Die Bremer tragen sich ins Geschichtsbuch ein, Xabi Alonso macht den Ronaldinho und Ilkay Gündogan feiert sein Comeback. Hat mal wieder nichts zu feiern: unsere 11 des Spieltags
Werder Bremen
Werft das Drei-Punkte-Konfetti in die Luft, schenkt euch ein leckeres Glas Zielwasser ein und zündet feierlich die rote Laterne an, denn wir haben einen Rekord zu feiern: Der SV Werder Bremen schaffte am Samstag das Kunststück, im Spiel gegen die Bayern nicht ein einziges Mal aufs Tor zu schießen. Seit Beginn der Aufzeichnung zur Saison 1993/94 ist es in 6495 Partien keiner einzigen Mannschaft gelungen, so derart schlecht zu sein, weswegen wir uns die Freiheit erlauben, fröhlich die ganze Bremer Mannschaft in die 11 des Spieltags aufzunehmen. Glückwunsch dazu, liebe Bremer. Bei nun vier Punkten aus acht Spielen und sensationellen 22 Gegentoren sieht es beim SVW wahrlich zappenduster aus. Aber keine Sorge, hinter den Kulissen arbeiten die Verantwortlichen bereits an einem Coup, der neue sportliche Energien freisetzen soll: man plant die Fusion mit Tasmania Berlin.
Ailton
Ailton steht nicht etwa an dieser Stelle, weil wir ihn auf eine schuljungenhafte Art und Weise vergöttern (was wir tun), sondern weil kleines, dickes Ailton uns Berufs-Nostalgiker an bessere Bremer Zeiten gemahnt, als sich die Werder-Raute elegant durch Bundesligamittelfelde kombinierte, Oli Kahn hilflos hinter Ivan Klasnic herkrabbelte und die Bremer mit einem Sieg in München Deutscher Meister wurden. Nochmal: Als die Bremer mit einem Sieg in München Deutscher Meister wurden. Ein Satz, der sich schon während des Schreibens derart bizarr anfühlt, dass wir Angst haben, damit ein schwarzes Loch in die Realität zu reißen. Wenige Jahre ist es erst her, dass Bremen der ärgste Konkurrent der Bayern war, mittlerweile ist man der Abstiegskandidat Nummer Eins. Und irgendwo in Brasilien rollen Ailton ein paar grün-weiße Tränen über den Babyspeck.
Xabi Alonso
Seit Xabi Alonso in der Bundesliga spielt, verzichten wir samstags auf die übliche ausgebeulte Joggingplinte und sitzen stattdessen lieber im schnieken Anzug vorm TV, weil wir das irgendwie angemessener finden. Gegen Bremen brillierte Alonso wieder derart im Mittelfeld, dass selbst seine Gegenspieler irgendwann anfingen, unbewusst zu applaudieren und „Bravo, Zugabe“ zu rufen, wenn der Spanier mal wieder einen seiner Fantasiepässe aus dem Ärmel schüttelte. Außerdem sorgte Alonso mit seinem Freistoß, den er gekonnt unter der Mauer hindurch ins Netz schob, für ein ganz besonderes Schmankerl, für das Ronaldinho sicherlich ein entzückter Wieherer entfahren wäre. Wir sind uns sicher: Alonso könnte auf einer Bananenschale ausrutschen und die Treppe runterfallen, er wäre dabei immer noch eleganter als 99 Prozent seiner Kollegen.
Philipp Lahm
Als Torschützen hatten wir Philipp Lahm bisher noch nicht so recht auf der Liste. Eher als Außenverteidiger, Überraschungs-Weltklassesechser, Nationalmannschaftskapitän, Buchautor, ca. 234-facher Deutscher Meister und einziger Weltmeister, der dem WM-Pokal auf Augenhöhe begegnet. Gegen Bremen nun zeigte Lahm, dass man ihn auch als Knipser auf der Rechnung haben muss, beim 6:0 traf das Weltmeister-Kapitänchen nämlich gleich doppelt. Andererseits: der Gegner hieß eben Bremen. Bei derart desolaten Werderanern hätte es nicht verwundert, wenn auch Kalle Rummenigge kurzentschlossen nochmal in die Stollenschuhe geschlüpft wäre, um sich seinerseits nochmal in die Torschützenliste einzutragen.
Daniel Caligiuri
Bei all den de Bruynes und Gustavos im Kader der Wolfsburger vergisst man manchmal, dass der VfL auch ehrliche, solide Fußballarbeiter im Team hat, über die man in der Wolfsburger Führungsriege bei einem guten Glas püriertem Gold vielleicht eher die Nase rümpft, die aber trotzdem wirklich gute Kicker sind. Spieler wie Daniel Caligiuri etwa, der im Spiel gegen Freiburg einen siegbringenden Doppelpack schnürte. Insbesondere sein erstes Tor hat es uns angetan, eine weite Flanke von de Bruyne schweißte Caligiuri derart humorlos unter die Latte, dass hier noch heute morgen der ein oder andere vor Staunen ausgerenkte Unterkiefer mit dem Brecheisen wieder eingerenkt werden musste.
