Torwartheld, Muskelberg, Hobbywrestler. Die Karriere des Tim Wiese ungewöhnlich zu nennen, wäre untertrieben. Heute wird er 40 Jahre alt. Ein Gespräch über den ewigen Kampf gegen die anderen und sich selbst.
14 Kilo in sechs Monaten. Wie haben Sie das geschafft?
Jeden Morgen joggte ich sieben Kilometer. Einmal entdeckte mich Thomas Schaaf dabei. Beim Training bekam ich einen Einlauf. Aber ich machte weiter. Als er mich das nächste Mal sah, hielt er bloß an und zeigte mir den Vogel. Danach ließ er mich in Ruhe. Außerdem stellte ich meine Ernährung um und ging jeden Tag in die Sauna. Vier Gänge. Im Stehen. Das treibt den Puls richtig nach oben. Dann begann das normale Training. Von vorher 100 Kilo ging ich runter auf 86, pendelte mich dann aber bei 90 ein. Ich war schneller, fitter und hatte noch bessere Reflexe. Ich fühlte mich unbesiegbar.
Die folgenden Jahre zählten zu den besten in Ihrer Laufbahn. Insbesondere mit den vier Spielen in 19 Tagen im Frühjahr 2009 gegen den HSV haben Sie sich beim SV Werder ein Denkmal gesetzt. Ihr persönliches Highlight?
Das Pokal-Halbfinale. Kurz vor dem Schlusspfiff rannte Hamburgs Jonathan Pitroipa auf mich zu. Aber ich stürzte aus dem Tor und erwischte den Ball ganz knapp vor ihm.
Im anschließenden Elfmeterschießen parierten Sie drei Strafstöße, Werder gewann und Sie legten einen Sprint über den kompletten Platz hin.
Dieser Moment war fantastisch. Zumal wir ins Pokalfinale einzogen und ich dort gegen Bayer Leverkusen den größten Titel meiner Karriere gewinnen konnte.
Werder schaffte es 2009 auch ins UEFA-Cup-Finale, verlor dort aber gegen Schachtar Donezk.
Im Endspiel fehlten uns Hugo Almeida und vor allem Diego. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit den beiden das Spiel gewonnen hätten.
2010 wurde Werder ein letztes Mal Tabellendritter, in den folgenden Spielzeiten landete der SVW auf den Rängen 13 und neun. Das Ende einer Ära?
Es war ein schleichender Abstieg. Zwischen 2009 und 2011 verließen uns Diego, Mesut Özil, Hugo Almeida und Per Mertesacker; Torsten Frings ließ seine Karriere in Kanada ausklingen. Und Geld für den Neuanfang war nicht vorhanden.
2012 wollten auch Sie weg, um nach eigener Aussage weiter Champions League zu spielen. Zwischenzeitlich sorgten Gerüchte für Aufsehen, Sie würden zu Real Madrid wechseln.
Irgendwann vor dem Training klingelte mein Telefon. Auf dem Parkplatz vorm Weserstadion sprach ich mit José Mourinho. Er sagte mir: „Ich will dich haben, ich kenne deine Fähigkeiten.“
Warum sind Sie dann letztlich nicht nach Madrid gewechselt?
Bei Real stand noch immer Iker Casillas zwischen den Pfosten. Mourinho gab mir eine 50:50-Chance. Das war zu wenig. Außerdem starb mein Vater im November 2011 an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ich wollte meine Mutter nicht alleine lassen. Schließlich sagte ich Mourinho ab. Hoffenheims Trainer Markus Babbel wollte mich unbedingt haben. Er erzählte mir von den großen Champions-League-Plänen des Klubs. Ich habe ehrlich daran geglaubt, dass wir etwas Großes aufbauen würden. Also unterschrieb ich bis 2016.