Hansi Flick hat die Bayern zu alter Stärke geführt. Boss Rummenigge winkt da schon mit einem neuen Vertrag. Doch die Hymnen kommen zu früh.
Jeder kennt diesen einen Verwandten, der an Weihnachten Geschenke übergibt und dabei im gleichen Moment herausposaunt, was sich darin befindet. Hier, ein Pulli, ich hoffe, den hast du noch nicht. Hier, eine CD, damit kann man Musik hören. Auch Karl-Heinz Rummenigge hatte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eine diebische Freude daran, das Geheimnis seines Geschenks sofort zu lüften. Bayerns Vorstandsvorsitzender überreichte dem Trainer Hansi Flick ein Präsent und ließ das ganze Bankett wissen, dass sich darin ein Stift befinde. „Und mit Stiften unterschreibt man beim FC Bayern manchmal auch Papiere.“ Für den Letzten, der das in dieser Nacht von London nicht verstanden hatte, lautete der gar nicht mal so versteckte Subtext: Hansi Flick kann damit seinen neuen Vertrag unterzeichnen.
Erstaunlich war dabei, dass Rummenigge das Geschenk einen Tag nach Flicks Geburtstag (am Montag) überreichte und sich dafür die große Bühne des Banketts mit diversen Fernsehkameras aussuchte. Das Prozedere wies also schon Züge von mittelalterlichen Krönungszeremonien auf, die dem Geehrten direkt neben Rummenigge sichtlich unangenehm wurden. Schon vor dem 3:0 der Bayern bei Chelsea hatte Rummenigge den Trainer im „kicker“ mit Granden wie Louis van Gaal, Pep Guardiola oder Jupp Heynckes verglichen. So distanziert und abwartend der Rekordmeister die Amtsübernahme von Flick im Herbst begleitete, so schwärmerisch orchestriert er dessen Wirken gerade Ende Februar.
Dabei hat Rummenigge auf den ersten Blick allen Grund zu seinen Elogen. Hansi Flick hat es geschafft, durch Rotation und Umsichtigkeit alle Spieler bei Laune zu halten. Das ist ein Punkt, an dem sich sein Vorgänger Niko Kovac häufiger mal verhoben und damit immer wieder mediale Störfeuer von unzufriedenen Spielern verursacht hatte. In puncto sanfter Kadermoderation liegt ein Vergleich zwischen Flick und Heynckes wirklich nicht fern. Ebenso wie der große „Don Jupp“ gibt Flick seinen Spielern klare Handlungsanweisungen mit auf den Weg und strahlt Souveränität aus.
Flick hat von Beginn an auf Joshua Kimmich als Sechser gesetzt und sich damit einer nervigen Positionsdebatte entledigt. Auch wenn Kimmich am Dienstag in London durch einige Wackler auffiel, bringt sein Zusammenwirken mit dem seit Jahresbeginn auftrumpfenden Thiago die nötige Ruhe ins Zentrum. In der Vorrunde war das Gespann der beiden noch gewogen und für zu leicht befunden worden. Doch die Flick-Bayern gehen aktiver und im Verbund ins Gegenpressing; sie zwingen Kimmich und Thiago seltener in Eins-gegen-Eins-Situationen in der Rückwärtsbewegung. Das Zentrum und die Defensive stehen stabil, Bayern kassierte unter Flick in 18 Spielen nur 14 Gegentore.