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Seite 2: „Wir werden gehört, das müssen wir nutzen"

Kämpfen Sie als Natio­nal­spie­le­rinnen auch stell­ver­tre­tend für all die, die es schwerer haben?
Popp: Natür­lich. Wenn wir als aktive Spie­le­rinnen nicht ver­su­chen, die Dinge zum Bes­seren zu wenden, wer soll es dann tun? Im Moment sind wir die­je­nigen, die gehört werden, und das müssen wir nutzen.

Vor der WM 2019 hat das Natio­nal­team einen selbst­iro­ni­schen Wer­be­spot auf­ge­nommen: Wir brau­chen keine Eier, wir haben Pfer­de­schwänze.“
Door­soun: Wir wussten anfangs nicht, was am Ende dabei raus­kommt. Ich hatte ja die Szene mit dem Pfer­de­schwanz und hab erst nicht kapiert, was das soll. Aber als ich den fer­tigen Spot gesehen habe, dachte ich: Geil!
Popp: Der Spot hat ja später einen Preis gewonnen. Blöd war nur, dass wir beim Tur­nier im Vier­tel­fi­nale aus­ge­schieden sind. Dann haben natür­lich wieder einige gesagt: Große Klappe und nix dahinter!“
Schult: Der Pfer­de­schwanz-Spot spielt ja ein biss­chen mit Kli­schees, und ich glaube, dass sich viele darin wie­der­erkannt und über sich selbst gelacht haben. Das Vier­tel­final-Aus bei der WM 2019 hatte damit nichts zu tun, das hatte aus­schließ­lich sport­liche Gründe. Im Jahr davor sind die Männer bei der Welt­meis­ter­schaft in der Vor­runde aus­ge­schieden – und auch da wird es im Vor­feld den einen oder anderen Wer­be­spot gegeben haben, der den erneuten Titel­ge­winn in Aus­sicht gestellt hat. Viel­leicht ist bei uns die Fall­höhe des­halb so groß, weil wir in der Ver­gan­gen­heit so viel gewonnen haben.
Popp: Viele ver­stehen nicht, dass sich die Welt des Frau­en­fuß­balls ver­än­dert hat. Vor zehn, fünf­zehn Jahren gab es noch ein rie­siges Leis­tungs­ge­fälle zu vielen Nationen, das es heute so nicht mehr gibt. Aber die Leute sehen nur, dass wir früher Titel in Serie gewonnen haben, und erwarten, dass es immer so wei­ter­geht

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Wolfs­burg, wie es singt und lacht: Almuth Schult, Alex­andra Popp und Sara Door­soun spielen beim erfolg­reichsten deut­schen Frau­en­team.

China Hopson

Für den Sport kann es nur gut sein, wenn mehr Nationen in der Spitze dabei sind.
Popp: Natür­lich, es gibt viel mehr reiz­volle Spiele. Nehmen wir Spa­nien, die haben wir früher immer vom Platz gefegt. Inzwi­schen sind die mit ihrem Tiki-Taka eine echte Her­aus­for­de­rung.
Schult: Das hat noch eine andere Dimen­sion. Solange es nur eine Hand­voll gute Nationen gibt, wird sich die FIFA nicht groß um den Frau­en­fuß­ball scheren. Inzwi­schen sieht das ein biss­chen anders aus, kürz­lich hat die FIFA sogar Regu­la­rien für den Mut­ter­schutz fest­ge­legt.

Sie sind alle Ende zwanzig und gehören damit zu den Erfah­renen. Wem fühlen Sie sich näher: den jungen Spie­le­rinnen, die nach­kommen, oder der Gene­ra­tion Prinz, mit der Sie zum Teil auch noch zusam­men­ge­spielt haben?
Door­soun: Wir sind unsere eigene Gene­ra­tion. Ich habe nicht mit Birgit Prinz gespielt, aber mit einigen Älteren in Bad Neu­enahr. Da war man anfangs so klein mit Hut und hat sich frei­willig gemeldet, wenn es darum ging, das Tor zu tragen. Heute kommt schon mal ein Spruch von den Jün­geren: Ich hab das aber heute Morgen bereits getragen.“ Das hätten wir uns früher nicht erlauben können.

Liegt das daran, dass für die Jün­geren Errun­gen­schaften selbst­ver­ständ­lich sind, für die Sie noch kämpfen mussten?
Schult: Zum einen das. Zum anderen haben die jungen Spie­le­rinnen heute eine andere Aus­bil­dung genossen als wir, so dass sie früher auf einem hohen Niveau spielen. Die Hier­ar­chie inner­halb einer Mann­schaft regelt sich nicht zuletzt durch die sport­liche Leis­tung. Und wer mit acht­zehn schon Leis­tungs­trä­gerin ist, lässt sich viel­leicht von einer drei­ßig­jäh­rigen Ergän­zungs­spie­lerin nicht so gern etwas sagen. Wir sitzen da ein biss­chen zwi­schen den Stühlen. Einer­seits müssen die Jungen lernen, sich ein­zu­ordnen, ande­rer­seits fanden wir es früher selbst blöd, rum­kom­man­diert zu werden. Ich kenne Geschichten, dass jün­gere Spie­le­rinnen die älteren siezen mussten. So etwas wollen wir ja auch nicht.

