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Herr Watzke, hätten Sie vor zwei Wochen gedacht, dass sich die Liga Mitte März in einer exis­ten­ti­ellen Krise befindet?
Ehr­lich gesagt, leider habe ich das auch nicht. In meinem Umfeld wies man mich schon recht früh auf die mög­liche Eska­la­tion hin, und des­wegen haben wir beim BVB auf viel­fäl­tigen Wegen Vor­keh­rungen getroffen. Sei es bei der Abschir­mung der Spieler oder der Mit­ar­beiter. Als weit­sichtig hat sich erwiesen, dass wir unsere Kre­dit­linie schon früh sehr erwei­tert haben, so dass wir – auch in der jet­zigen Situa­tion, in der meh­rere Erlöse auf der Kippe stehen – kein Liqui­di­täts­pro­blem haben werden. Aber eines ist auch klar, dies ist eine Situa­tion für alle Men­schen in Deutsch­land, Europa und in vielen Län­dern dieser Welt, die wir alle so noch nicht hatten, die uns vor enorme Her­aus­for­de­rung stellt und für deren Lösungen wir kei­nerlei Blau­pausen haben. Jetzt muss der Fuß­ball – allen wirt­schaft­li­chen Risiken und der sozio­kul­tu­rellen Bedeu­tung zum Trotz – in den Hin­ter­grund treten. Die Ein­däm­mung der Virus­aus­brei­tung in der Bevöl­ke­rung wird auf allen Ebenen selbst­ver­ständ­lich prio­ri­siert.

Nach der Voll­ver­samm­lung der DFL hat Geschäfts­führer Chris­tian Sei­fert Geis­ter­spiele als ein­zige Über­le­bens­chance“ für die Bun­des­liga bezeichnet? Stimmen Sie ihm zu?
Leider ja. Wir stehen natür­lich auch im direkten Aus­tausch mit dem Bun­des­mi­nister für Gesund­heit, Jens Spahn, den zustän­digen natio­nalen, regio­nalen und lokalen Behörden und auch den wich­tigsten Insti­tuten. Die sagen uns leider: In den nächsten Wochen werden eher noch mehr Maß­nahmen ein­ge­leitet, eine Rück­nahme der Ein­schrän­kungen ist vor­erst nicht wahr­schein­lich. Sie glauben gar nicht, wie gern wir hier gerade in Dort­mund vor mehr als 80.000 Leuten spielen wollen würden, aber das wird uns aus gutem Grund leider keine Behörde in nächster Zeit zuge­stehen. So schlimm es ist und so sehr es unserer stim­mungs­vollen Fuß­ball­kultur in Deutsch­land wider­strebt. Wir müssen diese Saison aber zu Ende bringen. Ich sage auch, dass das emo­tional sehr anders wird. Die Meis­ter­schaft hat dieses Jahr emo­tional sicher­lich am Ende einen anderen Wert als sämt­liche Titel vorher. Die Schale wird weder der Menge am Borsig­platz gezeigt noch auf dem Mari­en­platz oder sonstwo. Den­noch müssen wir die Saison beenden, ansonsten wird’s finan­ziell für zu viele Ver­eine so dra­ma­tisch, dass sich Dinge im Fuß­ball ver­än­dern werden, an die man jetzt nicht einmal denken mag. Und wenn uns die Behörden grünes Licht geben, dass diese Spiele im ganz kleinen Kreis erlaubt werden, dann werden wir die Mög­lich­keit nutzen, unsere Arbeit machen. Wie viele andere Unter­nehmen auf der Welt dies aktuell auch ein­ge­schränkt machen, um Arbeits­plätze zu schützen. Was den Fuß­ball angeht, reden wir über fast 60.000. Und viele Bran­chen, die noch dran­hängen. Aber natür­lich können wir auch erst dann wei­ter­ma­chen, wenn es sei­tens der Experten keine Bedenken dies­be­züg­lich gibt.

