So kann man’s auch machen. Werder-Geschäftsführer Klaus Filbry klärt mit bemerkenswerter Transparenz über die Probleme der Bremer in der Corona-Krise auf. Andere Klubs sollten sich ein Beispiel daran nehmen.
Die Sorgen waren Klaus Filbry anzusehen. Auf dem Bildschirm zugeschaltet wirkte der Geschäftsführer des SV Werder in der „Doppelpass“-Runde vom Sonntag neben Reinhold Beckmann, dem die „Sport1“-Maske das schüttere Resthaar mit größter Sorgfalt toupiert hatte, dem mopsigen Conférencier Thomas Helmer und dem seltsam alterslosen Marathonmann Willy Lemke wie der Ritter von der traurigen Gestalt. Und tatsächlich war das, was der Bremer Funktionär verkündete, zugegebenermaßen alles andere als vergnügungssteuerpflichtig: Filbry lieferte eine schonungslose Aufarbeitung des Zustands, in den der norddeutsche Klub in den Monaten der Corona-Krise geschliddert ist. Bis zu 45 Millionen Euro, so der Vorsitzende der SVW-Geschäftsführung, könnten den Bremern in ihren Etatplanungen am Saisonende fehlen, falls der Spielbetrieb in der Bundesliga nicht wieder aufgenommen würde. Noch bis zu 20 Millionen Euro groß wäre das Loch in der Klubkasse, wenn die Spielzeit mit Geisterspielen fortgesetzt würde. Im Zweifel würde der Klub Notkredite aufnehmen müssen.
Es war ein Auftritt, der die Vielschichtigkeit dieser Krise bis ins Detail offenlegte: Filbry appellierte an Tages- und Dauerkarteninhaber, falls sie es sich leisten können, auf eine Rückerstattung ihrer bereits geleisteten Zahlungen zu verzichten. Sonst würden auf den Klub allein bis zu acht Millionen Euro Kompensation für bereits verkaufte Tickets zukommen. Weitere acht Millionen Euro Verlust ergeben sich, wenn solvente Sponsoren ihr Engagement beim Klub von der Weser nicht fortsetzen. Die Profis verzichten bereits freiwillig auf einen Teil ihres Gehalts – dem Vernehmen nach auf Beträge zwischen zehn und zwanzig Prozent. Für den Fall eines Saisonabbruchs jedoch will die Werder-Führung mit den Spielern nachverhandeln. „Weil sich die wirtschaftliche Situation dann nochmal dramatisch verändern wird,“ so Filbry.
Es war ein ungeschönter Bericht zur Lage eines veritablen deutschen Profiklubs: Von 50+1 wolle der SV Werder nicht abrücken, obgleich sich der Klub eine Minderheitsbeteiligung eines Investors durchaus vorstellen könne, so Filbry. Gleichzeitig wies er aber daraufhin, dass in der Bundesliga einige Klubs über Ausnahmeregelungen in dieser Frage verfügten, was es den Bremern ohnehin erschweren würde, sportlich und wirtschaftlich den Anschluss zu behalten.
Doch der Auftritt des hochrangigen Werder-Funktionärs war in seiner Art weder fordernd, noch anklagend oder gar tränendrüsig, sondern norddeutsch-rational. Was in der aufheizten Debatte überaus wohltuend rüberkam. Filbry argumentierte frei nach dem Motto: Leute, wir haben ein großes Problem, so wollen wir es lösen, aber wir können nicht versprechen, dass alles reibungslos klappt.
Wie auch? Der Klub befindet sich auf regionaler Ebene im Konflikt mit der Politik, namentlich dem SPD-Innensenator Ulrich Mäurer, der unabhängig von der Entscheidung der Spitzenpolitik zur Fortsetzung der Bundesligasaison ab 16. Mai bereits die Austragung des Heimspiels gegen Bayer Leverkusen im Weserstadion ausgeschlossen hatte. Begründung: Bremen befürchte, dass sich Fans um das Stadion herum zusammenrotten könnten.
Werder hatte sich daraufhin nach Alternativstandorten umgesehen. Sogar eine Austragung im Hamburger Volkspark und bei Hannover 96 wurde angedacht. Ein Horrorszenario für Fans, dem Filbry nun – auch mit Verweis auf den in der Mehrzahl vernunftgesteuerten Werder-Anhang – eine klare Absage erteilte.