählt.)
Auffer Süd wurde dat Ding auch angemessen befeiert.
Legendär wurden 2011 und 2012 die Fahrten durch die Dortmunder Innenstadt, als ein erfolgs- und alkoholbesoffener Klopp den Borsigplatz zum Beben brachte.
Weiter ging es ab dem Sommer 2011 in der Königsklasse. In der ersten Champions-League-Saison spürte man aber die Unerfahrenheit der Mannschaft wie bei einem Baby, das zum ersten Mal Wasser berührt. Zwar versuchte der BVB wie in der Bundesliga offensiv zu begeistern und hatte mit Ilkay Gündogan in der Sommerpause einen starken Neuzugang geholt. Doch Klopps Spielsystem war unreif: Gandenlos bestraften Olympique Marseille, Arsenal London und Olympiacos Piräus die Fehler der Hintermannschaft. Der BVB schied in der Vorrunde aus. Was hängen blieb: Die Reiselust der tausenden Dortmunder Fans, die in Europa nun auch zur Attraktion wurden.
Die Saison 2012 geriet für die BVB-Fans trotz des frühen Champions-League-Aus wie die Wiederholung eines schönen Traums. Erst wurde der BVB erneut Deutscher Meister…
…und eine Woche später zerfeierten die Borussen Berlin. Der FC Bayern wurden in einem der wohl besten Dortmunder Spiele der letzten Jahre mit 5:2 auseinander genommen, eine Mannschaft überrollte wie ein feierwütiger LSD-Zug die ausgelaugten Finale-Dahoam-Münchner, die wie ein ein verprügelter Hund zurückfuhren. Allen war klar: Das lässt sich Uli Hoeneß nicht lange bieten. Die Fortsetzung der Geschichte ist bekannt.
Also wieder Champions League: Malaga. Ein Wort, bei dessen Aussprache sich das Blut in Dortmund bis heute beschleunigt. Ein Europapokalabend im April 2013, geschaffen für Drehbuchautoren und Dramatiker. Zwei Tore in den letzten Sekunden. Dann der Jubellauf. Dann Real Madrid im Halbfinale.
Was zur großen Vier-Tore-Lewandowski-Show wurde und den BVB ins größte aller Endspiele, dem Champions-League-Finale brachte.
Fast genau ein Jahr nach dem 5:2‑Erfolg des BVB im Pokalfinale, rächten sich die Bayern und Arjen Robben im Champions-League-Finale. Viel wichtiger aber war die Erkentnis: Jürgen Klopp war nun im Zirkel der weltbesten Trainer angekommen und es war klar, dass er sich seine Arbeitssstelle fortan aussuchen können würde.
Wofür auch Klopp bekannt wurde: Wie ein Wolf an der Seitenlinie die Zähne zu fletschen und unbedeutende vierte Schiedsrichter auf Lamm-Niveau zu brüllen. Höhepunkt dieser Entwicklung: Das Champions-League-Gruppenspiel in Neapel im September 2013.
Der Rest der Saison ging unspekatkulär zu Ende: Mit Pep Guardiola durfte sich Klopp nun mit einem der supersuper Trainer mehrmals pro Saison vergleichen. Hier der Pöhler, dort der feine Spanier, der mit München noch etwas fremdelte. So sahen sie es gerne in Dortmund. Die Bayern hatten den BVB aber nach dem schmerzhaften Jahr 2012 leergekau, pardon, auf Platz zwei verdrängt und bestimmten wieder das Tempo der Liga. Das Pokalfinale 2014 verlor der BVB mit 0:2.
Im Dezember 2014 fand sich der BVB am Tabellenende wieder. Das 1:2 gegen Bremen vor Weihnachten war mit das mieseste Spiel der Klopp-Zeit. Als würde man nach einem geilen Suff in einer dunken Gasse auf einer verschimmelten Matratze erwachen. Der BVB, er zweifelte zwar nicht an Klopp, dafür zweifelte Klopp an sich. Er überlegte: Kann das weitergehen? Mit mir?
Er war es nicht mehr und hört nach dieser Saison auf. Bei einer Pressekonferenz im April fieberte das Stimmungsbaromter auf dem Level eines Staatsbegräbnisses. Klopp berichtete, dass er sich schon Dauerkarten für nächstes Jahr gesichert habe, Watzke brach fast die Stimme ab, Zorc säuselte von einem »modernen Fußballmärchen«. Es war ein angemessenes Ende für Klopp, der sieben Jahre lang den Spagat zwischen dem durchgeleierten Werbeslogan »Echter Liebe« und tatsächlicher Hingabe an einen Verein probte. Es funktionierte meistens, am Ende war er, der Slogan und seine Mannschaft aber verbraucht.
Deutlich wurde das bei Klopps allerletztem Spiel im Pokalfinale gegen den VfL Wolfsburg, das wie die ganze Saison gut startete, dann aber immer schlechter wurde. Dem BVB fiel nichts ein. Zeit, zu gehen.
Mit Jürgen Klopp (»Der Pöhler«) gehen werden auch seine Co-Trainer Zeljko Buvac (Mitte links, »Das Gehirn«) und Peter Krawietz (rechts, »Das Auge«). Ob Thomas Tuchel seinen Körper auch auf mehrere Schultern verteilt hat?
Ohne pathetisch wirken zu wollen: Aber Klopps Ära beim BVB wird wohl noch sehr lange ihre Spuren hinterlassen. Er veränderte die DNA des Vereins, stachelte die Bayern mit seinen eigenen Erfolgen so sehr an, das die 2013 das Triple holten und wurde in England zum heißesten Scheiß. Chapeau, Herr Klopp, und bis bald mal.