Seit fünfzig Jahren dürfen Frauen beim DFB Fußball spielen, um Anerkennung kämpfen sie immer noch. Alexandra Popp, Sara Doorsoun und Almuth Schult über nicht tot zu kriegende Chauvisprüche, gleiche Bezahlung und die Verantwortung der Nationalspielerinnen.
Kämpfen Sie als Nationalspielerinnen auch stellvertretend für all die, die es schwerer haben?
Popp: Natürlich. Wenn wir als aktive Spielerinnen nicht versuchen, die Dinge zum Besseren zu wenden, wer soll es dann tun? Im Moment sind wir diejenigen, die gehört werden, und das müssen wir nutzen.
Vor der WM 2019 hat das Nationalteam einen selbstironischen Werbespot aufgenommen: „Wir brauchen keine Eier, wir haben Pferdeschwänze.“
Doorsoun: Wir wussten anfangs nicht, was am Ende dabei rauskommt. Ich hatte ja die Szene mit dem Pferdeschwanz und hab erst nicht kapiert, was das soll. Aber als ich den fertigen Spot gesehen habe, dachte ich: Geil!
Popp: Der Spot hat ja später einen Preis gewonnen. Blöd war nur, dass wir beim Turnier im Viertelfinale ausgeschieden sind. Dann haben natürlich wieder einige gesagt: „Große Klappe und nix dahinter!“
Schult: Der Pferdeschwanz-Spot spielt ja ein bisschen mit Klischees, und ich glaube, dass sich viele darin wiedererkannt und über sich selbst gelacht haben. Das Viertelfinal-Aus bei der WM 2019 hatte damit nichts zu tun, das hatte ausschließlich sportliche Gründe. Im Jahr davor sind die Männer bei der Weltmeisterschaft in der Vorrunde ausgeschieden – und auch da wird es im Vorfeld den einen oder anderen Werbespot gegeben haben, der den erneuten Titelgewinn in Aussicht gestellt hat. Vielleicht ist bei uns die Fallhöhe deshalb so groß, weil wir in der Vergangenheit so viel gewonnen haben.
Popp: Viele verstehen nicht, dass sich die Welt des Frauenfußballs verändert hat. Vor zehn, fünfzehn Jahren gab es noch ein riesiges Leistungsgefälle zu vielen Nationen, das es heute so nicht mehr gibt. Aber die Leute sehen nur, dass wir früher Titel in Serie gewonnen haben, und erwarten, dass es immer so weitergeht
Für den Sport kann es nur gut sein, wenn mehr Nationen in der Spitze dabei sind.
Popp: Natürlich, es gibt viel mehr reizvolle Spiele. Nehmen wir Spanien, die haben wir früher immer vom Platz gefegt. Inzwischen sind die mit ihrem Tiki-Taka eine echte Herausforderung.
Schult: Das hat noch eine andere Dimension. Solange es nur eine Handvoll gute Nationen gibt, wird sich die FIFA nicht groß um den Frauenfußball scheren. Inzwischen sieht das ein bisschen anders aus, kürzlich hat die FIFA sogar Regularien für den Mutterschutz festgelegt.
Sie sind alle Ende zwanzig und gehören damit zu den Erfahrenen. Wem fühlen Sie sich näher: den jungen Spielerinnen, die nachkommen, oder der Generation Prinz, mit der Sie zum Teil auch noch zusammengespielt haben?
Doorsoun: Wir sind unsere eigene Generation. Ich habe nicht mit Birgit Prinz gespielt, aber mit einigen Älteren in Bad Neuenahr. Da war man anfangs so klein mit Hut und hat sich freiwillig gemeldet, wenn es darum ging, das Tor zu tragen. Heute kommt schon mal ein Spruch von den Jüngeren: „Ich hab das aber heute Morgen bereits getragen.“ Das hätten wir uns früher nicht erlauben können.
Liegt das daran, dass für die Jüngeren Errungenschaften selbstverständlich sind, für die Sie noch kämpfen mussten?
Schult: Zum einen das. Zum anderen haben die jungen Spielerinnen heute eine andere Ausbildung genossen als wir, so dass sie früher auf einem hohen Niveau spielen. Die Hierarchie innerhalb einer Mannschaft regelt sich nicht zuletzt durch die sportliche Leistung. Und wer mit achtzehn schon Leistungsträgerin ist, lässt sich vielleicht von einer dreißigjährigen Ergänzungsspielerin nicht so gern etwas sagen. Wir sitzen da ein bisschen zwischen den Stühlen. Einerseits müssen die Jungen lernen, sich einzuordnen, andererseits fanden wir es früher selbst blöd, rumkommandiert zu werden. Ich kenne Geschichten, dass jüngere Spielerinnen die älteren siezen mussten. So etwas wollen wir ja auch nicht.