Jairo Samperio
Allein der Name von Mainz’ Neuzugang Jairo Samperio klingt schon wie ein komplizierter Trick, bei dem sich minderbegabte Fußballer und/oder Sportjournalisten die Sprunggelenke aus dem Fußfleisch drehen würden. Und tatsächlich machte Samperio seinem Namen im Spiel gegen Augsburg alle Ehre, als er im gegnerischen Strafraum an den Ball kam, eine wunderschöne Pirouette drehte und die Kugel lässig ins Eck nagelte – alles in einer fließenden Bewegung. Ein Tor, so schön, dass irgendwo in Bergisch Gladbach Heidi Klum reflexhaft ein Foto in Richtung Fernseher hielt.
Granit Xhaka
Gladbachs Granit Xhaka hingegen trägt einen Namen, bei dem man automatisch beidbeinige Blutgrätschen, schmerzhafte Pressschläge und saftige Weitschusspeitschen assoziiert. Zumindest letzteres zeigte Xhaka im Spiel gegen Hannover, als er in der 49. Minute den Ball mit stolzen 103 Km/h derart satt ins Eck prügelte, dass man meinen konnte, er habe mit dem Tornetz noch eine Rechnung offen. Auch dank Xhakas Tor steht Gladbach nun auf Platz zwei der Tabelle. Ob vor seinem Treffer ein Mitspieler zu ihm kam und sagte: „Xhaka, du schaffst es!“, wissen wir nicht. Wir würden es uns aber wünschen.
Florian Klein
Verweilen wir noch ein klein wenig bei geilen Gewaltschusstoren und zünden andächtig eine nach Leder und frisch gemähtem Rasen riechende Duftkerze an, in Gedenken an Florian Kleins wundervolle 25-Meter-Peitsche im Spiel gegen Leverkusen. Einen zweiten Ball nach einem Freistoß drosch Klein zum 2:3 in die Maschen und war somit nicht unwesentlich an der atemberaubenden Aufholjagd der Stuttgarter gegen Leverkusen beteiligt, die letztlich in einem 3:3 mündete. Ein besseres Comeback als der VfB am Samstag haben in diesem Jahr bisher nur die Turtles hingelegt.
Marvin Ducksch
Ach komm, ein geiles Gewaltschusstor geht noch und aller guten Dinge sind schließlich drei. Also Vorhang auf für Marvin Ducksch, der im Spiel gegen Frankfurt ganze 135 Sekunden nach seiner Einwechslung mit einem absoluten Sensationstor für den Ausgleich sorgte. Etwa vom Strafraumeck aus hufte Ducksch den Ball aus vollem Lauf über Frankfurts Keeper Felix Wiedwald hinweg ins Netz. Noch bei den letzten beiden Spielen stand Ducksch wegen mangelnder Trainingsleistung nicht einmal im Kader und musste sogar zum Rapport bei Manager Born, seinen Frust darüber scheint Ducksch nun auf die richtige Weise kanalisiert zu haben. Wussten wir auch nicht, dass es Arten der Frustbewältigung gibt, die nicht an einer Theke stattfinden.
Karim Bellarabi
Was Karim Bellarabi derzeit anpackt, gelingt. Nach drei Toren in sieben Spielen und seinem Nationalelf-Debüt gegen Polen war Bellarabi nun auch gegen Stuttgart erfolgreich. In der 41. Minute setzte er sich im Strafraum gegen sechs Gegenspieler durch und schloss zum 3:0 ab. Dass sein Solo eher aussah, als wäre Bellarabi auf der Walldorfschule großgeworden und wollte nun das Wort „Wurschteln“ in den Stuttgarter Strafraum tanzen – geschenkt. Und das welt-hässlichste Solo-Tor zu schießen ist ja auch eine Leistung.
Ilkay Gündogan
Wir freuen uns, Dortmunds Ilkay Gündogan nach schier endloser Pause wieder in der Bundesliga begrüßen zu dürfen. Knapp anderthalb Jahre war Gündogan außer Gefecht gesetzt, eine entzündete Nervenwurzel im Lendenwirbelbereich und der damit verbundene Brechreiz beim Gedanken daran hatten Profifußball für den Dortmunder unmöglich gemacht. Kleiner Wermutstropfen war natürlich einerseits das Ergebnis gegen Köln, andererseits die Tatsache, dass Gündogan als Gegenleistung für die wiedererlangte Fitness bedauernswerterweise sein sympathischer Kreisklassen-Bauchansatz wieder verschwunden ist. Aber man kann ja auch nicht alles haben.