Für die 11FREUNDE-Ausgabe #212 haben wir Lewis Holtby eine Saison lang mit dem HSV durch die zweite Liga begleitet. Herausgekommen ist eine Geschichte, die keiner der Beteiligten je vorausgesehen hätte.
Die Idee lag auf der Hand.
Der Hamburger SV war im Mai 2018 das erste Mal in die zweite Liga abgestiegen. Jahrelang hatte sich der Traditionsklub gewunden, nun war der Ernstfall eingetreten. Doch als es soweit war, fühlte es sich gar nicht mehr so schlimm an. Auf der Zielgeraden der Saison 2017/18 hatte Trainer Christian Titz seinem jungen Team neues Selbstbewusstsein eingeimpft. Er hatte Lewis Holtby von der Tribüne geholt und zum Leader in der Startelf gemacht. Und am Ende einer furiosen Aufholjagd wäre es den Rothosen fast noch gelungen, die Klasse zu halten. In der Sommerpause meldete der HSV neue Rekordzahlen bei den Mitgliedern. In Hamburg waren sich alle einig: Das Jahr in der zweiten Liga würde keine Demütigung werden, sondern die passende Gelegenheit für einen umfassenden Neustart. Das Ende der überzogenen Ansprüchen, der hirnverbrannten Verschwendung von Geld, Ressourcen und Personal und der Beginn einer neuen, demütigen Ära. Kurz: einer besseren Zukunft.
Spontane Zusage
Das Gesicht dieses Neubeginns sollte Lewis Holtby sein. Der Ex-Nationalspieler hatte sich breitschlagen lassen, beim HSV für ein weiteres Jahr zu verlängern. Die Euphorie in der Hansestadt überzeugte ihn, dass sich ein Verbleib lohnen würde – nicht nur für den Klub, auch um seiner Karriere wieder Auftrieb zu geben.
Als 11FREUNDE im Sommer 2018 anfragte, ob Holtby bereit sei, sich für eine große Reportage von uns ein Jahr lang begleiten zu lassen, sagte er spontan zu. Es wurde verabredet, dass kein Detail ans Licht der Öffentlichkeit dringen würde, bevor die Story in der Juli-Ausgabe 2019 erscheinen würde. Holtby war sich bewusst, dass eine derartige Geschichte auch Risiken birgt. Dass die Recherchen auch fortgeführt werden müssten, wenn er sich verletzt oder sich der erhoffte Erfolg nicht einstellt. Beim HSV hatten ihn einige gewarnt, doch bei unserem ersten Treffen im Juli 2018 lachte er die Vorbehalte weg: „Entweder ich stehe am Ende mit der Radkappe jubelnd vor eurer Kamera“, sagte er, „oder ich stehe da wie Martin Schulz in dieser Spiegel-Reportage über seinen Bundestagswahlkampf.“
Kartenzocken im Trainingslager
Von da an trafen wir den Profi regelmäßig zu ausführlichen Gesprächen. Wir besuchten ihn in seiner Winterhuder Wohnung. Waren mit ihm bei Terminen mit Fans und Sponsoren. Reisten mit ihm und dem HSV ins Wintertrainingslager nach La Manga. Begleiteten ihn in seinen Heimatort Gerderath am Niederrhein. Wir hockten neben Holtby, als er mit Pierre-Michel Lasogga, Christopher Moritz und Matti Steinmann im Wohnzimmer der Trainingslager-WG Karten zockte. Wir sprachen mit Wegbegleitern wie Christian Titz und Ralf Becker, mit Teamkollegen, alten Freunden und Leuten aus dem Staff. Und am Ende der Saison führten wir ihn noch einmal mit seinem Förderer und Ex-Trainer Christian Titz zusammen, um diese merkwürdige Spielzeit zu bilanzieren.
So ergab sich ein umfassendes Persönlichkeitsprofil eines Menschen, der sich im Spannungsfeld des Profifußballs bewegt. Wir erlebten hautnah, wie Lewis Holtby mit Erfolgen und Misserfolgen umgeht, was ihn privat antreibt, wie er Zurücksetzungen kompensiert und welche Hoffnungen und Zweifel ihn umtreiben.
Erwartungen nicht erfüllt
Wie inzwischen jeder weiß, verlief die Saison des Hamburger SV ganz anders, als sich die Verantwortlichen und das Umfeld des Vereins vorgestellt hatten. Und auch die Erwartungen von Holtby erfüllten sich nicht. Er, der anfangs das Symbol des Neuanfangs sein sollte, wurde nach der Entlassung von Christian Titz zunehmend zum Inbegriff der Krise am Volkspark. Der neue Trainer Hannes Wolf und Sportdirektor Ralf Becker hatten andere Vorstellungen, wie sich der HSV sportlich präsentieren sollte. In der Rückrunde rückte Vizekapitän Holtby zunehmend ins zweite Glied.
Doch ohne ihn tat sich die Mannschaft des Hamburger SV schwer, dem Druck des obligatorischen Wiederaufstiegs standzuhalten. Gleichzeitig wuchs die Kluft zwischen der sportlichen Führung und dem anfangs zum Führungsspieler ausgerufenen Holtby. Am 31. Spieltag wurde er vom Verein aufgrund einer Disziplinlosigkeit bis zum Saisonende suspendiert. Das traurige Ende seiner knapp fünf Spielzeiten an der Elbe.
Dem HSV gelang es in der Folge nicht mehr, sich an der Tabellenspitze zu halten, bereits vor dem letzten Saisonspiel stand fest: die „Mission Wiederaufstieg“ war krachend gescheitert. Und mit ihr alle Hoffnungen und Träume, den stolzen Klub mit einem neuen, positiven Geist zu erfüllen.
Unbemerkter Abschied
Lewis Holtby erlebte das letzte Saisonspiel gegen den MSV Duisburg an der Seite seiner Mutter auf der Tribüne. Es war ihm ein Anliegen, sich gebührend von den vielen HSV-Fans, die über die Jahre stets zu ihm gehalten hatten, zu verabschieden und auf diesem Weg seine Dankbarkeit auszudrücken. Nur wenige Tage später verließ er von der Öffentlichkeit fast unbemerkt die Hansestadt.
Wenn Ihr wissen wollt, was hinter den Kulissen beim Hamburger SV in dieser bewegten Spielzeit passierte und warum sich all das, was sich Lewis Holtby anfangs so positiv dargestellt hatte, irgendwann zum Negativen veränderte, lest die große Reportage „Ein verlorenes Jahr“ in der neuen 11FREUNDE-Ausgabe #212. Jetzt überall, wo es Zeitschriften gibt!