Wir dachten, solche Hierarchiekämpfe gäbe es nur beim Männerfußball.
Alle: Auf keinen Fall!
„Es würde dem Niveau guttun, wenn Bundesliga-Spielerinnen nicht noch nebenbei arbeiten müssten“
Sie betreiben einen Aufwand, der nahezu genauso groß ist wie der der besten männlichen Spieler …
Schult: Warum nahezu?
Weil die Spieler der Männer-Bundesliga 34 Saisonspiele absolvieren und die Frauen nur 22.
Doorsoun: Gerade so gerettet!
Sie verdienen trotz des Aufwandes einen Bruchteil von dem, was die Männer verdienen. Haben Sie sich damit abgefunden oder ist das ein Stachel, der schmerzt?
Schult: Ich bin erst mal froh, dass ich mittlerweile meinen Lebensunterhalt mit Fußballspielen bestreiten kann. Das ist schon mal ein Privileg gegenüber anderen Frauen-Sportarten. Eher schmerzt mich, dass nicht alle Spielerinnen in der Bundesliga professionell spielen können. Es würde dem Niveau guttun, wenn alle ihren Job auf dem Platz erledigen könnten und nicht zwanzig, dreißig Stunden pro Woche nebenbei arbeiten müssten.
Wie stehen Sie zu Megan Rapinoe und Forderungen der US-Fußballerinnen nach Equal Pay?
Schult: Die Situation der Amerikanerinnen lässt sich nicht mit der in Deutschland vergleichen. In den USA stehen die Frauen im Fußball über den Männern. Sie spielen mindestens so viel Sponsorengeld ein und haben mindestens so viele Zuschauer. Bei uns sind die Voraussetzungen ganz andere.
Trotzdem könnte der DFB aus gesellschaftspolitischen Gründen sagen, wir zahlen den Frauen bei großen Turnieren die gleichen Siegprämien wie den Männern.
Popp: Das kann der DFB gerne machen. (Alle lachen.)
Schult: Im Ernst, wir fordern immer Respekt ein, also verhalten wir uns auch so. Wir wissen, wo wir herkommen, und wir kennen die Zahlen.
„Es geht um Respekt und Anerkennung. Sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen dafür, dass man als Frau Fußball spielt“
Vermutlich hat keine von Ihnen für den Rest des Lebens ausgesorgt. Wie bereiten Sie sich auf die Zeit nach der Karriere vor?
Doorsoun: Wir haben alle was gelernt.
Popp: Zudem heißt es halt sparen.
Schult: Oder man versucht, eine Immobilie zu erwerben und diese dann langfristig abzubezahlen.
Glauben Sie, dass Sie in den erlernten Berufen arbeiten werden?
Schult: Ich werde bestimmt etwas mit meinem Sportstudium anfangen, weil ich dem Fußball verbunden bleiben will.
Doorsoun: Ich habe eine kaufmännische Ausbildung gemacht, sehe mich aber nicht als Bürokauffrau. Eher im Fußball-Management. Oder was mit Immobilien.
Popp: Ich kann mir durchaus vorstellen, wieder als Zootierpflegerin zu arbeiten. Die Tiere faszinieren mich einfach. Als ich zum VfL Wolfsburg gewechselt bin, hatte der Verein für mich einen Ausbildungsplatz im Büro geblockt. Die konnten es erst gar nicht fassen, als ich ihnen erzählt habe, was ich stattdessen wollte.
Mal angenommen, eine gute Fee käme und Sie hätten drei Wünsche frei für den Frauenfußball.
Doorsoun: Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Spielerinnen professionell spielen können und nicht zwischen den Anforderungen der Arbeit und des Sports zerrieben werden. Ich habe oft mitbekommen, dass Mitspielerinnen gern mehr gegeben und auch das Potential dazu gehabt hätten, es aber durch die Doppelbelastung nicht zeigen konnten.
Schult: Ich würde mir mehr Empathie und Reflexion bei denen wünschen, die über den Frauenfußball urteilen. Dass sie sehen, welchen Weg wir gegangen sind in einem Sport, der bis vor fünfzig Jahren für uns faktisch verboten war.
Popp: Es geht um Respekt und Anerkennung. Sich nicht mehr rechtfertigen zu müssen dafür, dass man als Frau Fußball spielt. Stattdessen die gleiche Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Thema wie bei den Männern. Das würde schon reichen.