Ihr Auf­tritt in der ARD-Sport­schau wirkte so, als würde Sie die Unter­bre­chung der Saison eher nerven als beun­ru­higen. Ein fal­scher Ein­druck?
Ich werde nicht dafür bezahlt, beun­ru­higt zu sein. Und natür­lich nervt es mich, wenn ein Sai­son­high­light im euro­päi­schen Fuß­ball­ka­lender, die Mutter aller Derbys“, nicht gespielt werden kann. Ich habe ja den Luxus, auch Fan meines Arbeit­ge­bers zu sein. In so einem Moment darf man als Ver­ant­wort­li­cher nicht beun­ru­higt sein, son­dern muss mit klarem Kopf Ent­schei­dungen treffen. Übri­gens nicht bloß im Sinne von einigen Hoch­be­zahlten, son­dern im Sinne von 850 Mit­ar­bei­tern. Der BVB ist einer der größten Arbeit­geber in Dort­mund. Ich trage Ver­ant­wor­tung für diese Men­schen und ihre Fami­lien.

Sie haben die Gesund­heits­ge­fahr für eine Profi-Mann­schaft als nicht so gra­vie­rend“ ein­ge­stuft. Das wirkte ange­sichts immer neuer posi­tiver Corona-Tests in Pro­fi­klubs als arg ver­harm­lo­send.
Sie müssen da schon richtig hin­hören, ich habe kei­nes­falls gesagt, dass die Spe­zies der Pro­fi­fuß­baller immun gegen eine Erkran­kung mit dem Covid-19-Virus ist. Aber, und dabei bleibe ich: Pro­fi­sportler gehören nicht zu den Risi­ko­gruppen. Die Wahr­schein­lich­keit, dass ein Profi sta­tionär behan­delt werden muss oder Schlim­meres pas­siert, ist sehr gering, wenn auch nicht aus­ge­schlossen. Pro­fi­fuß­baller gehören qua Alter nicht zur Risi­ko­gruppe, zudem werden sie fast rund um die Uhr von meh­reren Ärzten gecheckt und begleitet. Wir haben eigene Köche, Gesund­heits- und Ernäh­rungs­be­rater. Ich bleibe dabei: Wenn es eine Gruppe gibt, die gut für eine Pan­demie gerüstet ist, dann sind’s junge, gesund­heit­lich dau­er­kon­trol­lierte Männer im Leis­tungs­sport. Und natür­lich müssen wir durch täg­li­ches Testen dafür sorgen, dass die Spieler nicht ihre Fami­lien, Gegen- und Mit­spieler anste­cken.

Viele Spieler sorgen sich um ihre Fami­lien und würden gerne zu ihnen reisen. Sie haben etwas lapidar ver­kündet, sie ver­stünden nicht, warum die Fami­lien nicht bei den Spie­lern seien. Ist das immer noch Ihre Hal­tung?
Da wurde ich, glaube ich, falsch ver­standen am Sonntag. Natür­lich haben wir Ver­ständnis für die Sorge um Fami­li­en­an­ge­hö­rige. Nehmen wir Achraf Hakimi doch als Bei­spiel, und schauen Sie, was in Spa­nien los ist. In Madrid ist das Gesund­heits­system doch schon in arger Bedrängnis, es wäre doch aus jeder Per­spek­tive dumm, ihn jetzt dahin­zu­schi­cken, Spa­nien hat den Not­stand aus­ge­rufen! In so einer Situa­tion haben pri­vi­li­gierte Fuß­baller doch sogar die Mög­lich­keit, ihre Familie nach Dort­mund zu holen, wo sie in ein gutes System inte­griert werden können. Und als ver­ant­wor­tungs­voller Arbeit­geber hören wir da nicht weg, wir helfen ihnen bei jedem Schritt.

