Neben Jens Lehmann gehört auch Marc Kosicke künftig dem Aufsichtsrat von Hertha BSC an. Der ist eine mächtige Figur im deutschen Fußball, von der Hertha profitieren könnte. Doch Kritiker warnen vor einem Interessenkonflikt.
Das Netzwerk, das Kosicke schon durch seine Tätigkeit für Adidas und Nike hatte, ist seit Gründung von Projekt b noch deutlich erweitert worden. Oliver Bierhoff, Manager der Nationalmannschaft, hat die Agentur 2007 mitgegründet. Zu den Rednern, die Kosicke für Vorträge vermittelt, zählen Leute wie Hans-Joachim Watzke, Sebastian Kehl, Jörg Schmadtke und Marco Bode. Mats Hummels ist ebenfalls Klient von Projekt b, auch Sven Voss, der Moderator des ZDF-Sportstudios. „Er hat ein sehr großes und sehr gutes Netzwerk“, sagt Michael Frontzeck.
Davon hofft künftig auch Hertha BSC zu profitieren – wie umgekehrt Kosicke von Hertha profitieren könnte. „Smarter Move von Marc Kosicke“, twitterte Spielerberater Jörg Neblung am Montagmorgen. „Aus dem Aufsichtsrat heraus kann ich einem Verein natürlich noch viel effektiver Trainer oder Trainingslager vermitteln.“ Kosicke ist nicht nur Berater, sondern auch Teilhaber von Onside Sports, einem Unternehmen, das Trainingslager und Freundschaftsspiele organisiert. Hertha BSC gehört bisher nicht zu dessen Kunden.
„Natürlich sehe ich das kritisch, weil da ein Interessenkonflikt existiert“
„Marc ist ein guter Mann und ein integerer Typ“, sagt Neblung. Trotzdem hält er die Konstellation mit dem Sitz in Herthas Aufsichtsrat für skurril: „Natürlich sehe ich das kritisch, weil da ein Interessenkonflikt existiert.“ Bei Hertha hat es bereits vor vier Jahren einen vergleichbaren Fall gegeben: 2016 kandidierte der Spielerberater Jörg Neubauer – am Ende vergeblich – für das Präsidiums des Vereins. Als Berater und Vermittler noch eine Lizenz des Deutschen Fußball-Bundes zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigten, war es ihnen explizit untersagt, eine offizielle Funktion in einem Verein auszuüben.
Leute, die beruflich mit ihm zu tun hatten, schildern den 49 Jahre alten Kosicke als sehr intelligent. Dazu zählt auch seine bisherige Linie, sich weitgehend von der großen, grell ausgeleuchteten Bühne fernzuhalten. Einen Eintrag bei Wikipedia findet man zu ihm nicht. Und als Kosicke, gebürtiger Bremer und Werder-Fan seit seiner Kindheit, 2012 das Angebot hatte, Nachfolger von Klaus Allofs als Sportdirektor seines Lieblingsklubs zu werden, lehnte er das unter anderem mit der Begründung ab: „Ich wollte nicht jeden Tag gesehen und bewertet werden.“
Aber auch so zählt Kosicke zu den wichtigsten Playern im Fußballbusiness. Er berät nicht nur Spieler und Trainer, sondern auch ganze Vereine. Für die Bayern, so hat er einmal erzählt, hat er die Mia-san-mia-Philosophie entwickelt, und von der TSG Hoffenheim wurde Projekt b 2013 als Unternehmensberatung angeheuert, die den gesamten Klub und seine Strukturen durchleuchten sollten. Kosicke selbst hielt sich auch bei diesem Projekt weitgehend im Hintergrund und führte nur wenige Gespräche. Den größten Teil der Arbeit übernahmen Christian Frommert und Peter Rettig. Frommert wurde später Mediendirektor bei der TSG, Rettig sogar Geschäftsführer.
Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.