Der englische Fußballverband und die Klubs legen einen Plan vor, der Spielertransfers für die Zeit nach dem Brexit regeln soll. Die Neuerungen dürften die Kaderplanungen erschweren. Davon profitieren könnten aber britische Talente.
Kein Verein gab im Sommer mehr Geld auf dem Transfermarkt aus als der FC Chelsea. Der Club von der Stamford Bridge griff tief in die Tasche, holte unter anderem die deutschen Nationalspieler Kai Havertz (80 Millionen Euro) und Timo Werner (53 Millionen Euro). Doch ob Premier League-Vereine ihre Jagd nach Topstars und Megatalenten in dieser Form fortsetzen können, ist aktuell ungewisser denn je. Der Grund: Neue Beschränkungen für Spielertransfers, die im Zuge des Brexits am 31. Dezember 2020 in Kraft treten sollen.
Wie aus einer Veröffentlichung der Fußballvereinigung FA, der Premier League und der English Football League (EFL) hervorgeht, wird es für Transfers von Spielern aus der EU in die englischen Top-Ligen nach dem 31. Dezember 2020 merkliche Beschränkungen geben. Der Vorschlag wurde letzten Monat durch das britische Innenministerium bestätigt und bietet für die Klubs der Premier League und der EFL einen gesetzlichen Rahmen, um auch über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am 31. Dezember 2020 hinaus Spieler aus den – dann – Drittstaaten verpflichten zu können.
Für die Klubs der englischen Ligen wird es nach dem Brexit in jedem Fall nicht mehr so einfach sein, Spieler aus der Europäischen Union zu verpflichten. Die maßgeblichste Änderung: Auch Fußballer aus EU-Ländern, die beispielsweise in der Premier League spielen wollen, müssen zunächst eine spezielle Genehmigung beantragen. Vor dem Brexit mussten das lediglich Spieler aus Nicht-EU-Ländern ohne Arbeitsberechtigung im Vereinigten Königreich tun.
Die Genehmigung funktioniert nach einem Punktesystem, das sowohl arrivierte Profis wie auch Jungtalente in drei Kategorien beurteilt: So wird die Erfahrung in nationalen A- sowie Juniorenauswahlen, die Stellung des abgebenden Vereins, basierend auf der Liga, des Tabellenplatzes und der Teilnahme an internationalen Wettbewerben sowie die Anzahl der gespielten Partien, sowohl in Liga als auch in internationalen Wettbewerben in der Bewertung berücksichtigt.
Sollten die Spieler alle Kriterien mit einer ausreichenden Zahl von 15 Punkten erfüllen, erhalten sie automatisch die Genehmigung. Ebenfalls erhält die Genehmigung wer über einen Zeitraum von zwei Jahren (bei Jugendnationalspielern nur ein Jahr) mindestens 70 Prozent der Länderspiele für ein Land unter den Top 50 der FIFA-Weltrangliste absolviert hat. Der Prozentanteil sinkt, je höher das Land in der Weltrangliste platziert ist: So reicht es, 60 Prozent der Länderspiele für ein Land in den Top 30, 40 Prozent für ein Land in den Top 20 oder gar 30 Prozent für ein Land in den Top 10 gemacht zu haben. Fußballer, die unter dem festgelegten Grenzwert eingestuft wurden, können, sofern sie zwischen 10 und 14 Punkten erreicht haben, im Rahmen einer Bewertung durch eine Ausnahme-Kommission noch eine Genehmigung erhalten.
Noch komplizierter wird es bei den Talenten aus dem Ausland: In diesem Winter dürfen Premier League-Vereine nur noch drei ausländische U21-Spieler neu unter Vertrag nehmen. Über eine ganze Saison verteilt dürfen nicht mehr als sechs neue Junioren-Talente aus dem Ausland unter Vertrag genommen werden. In der zweiten bis vierten englischen Liga dürfen wiederum mehr als drei ausländische Spieler zwischen 18 und 21 pro Transferfenster neu verpflichtet werden. Noch gravierender wird die Änderung bei Talenten unter 18: Laut FIFA-Regularien wird der Brexit nun auch bedeuten, dass die englischen Klubs keine minderjährigen Spieler aus dem Ausland verpflichten können.
Derartige Regeln beschneiden insbesondere die Transferpolitik von Klubs, die sich perspektivisch junge Spieler sichern, wie beispielsweise der Liverpool FC. Der Verein um Trainer Jürgen Klopp sicherte sich im Sommertransferfenster 2019 den damals 17 Jahre alten Niederländer Sepp van den Berg vom PEC Zwolle. Würden die neuen Regeln gelten, wäre ein vergleichbarer Transfer nicht mehr umsetzbar. Dass der LFC in den letzten Monaten sowieso häufiger auf junge Eigengewächse wie den Waliser Neco Williams oder den Briten Curtis Jones setzt, dürfte den Machern hinter den neuen Regeln gefallen. Es ist ein Hauptaugenmerk von ihnen, heimischen Talenten größere Einsatzchancen zu bieten.
Wie die Verbände in ihrem Papier beschreiben, würde das neuartige System die „gemeinsamen Ziele“ der Premier League, EFL und FA verfolgen, da es den Zugang zu den „besten Spielern und zukünftigen Talenten“ für die Klubs erlaube. FA-Boss Mark Bullingham sagte, dass das Abkommen beispielhaft dafür sei, „wie Fußballverbände gemeinsam für das übergeordnete Wohl des Spiels“ zusammenarbeiten können. Premier-League-Boss Richard Masters ergänzt, dass dieses Abkommen dazu beitrage, dass „kein Teil des Brexits dem Erfolg der Premier League schaden solle“.
Ob die Regularien tatsächlich auf diese Weise umgesetzt werden, ist noch unklar. FA-Chef Bullingham spricht in der Pressemitteilung davon, dass „Verbesserungen diskutiert“ würden. Das Abkommen solle in dieser Form im Januar 2021 in Kraft treten und würde zum Sommertransferfenster noch einmal komplett überarbeitet. Kommt es zum sogenannten „harten“ Brexit, werden die von den Verbänden geplanten Regeln auch realisiert werden können. Einigen sich Brüssel und London aber noch auf ein Abkommen, würden diese Regelungen noch einmal adaptiert werden müssen. Denn dann werden wohl auch neue Richtlinien in Bezug auf die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit zwischen der Europäischen Union und Großbritannien eingeführt. Das betrifft dann nicht nur Fußballspieler, sondern sämtliche Arbeitnehmer aus der EU.