Ausnahmezustand in Buenos Aires: Ein knappes Jahr nach den Attacken von River-Fanatikern auf den Boca-Bus kommt es in einer Woche zur Revanche in der Copa Libertadores. Im Vorfeld gibt es Säbelrasseln, Waffenfunde und harsche Polizeimaßnahmen.
Es dauerte nur wenige Stunden, da hatte ganz Argentinien die Fotos gesehen: Eine halbe Hundertschaft muskelbepackter River-Ultras kniete im Staub der Straßen von Lanús vor den Toren von Buenos Aires. Die Arme hinter den Köpfen verschränkt, die Gesichter zur Wand. Dramatische Momentaufnahmen, für die nicht etwa eine Terrororganisation gesorgt hatte, sondern die argentinische Polizei.
Der spektakuläre Einsatz ereignete sich in der vergangenen Woche, vor dem Pokalspiel zwischen Godoy Cruz und River Plate (0:1). Dabei setzte die Exekutive 51 Mitglieder der berüchtigten Barra Brava „Borrachos del Tablón“ (zu deutsch: Trinker der Tafelrunde) vorübergehend fest. An Rechtfertigung für die Härte der Maßnahme mangelte es den Ordnungshütern anschließend nicht: Nur die Hälfte der abreisebereiten River-Ultras hatte Eintrittskarten für das Spiel bei sich, dafür trugen einige scharfe Schusswaffen und Unmengen von Munition am Körper.
Verbindungen in die organisierte Kriminalität
„25 von ihnen wurden von der Teilnahme an der Sportveranstaltung ausgeschlossen“, bilanzierte Juan Manuel Lugones, Leiter der Agentur zur Verhütung von Gewalt im Sport (ApreVide). Unter den Erwähnten sollen laut Medienberichten auch gefürchtete Szenegrößen wie „El Gordo Ale“ (46) und dessen Sohn „El Brian“ (26) gewesen sein. Notorische Gewalttäter mit angeblichen Verbindungen zum berufsmäßigen Verbrechen. „Sie kamen in Autos und mit Waffen, die gestohlen waren“, erklärte Lugones. „Hoffentlich nimmt die Gerechtigkeit ihren Lauf und die Typen finden keinen Ausweg.“
Die Message hinter dieser knallharten Ansage und hinter den Fotos aus Lanús ist unmissverständlich. Sie lautet: In Argentinien hat immer noch die Polizei das Sagen, nicht die Barra Bravas. Auch der Zeitpunkt dieser wenig subtilen Botschaft war bewusst gewählt, denn am 2. Oktober (2.30 Uhr MEZ) kommt es im Halbfinale der Copa Libertadores zur Revanche für das Vorjahres-Finale: Titelverteidiger River Plate trifft auf den Erzrivalen, die Boca Juniors. Ein „Superclasico“, wie der Argentinier sagt. Das sportlich mit Abstand brisanteste Duell im Land. Und das sicherheitstechnisch heikelste.
Scharfe Waffen und beträchtliche Mengen an Projektilen
Nach den brutalen Attacken auf Bocas Mannschaftsbus im Vorfeld des letztjährigen Final-Rückspiels bei River und der darauffolgenden, hochnotpeinlichen Verlegung der Partie nach Madrid wollen Argentiniens Sicherheitsverantwortliche diesmal keinen Zweifel aufkommen lassen, wer Herr im Haus ist. Seit Tagen cruisen vollbesetzte Polizei-Mannschaftswagen und sogar gepanzerte Einsatzfahrzeuge durch die angestammten Viertel der jeweiligen Fanszenen. Präsenz und Stärke zeigen, so lautet die Devise.
Während politische Hardliner derlei Maßnahmen ausdrücklich begrüßen, fragen sich manche Experten, ob das polizeiliche Säbelrasseln die Gefahrenlage vor dem Halbfinal Hinspiel im River-Stadion „Monumental“ nicht eher verschärft. Das suggerieren auch die Waffenfunde bei insgesamt 28 Durchsuchungen von Wohnungen der „Borrachos del Tablón“ in den Tagen nach der Straßenrazzia von Lanús: Dabei stellte die Polizei weitere 13 scharfe Faustfeuerwaffen und beträchtliche Mengen an Projektilen sicher.