Der englische Zweitligist Wigan Athletic hat vergangene Woche Insolvenz angemeldet. Als Grund dafür gab der Verein die Auswirkungen der Corona-Pandemie an. Doch dahinter steckt viel mehr: ein dubioses Konstrukt von Klubeigentümern und sogar der Verdacht des Wettbetrugs.
„Ich will den Fans ans Herz legen, weiter zu hoffen. Wir geben unser Bestes, um sicherzustellen, dass sie nächste Saison Spiele von ihrem Klub sehen können.“ Bedrohlicher konnten die Aussagen von Insolvenzverwalter Gerald Krasner am Donnerstag im BBC Breakfast kaum wirken, als er sich an die Fans von Wigan Athletic wandte. Als erstes müsse sichergestellt sein, dass Wigan die Saison zu Ende spielen kann und „dass wir Interessenten finden, die Wigan Athletic retten wollen und die Jobs der Menschen, die für den Klub arbeiten“, sagte Krasner. Gemeinsam mit seinen Kollegen Paul Stanley und Dean Watson soll Krasner als Insolvenzverwalter den Verein vor dem Untergang bewahren.
Der Tabellen-Sechzehnte der Championship ist der erste Profi-Klub in England, der nach der Unterbrechung des Spielbetriebs den Schritt in die Insolvenz geht. Als Grund gibt der Verein fehlende Einnahmen aufgrund der Geisterspiele an. Doch Recherchen zeigen, daran liegt die finanzielle Notlage nicht.
Die English Football League (EFL), unter der die Ligen zwei bis vier in England organisiert sind, hat bereits erklärt, Wigan noch in der laufenden Saison zwölf Punkte abzuziehen. Sollten die Latics, wie das Team genannt wird, jedoch rein sportlich ohnehin aus der Championship absteigen, so müssten sie die Punktstrafe zu Beginn der kommenden Saison hinnehmen. Bei fünf verbleibenden Spielen und nur sechs Punkten Vorsprung auf die Abstiegsränge kann Wigan Athletic mit der verhängten Strafe den Abstieg wohl kaum noch verhindern. Doch ein Blick auf die vergangenen zwei Jahre des Klubs legt den Verdacht nahe, dass manche Leute von einem möglichen Abstieg sogar profitieren würden.
Diesen Verdacht hegt mittlerweile auch der Geschäftsführer der English Football League Richard Parry. In einem heimlich aufgenommenen Video sagte er zu einem Wigan-Fan: „Es gibt Gerüchte, dass auf den Philippinen auf ihren [Wigan Athletics] Abstieg gewettet wurde, weil der vorherige Besitzer Anteile an Glücksspielunternehmen auf den Philippinen hat.“ Mittlerweile bestätigte die EFL die Echtheit des Videos, wies aber auch darauf hin, das Zitat stamme aus einer ausführlicheren Unterhaltung. Sollte an diesen Gerüchten, die offenbar auch schon in den höchsten Gremien des englischen Fußballs angekommen sind und dort wohl auch ernst genommen werden, etwas dran sein, wäre die Insolvenz von Wigan Athletic ein internationaler Wettskandal. Denn offenbar befindet sich Wigan inmitten eines Geflechts dubioser Geschäfte.
Soweit sich die Insolvenzverwalter um Gerald Krasner einen Überblick verschaffen konnten, waren weder die zahlreichen Auf- und Abstiege aus den vergangenen Jahren noch die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Profifußball ausschlaggebend für die Insolvenz. „Ich glaube nicht, dass das einen starken Einfluss darauf hatte, wie der Klub geführt wurde“, sagte Paul Stanley im BBC Radio Manchester und erklärte stattdessen: „Die fälligen Gelder der Besitzer kamen nicht an. Ich weiß nicht warum, ich hatte keinen Kontakt zu den Besitzern. Es könnte mit dem Coronavirus zu tun haben, ich weiß es einfach nicht.“
Das nötige Geld hätte von der Next Leadership Fund Limited Partnership (NLF) kommen sollen, die erst seit einem Monat Mehrheitseigentümer des Klubs ist. Seit 1995 war Dave Whelan Inhaber von Wigan Athletic und machte den Verein nach 25 Jahren Dritt- und Viertklassigkeit im Jahr 2005 zu einem Premier-League-Klub. Mit seinem Geld war er auch maßgeblich am größten Erfolg der Vereinsgeschichte, dem FA-Cup-Sieg 2013, beteiligt.