Die Nations League wird mittlerweile zum dritten Mal ausgetragen. Doch nach wie vor hält sich die Begeisterung für diesen Wettbewerb in Grenzen. Warum eigentlich?
Marbella, Herzogenaurach, Bologna, München, Budapest, Mönchengladbach und das alles in 18 Tagen. Oder anders, Trainingslager, Training, Spiel, Spiel, Spiel, Spiel, so lautet das aktuelle Programm der deutschen Nationalmannschaft in der Nations League. Der Wettbewerb soll Spielen eine Relevanz geben, die vorher keine hatten und vielleicht auch keine bräuchten.
Also heißt es für die Nationalspieler: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Nach Meisterschaftskampf, Pokalfinale und Champions-League-Finale – ist vor der Nations League.
Kevin De Bruyne übt Kritik am engen Terminkalender, den die Nations League noch enger schnürt. Für Manchester City stand De Bruyne in dieser Saison in 45 Pflichtspielen auf dem Platz, in der Nations League kommen jetzt in elf Tagen vier dazu. Während einer Pressekonferenz sagt er: „Es sind glorifizierte Freundschaftsspiele nach einer harten Saison.“
Die Kritik an dem Wettbewerb ist nicht neu. Liverpools Trainer Jürgen Klopp äußerte sich bereits im letzten Jahr negativ über die Spielansetzungen: „Ich denke immer noch, dass das eine der lächerlichsten Ideen in der Welt des Fußballs ist.“ Vor allem die Gesundheit der Spieler sei in Gefahr, Spieler wie Mo Salah oder Sadio Mané haben in dieser Saison jeweils knapp 70 Pflichtspiele absolviert. Das sind fast 5000 Minuten, mehr als drei Tage am Stück. Jetzt bekommen sie noch nicht einmal die Gelegenheit, sich bis zum Saisonstart komplett zu erholen. Der ja aufgrund der WM im Winter obendrein vorgezogen wird.
Sowohl die physische als auch die psychische Belastung der Sportler wächst. In einer von der Spielergewerkschaft FIFPRO durchgeführten Studie haben 55% der befragten Spieler angegeben, Verletzungen durch zu hohe Belastung erlitten zu haben. Aber nicht nur die körperliche Belastung sei ein Faktor, bei 40% leide auch die mentale Gesundheit unter dem engen Spielplan.
Anders sieht das unter anderem Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff, der sich vor den anstehenden Spielen in einem Interview positiv über den Wettbewerb äußerte und sagte: „Die Nations League hat an Bedeutung gewonnen.“ Und tatsächlich: Auf dem Papier sehen Gegner wie Italien und England sicher auch attraktiver aus als Freundschaftsspiele gegen Lettland oder Israel. Auch für Bundestrainer Hansi Flick könnten diese Spiele wegweisend für den restlichen Weg bis zu Weltmeisterschaft im Winter werden.
Leon Goretzka sagte, angesprochen auf die kommenden Gegner: „Gegen diese Gegner hat man selten ein Freundschaftsspiel. Das sind echte Prestigeduelle.“ Aber vor allem den Fans sollten Fußballfesttage geboten werden. Doch nach dem ersten Spiel gegen Italien schlich sich Ernüchterung ein, vielleicht klingt Deutschland gegen Italien einfach größer als es aktuell ist, vielleicht hatten die Spieler einfach einen schlechten Tag, vielleicht waren sie aber auch einfach müde, unkonzentriert und lustlos nach einer anstrengenden Saison im Klubfußball. Auch Hansi Flick bemerkte die fehlende Belastbarkeit der Spieler: „Wir hatten zu wenig Tempo und insgesamt viel zu viele Fehler in unserem Spiel.“ Andere Nationen wie Frankreich mussten bereits am zweiten Spieltag ihre Stars schonen und traten mit einer besseren B‑Elf an.
Auf dem Papier bietet die Nations League sicherlich zahlreiche Topspiele. Aber kann man auch in der Realität von einem Topspiel sprechen, wenn eine Mannschaft sich von selbst danach aufstellt, welcher Spieler noch belastbar ist? Sind diese Spiele dann sehenswerter als einzelne Freundschaftsspiele? Liefert die Nations League tatsächlich Prestigeduelle?
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