Florian Kohfeldt hat den SV Werder wieder auf Kurs gebracht. Der DFB kürt den Bremer Coach deshalb zum „Trainer des Jahres 2018“. Im Gespräch mit 11FREUNDE spricht er über seine Startschwierigkeiten und darüber, wie er sich seitdem mehr und mehr Respekt erarbeitet hat.
Beim Hamburger SV trat im Frühjahr 2018 der Trainer Christian Titz mit einer ähnlichen Überzeugung an. Auch er kam aus dem Nachwuchs mit einer klaren Vorstellung von Fußball und er sorgte trotz Abstieg für Aufbruchsstimmung. Als Titz in der zweiten Liga nicht von seiner Linie abrücken wollte, wurde er entlassen.
Ich muss jetzt aufpassen, was ich sage, sonst kann ich nie wieder in Hamburg einkaufen. (Lacht.) Als Kollege kann ich diese Entlassung natürlich nicht nachvollziehen. Aber ich denke, dass sich die Umfelder bei den Vereinen auch stark unterscheiden.
In welcher Hinsicht?
Ich glaube, dass man bei Werder mehr Zeit für den Erfolg eingeräumt bekommt. Was nicht bedeutet, dass wir völlig losgelöst von Ergebnisse arbeiten. Hier wird’s auch unruhig, wenn wir vier Mal in Folge verlieren. In Bremen könnte das so aber nicht passieren. Ein zentraler Unterschied ist: Wir gehen hier nicht den Florian-Kohfeldt-Weg, sondern wenn überhaupt den Baumann-Kohfeldt-Weg, am ehesten aber den Werder-Weg. „Baumi“ und ich unterhalten uns seit vielen Jahren darüber, wie wir den Verein sehen, wie wir ihn entwickeln und wie wir Fußball spielen wollen. Natürlich ist es eher meine Aufgabe, diese Ideen auf dem Trainingsplatz zu vermitteln und er muss schauen, welche Spieler dazu passen. Aber es ist unser gemeinsamer Weg.
Sie übernahmen den SV Werder auf einem Abstiegsplatz. Theoretisch hätten Sie der Trainer sein können, der Werder nach vierzig Jahren wieder in die zweite Liga führt.
Zwei Faktoren gaben für mich den Ausschlag, den Job zu übernehmen: 1. Meine Überzeugung, dass wir den Klassenerhalt mit dieser Mannschaft und der richtigen Philosophie schaffen können. 2. Dass ich von Frank Baumann das Maximale an Vertrauen bekomme, das auf dieser Ebene vorstellbar ist. Mehr hätte ich nirgendwo sonst bekommen.
Hatten Sie denn Optionen?
Es wäre vermessen, wenn ich sage, wäre ich hier nicht Bundesligatrainer geworden wäre, dann bei einem anderen Klub. Pure Arroganz. Aber ich habe mit der U23 in der 3. Liga die Klasse gehalten und es gab öfter Anfragen – in anderen Funktionen, aber auch als Chefcoach im Profibereich.
Wo denn?
Sehen Sie mir bitte nach, wenn ich diese Details für mich behalte.
Von Vereinen aus der Region?
Gemischt, es waren auch Angebote aus dem Ausland dabei. Was ich aber sagen will: Mir war sehr wohl bewusst, wenn es bei Werder als Chefcoach schiefgeht, werde ich mich in Bereichen, in denen ich mir eine gute Ausgangsposition erarbeitet habe, erst einmal wieder hintenanstellen müssen.
So wie Ihr Förderer Viktor Skripnik, dem Sie schon als U23-Trainer assistierten und später bei den Profis. Er wurde gerade auch als Trainer beim FC Riga freigestellt.
Ich weiß noch, wie ich einmal mit meiner Frau eine Radtour an der Weser machte, aufs Stadion blickte und sagte: „Mann, wäre doch Wahnsinn, da mal dabei sein zu können.“ Als ich es dann später als Co-Trainer erlebte, hatte ich dann doch schon sehr großen Respekt vor der Aufgabe.
Was veränderte Ihre Sicht?
Es gab kein traumatisches Ereignis, aber im Profigeschäft passieren auch Dinge, die mir nicht gefallen. Zu meinen Freunden, die Fußballfans sind, sage ich öfter: „Ich erzähle euch nicht alles, sonst findet ihr das nicht mehr so gut.“
Worauf spielen Sie an?
Was mit Viktor passiert ist, gerade in den letzten Monaten seiner Amtszeit, hat mich beschäftigt. Viktor ist ein sehr guter Trainer und ein sehr starker Mensch, aber wie er am Ende unter den ausbleibenden Ergebnissen litt, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Denn so etwas kann jedem passieren.