Spre­chen wir mal über den BVB in der Krise. Wie lang kann ein Klub wie Borussia Dort­mund eine solche Situa­tion ohne Ein­nahmen aus Tages­ti­ckets und TV-Gel­dern aus­halten?
Wie oben schon erwähnt, haben wir vor­zeitig Vor­keh­rungen getroffen, damit wir aktuell weit weg von einer Situa­tion sind, die uns Liqui­di­täts- oder gar Exis­tenz-Sorgen bereiten müsste. Aber ich kenne auch keine andere Branche auf der Welt, die es pro­blemlos hin­nehmen könnte, wenn von den drei rele­van­testen Ein­nah­me­strömen, in unserem Fall also TV-Ver­mark­tung, Spon­so­ring und Spiel­tags­ein­nahmen – Ticke­ting, Cate­ring und Mer­chan­di­sing am Spieltag – je ein Drittel weg­fallen würde. So eine Situa­tion gab es ja noch nie in der Fuß­ball­ge­schichte, und daher waren die Ein­nahmen in der wirt­schaft­li­chen Pla­nung natür­lich zum Teil ein­ge­plant. Aber um kon­kret auf die Frage zu ant­worten: einige Monate würden wir aus­kommen, wenn in den nächsten Monaten nicht ein Cent dem BVB-Konto gut­ge­schrieben werden würde.

Echte Liebe“ ist der Slogan des BVB. Gilt der auch für die vielen Beschäf­tigten des BVB, die sonst im Fan­shop, den Würst­chen­buden und an den Ein­las­s­toren des Sta­dions arbeiten und die jetzt nichts mehr ver­dienen?
Ein­deutig ja. Wir haben, wie schon erwähnt, 850 Mit­ar­beiter beim BVB, und genau des­wegen muss es ja – dieser ein­zig­ar­tigen Situa­tion ange­passt – wei­ter­gehen. Es geht doch längst nicht nur darum, die – zuge­geben hohen – Gehälter der Lizenz­spieler zu bezahlen. Wir haben eine eigene Abtei­lung, die sich gegen Ras­sismus, Anti­se­mi­tismus und Dis­kri­mi­nie­rung ein­setzt, Bil­dungs­reisen u.a. nach Ausch­witz und Israel orga­ni­siert. Wir haben gerade eine Mil­lion Euro für einen Neubau in der Holo­caust-Gedenk­stätte Yad Vashem gespendet. Natür­lich sind auch diese Enga­ge­ments nur mög­lich, weil im Fuß­ball viel Geld steckt, und es war immer die Hal­tung von Borussia Dort­mund, dass wir dieses Geld eben nicht nur in den Kader ste­cken, son­dern unserer gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung auch mit barer Münze gerecht werden. Wir denken aktuell nicht im Ansatz an so etwas wie betriebs­be­dingte Kün­di­gungen“. Das spielt in unseren Pla­nungen keine Rolle. Um das mal ganz klar zu sagen: Die Familie Borussia Dort­mund wird das gemeinsam schul­tern und sich gegen­seitig helfen. Selbst dann, wenn unser BVB-Rei­se­büro aktuell keine Reisen ver­kaufen kann und unsere Event & Cate­ring GmbH weder Events aus­richtet noch Cate­ring orga­ni­siert.

Nimmt der Fuß­ball sich zu wichtig?
Dass der Fuß­ball ein Thema ist, das viele Men­schen in Deutsch­land sehr bewegt, ist Fakt. Für viele, viele Men­schen ist es mehr als nur ein Hobby, es ist Thema bei Fami­li­en­feiern, in der Schule, Uni, auf der Arbeit. Ein, wenn nicht sogar der Gesell­schafts-Kitt in Nicht-Krisen-Zeiten. Und ich glaube auch, dass wir irgend­wann wieder spielen müssen, damit wir auch noch andere Themen haben als dieses Virus, das gerade alles domi­niert. Natür­lich ist es anders in leeren Sta­dien, das wissen wir auch. Da fehlt mehr als das Salz in der Suppe, da fehlen viele Zutaten, es wird nicht das gleiche sein. Hinzu kommt: Ich bin nun einmal Geschäfts­führer eines Fuß­ball­ver­eins und werde dafür bezahlt, dafür zu sorgen, dass unsere Mit­ar­beiter einen gesi­cherten Arbeits­platz haben. Ich bin ja par­allel noch Gesell­schafter eines Unter­neh­mens für Arbeits­schutz­klei­dung und bekomme da auch mit, was mit den Unter­neh­mungen in Deutsch­land pas­siert, wie dra­ma­tisch sich die Lage ver­än­dert hat, welche Unsi­cher­heit da ist. Glauben sie mir, ich weiß sehr genau, wie pri­vi­le­giert die Fuß­ball­branche ist. Das ist für mich aber eher ein Grund mehr als einer weniger, den Ball wieder ans Rollen zu bringen.

