Vor dem großen Rheinderby sorgen die Fans für Aufregung. Gladbachs Anhänger boykottieren das Spiel, auch in Köln gibt es Diskussionen. Ein Lagebericht.
Über 300 Gladbach-Fanklubs haben den Boykott-Aufruf mittlerweile unterzeichnet – darunter Ultragruppen, aber auch ältere Semester, Kuttenträger, Familienfanklubs oder der Supporters Club. Selbst der Verein hat mittlerweile verstanden, wie ernst es den Fans ist. Geschäftsführer Stephan Schippers, der zunächst noch „absolut kein Verständnis für einen Boykott“ äußerte, sagt nun: „Wir akzeptieren dieses Votum unserer aktiven Fanszene und unterstützen sie dabei. Auch wenn wir uns natürlich den vollen Support in Köln wünschen würden.“
Genugtuung bei der Boykott-Gruppe
Der Verein hat bereits 1800 Karten in die Domstadt zurückgeschickt. Viele andere Tickets sind zwar verkauft, werden von den Fans aber nicht in Anspruch genommen. Es ist schwer abzuschätzen, wie viele Gladbach-Fans letztlich ins Stadion kommen. Aus Vereinskreisen heißt es, man rechne mit 1000 bis 1200 Borussia-Fans in Köln. Eine Zahl, die bei der Boykott-Gruppe durchaus Genugtuung auslöst. „Natürlich freuen wir uns, wenn am Samstag keine Derby-Atmosphäre aufkommt. Vielleicht wachen die Verbände dann mal auf. Hundert Prozent Fußball-Atmosphäre gibt es nur mit dem vollen Gästefankontingent“, so Boykott-Sprecher Nellis.
Die daheimgebliebenen Fans wollen am Derby-Tag eine Alternativ-Veranstaltung in Mönchengladbach abhalten. Das „Heimspiel gegen Köln“, so der Titel, beginnt am Vormittag im Fanhaus in Stadionnähe – wie an normalen Heimspieltagen. Zwei Stunden später startet ein Demonstrationszug in Richtung Gladbacher Altstadt. Nach einer Abschlusskundgebung wollen sie das Spiel dort in mehreren Kneipen gemeinsam verfolgen. Die Veranstalter rechnen mit 2000 Fans. „Das ist ein klares Zeichen, dass wir aktiven Fans nicht alles mit uns machen lassen“, so Nellis.
Ein Zeichen, das sogar im rivalisierenden Fan-Lager Unterstützung erfährt. Der Südkurve e.V., ein Zusammenschluss von mehreren Kölner Fanklubs aus der aktiven Fanszene, erklärte vergangene Woche überraschend, am Samstag keine Stimmung organisieren zu wollen, keine Choreo zu zeigen und auch auf den optischen Support zu verzichten. Unter dem Titel „Fußball ohne Fans ist wie Köln ohne Dom“ veröffentlichte der Zusammenschluss eine Stellungnahme. Darin heißt es: „Es geht hier nicht um die Gladbacher, um Rivalitäten oder Geschehnisse aus der Vergangenheit, sondern darum Position zu beziehen: Für den Erhalt der Fankultur und gegen die Maßnahmen des DFB!“
Auch wenn sich der Südkurve e.V. nicht explizit mit den Gladbachern solidarisieren will, ist es doch bemerkenswerte Sache, dass eigentlich grundlegend rivalisierende Fans so eindeutig für das gleiche fanpolitische Thema einstehen. Das gemeinsame Feindbild ist klar. „Wir können nicht akzeptieren, dass Punkte wie die „Begrenzung des Kartenkontingents“ und eine „Kartenpersonalisierung“, des noch vor einigen Jahren intensiv diskutierten „Sicherheitspapiers“ der DFL, zur gängigen Praxis werden. Dies kann und darf niemals die Lösung von etwaigen Problemen sein“, konkretisiert der Südkurve e.V am Donnerstag noch einmal.
Stellen die Fans die eigenen Interessen über die des Vereins?
Allerdings gibt es in Köln nicht nur Zustimmung für den Boykott. Die Protestler erhalten auch Gegenwind, beispielsweise aus dem Verein. So äußert Kölns Manager Jörg Schmadtke mehrfach offen seinen Unmut, wetterte unter anderem: „Die Fans lassen die Mannschaft im Stich!“ Im Verein herrscht Unmut über einen angeblichen Alleingang der Fans. Schmadtke: „Sie sprechen immer von Dialog. Das ist aber keine Einbahnstraße. Man hätte ja mal proaktiv über diese Aktion informieren können. Stattdessen stellen sie den Verein vor vollendete Tatsachen. Das sollte uns eine Lehre sein.“
Hinter vorgehaltener Hand werfen Verantwortliche den Fans Egoismus vor. Man stelle die eigenen Interessen über die des Vereins. Der Südkurve e.V. widerspricht vehement: „Der Verein wurde zwei Tage vor der Veröffentlichung unseres Statements über unsere Maßnahmen in Kenntnis gesetzt.“