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Seite 3: Wie er den Ruf nicht mehr loswurde

Ich habe schnell erkannt, dass bei Ajax im Zweifel immer der Jün­gere spielt“, sagt Wes­ter­mann. So nahm er sich de Ligts an. Er ist so, wie ich in Fürth war, will nicht auf­hören zu trai­nieren. Ich musste ihn oft bremsen“, sagt Wes­ter­mann. Er spielte sogar den Chauf­feur, nahm den noch füh­rer­schein­losen de Ligt als Bei­fahrer mit. Am Ende von Wes­ter­manns Zeit in Ams­terdam fand dessen Groß­mutter öffent­lich nette Worte für ihn: Als Mat­thijs’ Oma will ich mich herz­lich dafür bedanken, dass du meinen kleinen Mat­thijs super begleitet hast. Er hat viel von dir gelernt. Super, dass du ihn nach Hause gebracht hast, wenn es wieder spät wurde. Viel Erfolg in Wien.“

Hier in Wien sitzt Wes­ter­mann und denkt über HW4 nach. Vor dem Stadt­derby gegen Rapid war sein Coach Thorsten Fink nach ihm befragt worden. Der Trainer ant­wor­tete deut­lich: Wes­ter­mann, der Vize-Euro­pa­meister von 2008, sei bisher der beste Mann auf dem Platz gewesen. In den Medien steht der neue Abwehr­chef trotzdem in der Kritik. Alles wie immer also. Wes­ter­mann spielt, Wes­ter­mann wird kri­ti­siert. Die Leute erwarten Wunder von mir.“ Vor der Saison hat sein ehe­ma­liger Team­kol­lege Paul Scharner über ihn her­ge­zogen. 30 von 60 Gegen­toren aus der gemein­samen Zeit gingen auf die Kappe von HW4, soll er gesagt haben. Habe ich gehört“, sagt Wes­ter­mann, aber ich habe auch gehört, dass es seine eigene Buch­vor­stel­lung war. Und er nur über mich geredet hat.“

HW4 ist größer als Heiko Wes­ter­mann

Beson­ders beliebt sind Witze über HW4 auf der Face­book-Seite Fusi­füchse – News und Satire aus der Fuß­ball­welt“. Dort wird Wes­ter­mann nicht nur als desi­gnierter Sieger der kom­menden Welt­fuß­bal­ler­wahl und des Bambis, son­dern auch als Lover der Bache­lo­rette und Frie­dens­bringer der G20-Demons­tra­tionen gefeiert. Eine Anfrage an die Fusi­füchse, die klären soll, warum Witze über Heiko Wes­ter­mann noch witzig sind, wird per auto­ma­ti­scher Mail beant­wortet: Wir sind gerade in einem Inter­view mit #HW4. Danach gehen wir mit Lord Bendtner in die Disco. Ant­wort­zeit ist also frag­lich. Alles Gute bis dahin!“

Wes­ter­mann zuckt mit den Schul­tern: Wenn sich Per­sonen daran auf­geilen können, sollen sie es halt machen. Mich inter­es­siert das nicht.“ Doch aus dem Schul­ter­zu­cken wird eine Bewe­gung, als würde er eine Fliege fort­jagen wollen, ohne zu wissen, wo sie sitzt und wann sie wei­ter­fliegt. Als würde es ihn eben doch pie­sa­cken, dass sich die Leute aus­ge­rechnet an ihm auf­geilen. Warum immer Wes­ter­mann?

Ich bin Heiko Wes­ter­mann“

Er rührt lange in seinem Kaffee, bevor er diese Frage beant­wortet. Oft habe er dar­über nach­ge­dacht. Viel­leicht mache ich immer einen Schritt mehr, als ich müsste.“ Ja, viel­leicht ist es das. Auf dem Trai­nings­platz in Stein­brunn lässt es Wes­ter­mann gemäch­lich angehen. Der 34-Jäh­rige weiß, dass er mit seinen Kräften haus­halten muss. Er beugt – wie es für Men­schen mit seiner Kör­per­größe üblich ist – die Hüfte leicht vor, wenn er über den Platz läuft. Wird ihm ein Ball zuge­spielt, dann zieht Wes­ter­mann nicht durch. Nein, er macht einen kleinen, nahezu unauf­fäl­ligen Hüpf­schritt, kurz bevor er den Ball trifft. Ein Bewe­gung, als hätte er den Zeit­punkt falsch berechnet, als müsse er sich neu posi­tio­nieren. Wes­ter­mann geht diesen unge­lenken Extra­schritt jedes ein­zelne Mal. In den schlimmsten Momenten wirkt es, als würde er die Bremse nicht finden. Dann läuft alles von selbst weiter. 

Irgend­wann wurde HW4 so groß, dass mich jeder drauf ange­spro­chen hat“, sagt Wes­ter­mann und rührt weiter. Ich wurde es nicht mehr los.“ Und Wes­ter­mann ist nie­mand, der sich beschwert. Nach einem 0:0 des HSV gegen Borussia Dort­mund, einem – da waren sich aus­nahms­weise alle einig – über­ra­genden Spiel von ihm, hatte es der Kapitän ein letztes Mal ver­sucht. Er war vor die Presse getreten und pol­terte: Die Kri­tiker und Idioten, die meinen, den Fuß­ball erfunden zu haben, können mich mal am Arsch lecken. Ich war immer hier und habe meinen Arsch hin­ge­halten. Ich lasse mir nicht meinen Namen kaputt­ma­chen.“ Nur: Sein Name war da längst zer­stört. Durch die Medien. Durch Fans. Durch das Internet. Und der Verein bot ihm, dem Sün­den­bock, keinen neuen Ver­trag an. Sie schickten ihn in die Einöde, wie Wes­ter­mann das Aus­land nennt. Betis Sevilla, gute Zeit. Ajax Ams­terdam, durch­wachsen. Seine Tri­kot­nummer wech­selte er sofort und ganz bewusst. Wes­ter­mann beschwert sich nicht über HW4. Ich nehme es mit einem Lächeln, klar“, sagt er wie ein Kranker, der mit seiner Dia­gnose leben muss. Dann räumt er die leeren Kaf­fee­tassen in die Spüle. Und über­legt. Und sagt dann: Ich bin Heiko Wes­ter­mann.“