Es gibt Klubs, die sind sehr viel schlechter dran als der BVB. Denen soll geholfen werden, even­tuell auch durch einen Soli­dar­fonds. Ist das das geeig­nete Mittel zur Kri­sen­be­wäl­ti­gung? Und wird der BVB auch seinen Bei­trag leisten?
Soli­dar­fonds klingt ja erstmal gut, aber man müsste sich ansehen, wie ein sol­cher Fonds dann auf­ge­baut wäre. Das darf natür­lich nicht dazu führen, dass Klubs, die in den ver­gan­genen Jahren sport­lich und öko­no­misch viele Fehler gemacht haben, am Ende davon pro­fi­tieren. Wenn es aber unver­schuldet durch diese nicht vor­her­seh­bare Aus­nah­me­si­tua­tion geschehen ist, dann wird Borussia Dort­mund sicher nicht unso­li­da­risch sein.

Sie haben in den letzten Tagen immer betont, die Klubs seien Kon­kur­renten. Sind sie in diesen Tagen nicht noch mehr als das, viel­leicht sogar Ver­bün­dete?
Das sind wir ja immer, aber den­noch Wett­be­werber.

Werden Sie die Spieler bitten, Ihren Teil zur Bewäl­ti­gung der Krise bei­zu­tragen, etwa durch einen Ver­zicht auf Gehalt?
Oberstes Ziel aller Betei­ligten muss sein, rechts­gül­tige Ver­träge ein­zu­halten. Ich bin aber auch sicher, dass viele Spieler wissen, wer die Leute sind, die dafür sorgen, dass sie den Job so aus­üben, wie sie ihn eben aus­üben. Die Kame­ra­männer, die für’s Klub-TV spät­nachts die Videos schneiden oder der Pförtner, der auf­passt, dass am Trai­nings­ge­lände nichts pas­siert. Da wird man zusam­men­rü­cken.

In den USA haben Spieler und Teams (NBA, MLB) rasch dafür gesorgt, dass die Gehälter der Ver­eins- und Arena-Mit­ar­beiter in abseh­barer Zeit gedeckt sind. Warum geschieht das in Deutsch­land nicht? Statt­dessen werden die 56.000 Arbeits­plätze“ von Chris­tian Sei­fert noch als Argu­ment ver­wendet, dass mög­lichst bald wieder gespielt werden muss.
Die Sys­teme in Deutsch­land und den USA sind nicht zu ver­glei­chen. Und: Bei den 56.000 Arbeits­plätzen geht es ja um viele, nicht nur“ Klub­an­ge­stellte. In Dort­mund leben Gas­tro­nomen, Hote­liers, Taxi­fahrer auch Ver­kehrs­be­triebe sehr gut vor allem durch die Ein­nahmen aus dem Fuß­ball. Genau des­wegen müssen wir darum kämpfen, dass der Schaden mög­lichst gering ist. Und ich bin der Über­zeu­gung, dass der Fuß­ball das aus seiner eigenen Kraft schafft und das ohne staat­liche Ali­men­tie­rung.

Wann, glauben Sie, wird wieder vor Publikum Fuß­ball gespielt?
Später als ich’s mir wün­sche. Und das trifft mich wirk­lich per­sön­lich! Wenn wir im Jahr 2020 noch Spiele mit Zuschauern sehen, dann wäre ich schon sehr glück­lich.