Morgen wird über die Zukunft von 50+1 diskutiert. Was das Fehlen einer solchen Regel ausrichten kann, zeigt dieser Brief aus England. Ein Appell von der Insel an die DFL und die deutschen Kurven.
Vielleicht mag der Satz von Karl-Heinz Rummenigge stimmen: „Mehr Anstoßzeiten bringen nicht das große Geld, wohl aber der Wettbewerb.“ Doch die Kunden, sprich hier die Fans an den Bildschirmen, zahlen auch hier die Zeche. Sky und BT, die beiden übertragenden Sender, haben direkt nach dem TV-Deal flugs ihre Preise erhöht. Den Anzugträgern des Ligaverbandes ist das egal, sie sagten bereits, dass sie keine „Wohltätigkeitsorganisation“ seien. Wir hätten schon vor langer Zeit einen Boykott des Pay-TV durchziehen sollen.
Verteidigt 50+1!
Das Pay-TV entzieht der Öffentlichkeit den Fußball und leitet ihn in die abgelegenen, privaten Räume der Reichen. Der englische Supercup, also das Spiel zwischen dem Meister und Pokalsieger, heißt „Community Shield“, doch wurde nur im Bezahlfernsehen übertragen. Damit schließen sie genau die „Community“, also (Fußball-)Gemeinde aus, die sie vorgeben zu repräsentieren.
Wir sehen, dass in Deutschland die 50+1‑Regel mehr und mehr ausgehöhlt wird. Dem sollten deutsche Fans entgegentreten. Wenn du ihnen einen Zentimeter lässt, nehmen sie einen Kilometer. Wir haben eine Sache gelernt: Sponsoren sind genau da empfindlich, wenn du ihre vergiftete Beziehung zum Fußball nachweisen kannst.
Was wollt ihr von der Premier League übernehmen?
Es wird nicht lange dauern, bis die deutschen Funktionäre mit den englischen das lustige Spiel „Hippo Flip“ in der Goldgräber-Version spielen. Sie werden sich hinstellen und sagen: „Der Einfluss von Fans hält die Entwicklung des Fußballs auf.“
50+1 ist eine großartige Sache und sollte unantastbar sein. Ohne diese Regel sprießen die Ticketpreise in die Höhe wie beispielsweise bei Arsenal. Dort halten sie es für normal, wenn die günstigste Dauerkarte 1000 Pfund kostet. Und bei Sheffield Wednesday verlangen sie 17 Pfund Eintritt für ein Kleinkind.
Die Frage bleibt also: Was wollen die Deutschen so unbedingt übernehmen von der Premier League? Einer Organisation, die von allem den Preis kennt, aber von nichts den wahren Wert. Eine Liga, die das englische Nationalteam zerstört hat, indem es kein einziges Talent zum Zug kommen ließ. Ein Wettbewerb, der Geld eintreibt und den echten Amateurfußball ausmergelt. Eine Liga, in der die Stadien voller lustig-dumm-klatschender Touristen sind, die wie beim Wrestling darauf warten, dass die „Big hitters“ erwartungsgemäß den Sieg davon tragen. Die Premier League ist die berechenbarste Liga Europas trotz all der Botschaften ihrer PR-Abteilungen und der ihr in Treue verbundenen Boulevardpresse.
Eine Milliarde Schulden
Habt ihr schon von dem Eine-Milliarde-Schuldenberg gehört, den die zweite englische Liga angehäuft hat, weil sich zu viele Vereine suizidale Kapriolen leisteten, um an das große Geld zu kommen? Nein, habt ihr nicht? Nun, sie reden nicht gerne darüber.
Natürlich gibt es das Argument, dass Top-Spieler die Liga aufgrund der 50+1‑Restriktion verlassen. Das ist leider unvermeidbar. Der deutsche Verband sollte daher jene Nationalspieler einfach ausschließen, die dem Geld der Premier League hinterher rennen, so wie es das englische Rugbyteam mit Spielern macht, die nach Frankreich gehen. Die größte Waffe der Bundesliga bleibt nun mal das Modell der Fanvereine. Die DFL sollte Schulungsprogramme geben für die englische Premier League.
Wir hörten zuletzt von einem Zitat des DFL-Bosses Christian Seifert: „Wir dürfen nicht blind der Karotte hinterherlaufen, die England vor uns her baumeln lässt.“
Vergesst die Karotte, der deutsche Fußball und seine Fans sollten selbst den Stock in die Hand nehmen und diejenigen in die Flucht schlagen, die dieses bösartige englische Modell der Premier League vertreten.