Wir dachten, solche Hier­ar­chie­kämpfe gäbe es nur beim Män­ner­fuß­ball.
Alle: Auf keinen Fall!

Es würde dem Niveau guttun, wenn Bun­des­liga-Spie­le­rinnen nicht noch nebenbei arbeiten müssten“

Almuth Schult

Sie betreiben einen Auf­wand, der nahezu genauso groß ist wie der der besten männ­li­chen Spieler …
Schult: Warum nahezu?

Weil die Spieler der Männer-Bun­des­liga 34 Sai­son­spiele absol­vieren und die Frauen nur 22.
Door­soun: Gerade so gerettet!

Sie ver­dienen trotz des Auf­wandes einen Bruch­teil von dem, was die Männer ver­dienen. Haben Sie sich damit abge­funden oder ist das ein Sta­chel, der schmerzt?
Schult: Ich bin erst mal froh, dass ich mitt­ler­weile meinen Lebens­un­ter­halt mit Fuß­ball­spielen bestreiten kann. Das ist schon mal ein Pri­vileg gegen­über anderen Frauen-Sport­arten. Eher schmerzt mich, dass nicht alle Spie­le­rinnen in der Bun­des­liga pro­fes­sio­nell spielen können. Es würde dem Niveau guttun, wenn alle ihren Job auf dem Platz erle­digen könnten und nicht zwanzig, dreißig Stunden pro Woche nebenbei arbeiten müssten.

Wie stehen Sie zu Megan Rapinoe und For­de­rungen der US-Fuß­bal­le­rinnen nach Equal Pay?
Schult: Die Situa­tion der Ame­ri­ka­ne­rinnen lässt sich nicht mit der in Deutsch­land ver­glei­chen. In den USA stehen die Frauen im Fuß­ball über den Män­nern. Sie spielen min­des­tens so viel Spon­so­ren­geld ein und haben min­des­tens so viele Zuschauer. Bei uns sind die Vor­aus­set­zungen ganz andere.

Trotzdem könnte der DFB aus gesell­schafts­po­li­ti­schen Gründen sagen, wir zahlen den Frauen bei großen Tur­nieren die glei­chen Sieg­prä­mien wie den Män­nern.
Popp: Das kann der DFB gerne machen. (Alle lachen.)
Schult: Im Ernst, wir for­dern immer Respekt ein, also ver­halten wir uns auch so. Wir wissen, wo wir her­kommen, und wir kennen die Zahlen.

Es geht um Respekt und Aner­ken­nung. Sich nicht mehr recht­fer­tigen zu müssen dafür, dass man als Frau Fuß­ball spielt“

Alexandra Popp

Ver­mut­lich hat keine von Ihnen für den Rest des Lebens aus­ge­sorgt. Wie bereiten Sie sich auf die Zeit nach der Kar­riere vor?
Door­soun: Wir haben alle was gelernt.
Popp: Zudem heißt es halt sparen.
Schult: Oder man ver­sucht, eine Immo­bilie zu erwerben und diese dann lang­fristig abzu­be­zahlen.

Glauben Sie, dass Sie in den erlernten Berufen arbeiten werden?
Schult: Ich werde bestimmt etwas mit meinem Sport­stu­dium anfangen, weil ich dem Fuß­ball ver­bunden bleiben will.
Door­soun: Ich habe eine kauf­män­ni­sche Aus­bil­dung gemacht, sehe mich aber nicht als Büro­kauf­frau. Eher im Fuß­ball-Manage­ment. Oder was mit Immo­bi­lien.
Popp: Ich kann mir durchaus vor­stellen, wieder als Zoo­tier­pfle­gerin zu arbeiten. Die Tiere fas­zi­nieren mich ein­fach. Als ich zum VfL Wolfs­burg gewech­selt bin, hatte der Verein für mich einen Aus­bil­dungs­platz im Büro geblockt. Die konnten es erst gar nicht fassen, als ich ihnen erzählt habe, was ich statt­dessen wollte.

Mal ange­nommen, eine gute Fee käme und Sie hätten drei Wün­sche frei für den Frau­en­fuß­ball.
Door­soun: Ich würde mir wün­schen, dass mög­lichst viele Spie­le­rinnen pro­fes­sio­nell spielen können und nicht zwi­schen den Anfor­de­rungen der Arbeit und des Sports zer­rieben werden. Ich habe oft mit­be­kommen, dass Mit­spie­le­rinnen gern mehr gegeben und auch das Poten­tial dazu gehabt hätten, es aber durch die Dop­pel­be­las­tung nicht zeigen konnten.
Schult: Ich würde mir mehr Empa­thie und Refle­xion bei denen wün­schen, die über den Frau­en­fuß­ball urteilen. Dass sie sehen, wel­chen Weg wir gegangen sind in einem Sport, der bis vor fünfzig Jahren für uns fak­tisch ver­boten war.
Popp: Es geht um Respekt und Aner­ken­nung. Sich nicht mehr recht­fer­tigen zu müssen dafür, dass man als Frau Fuß­ball spielt. Statt­dessen die gleiche Selbst­ver­ständ­lich­keit im Umgang mit dem Thema wie bei den Män­nern. Das würde schon rei­chen.