Fahrstuhlmannschaft, Graue Maus oder Karnevalsverein? Ganz egal, die europäischen Top-Ligen werden im nächsten Jahr bunter. Wir stellen die Aufsteiger in einer Serie vor. Heute: Italien und England.
SPAL Ferrara
Über keinen anderen Aufsteiger in Europa gäbe es wohl so viel zu schreiben, wie über den italienischen Klub SPAL Ferrara. Dorfverein. Dreifach bankrott. Und mit knausriger Sparsamkeit bis in die Serie A gespielt. Aber von vorne: 1907 wurde der Verein von Salesianern gegründet, katholische Mönche. Und ähnlich fromm und bescheiden begannen die goldenen Jahre des Vereins. Paolo Mazza, später italienischer Nationaltrainer, schuf in Personalunion einen Serie-A-Verein der 60er-Jahre. Fünfzig Jahre später durchlebte SPAL in sechs Jahren drei Insolvenzen, ehe die Familie Colombarini den Verein übernahm. Bescheidene Malocher. Solide Wirtschafter mit einzigartiger Hingabe, die übersehene Talente aus dem ganzen Land nach Ferrara locken. Ihr Torwart, der 20-jährige Alex Meret, ist als Zweitliga-Keeper für die italienische Nationalmannschaft nominiert worden, galt als wichtigster Rückhalt für eine Mannschaft, die vor der Saison als sicherer Abstiegskandidat gehandelt wurde. Er ging nach einer Leihe zurück zu Udinese Calcio.
Hellas Verona
Vor. Zurück. Und vor. Und wieder zurück. Die Beziehung zwischen Hellas Verona und Antonio Cassano wirkt wie die zweite Stunde Tanzunterricht im Gemeindehaus Böblingen. Unsicher, ob man jetzt dabei bleiben soll oder lieber wieder nach Hause geht. Cassano hat sich schlussendlich für die zweite Variante entschieden. Nachdem ihn der Aufsteiger erst am 10. Juli zu sich holte, ist der Stürmer nun wieder verschwunden. Seinen ersten Rücktritt vom Rücktritt hatte er noch mit einem „schwachen Moment“ und Heimweh erklärt, dann ging er endgültig und bietet sich nun in der Liga an wie Sauerbier. Ansonsten ist der Verein nach dem direkten Wiederaufstieg aber frohen Mutes. Den Abstieg vor einem Jahr in die Serie B konnten auch die Tore von Schraubendreher Luca Toni nicht verhindern. Nun dreht Toni als Sportdirektor eben an den Stellschrauben und wird nebenher als Fan gehalten. Bei einem Auswärtsspiel in Avellino im Februar erkannten ihn die Gästefans nicht, zertrümmerten das Auto in dem er und Präsident Maurizio Setti saßen und bewarfen die Insassen mit Bierflaschen. Der Vorfall blieb ohne Verletzte und Hellas Verona stieg am Saisonende als Tabellenzweiter auf. Tonis Vertreter auf dem Platz ist übrigens der 25-fache Nationalspieler Giampaolo Pazzini.
Benevento Calcio
Das Wappen von Benevento Calcio ziert eine Frau mit Spitzhut, reitend auf einem Besen. Was ganz gut passt, denn auch das Stadion gleicht einem Hexenkessel, wenn die Fans mit gelben und roten Nebeltöpfen im offenen Stadionrund für massig Stimmung sorgen. Und die Stimmung ist gerade ganz gut im Südwesten Italiens, denn der Klub war vor einem Jahr zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Serie B aufgestiegen. Wie zur Hölle haben die es geschafft, schon wieder aufzusteigen? Tatsächlich ist die jüngere Geschichte Beneventos mehr von Täler denn von Höhen gezeichnet. Erst vor elf Jahren meldete der Verein die Insolvenz an und kickte anschließend in der vierten Liga. Erst als Marco Baron, der in 1990 zusammen mit Diego Maradona in Neapel die Meisterschaft gewann, das Ruder übernahm, fuhr Benevento wieder in ruhiges Fahrwasser. Den jetzigen Aufstieg machten die Aufstiegs-Play-Offs möglich. In Italien wird der letzte Aufsteiger zwischen allen Klubs von Platz 3 bis 6 ausgespielt. Und ausgerechnet da gewann der Tabellenfünfte aus dem 60.000-Seelenstadt Benevento, dessen Fans Erfolgscoach Baron anschließend durch den Hexenkessel trugen.
Brighton & Hove Albion FC
Wer wissen will, was in Brighton and Hove schon alles verkehrt lief, der kauft im Goldstone Retail Park ein. Vielleicht ein neues Haustier in der Zoohandlung „Pets at Home“? Oder ein neues Sofa auf dem „DFS Hove“? Jeder Fußballfan dürfte das kalte Kotzen bekommen, wenn er die Eingangstüre dieser Kommerzvorhölle betritt. Keine 20 Jahre ist es her, als der Verein sein Stadion, den geschichtsträchtigen Goldstone Ground, verkaufte. Jener Ground, wo David Beckham sein Debüt als Profifußballer gab und 1948 die Olympischen Spiele zu Gast waren. Der Verein war zum Zeitpunkt des Verkaufs völlig am Ende, broke, bis ihn 2009 ausgerechnet ein professioneller Pokerspieler übernahm. Tony „The Lizard“ Bloom, ein Zocker und Geschäftsmann zugleich. Die richtige Mischung, um mit Brighton&Hove zum ersten Mal in der Geschichte in die Premier League einzuziehen. Mit Uwe Hünemeier und Pascal Groß stehen auch zwei Deutsche auf dem Platz. Im brandneuen Falmer Stadium. Hellblau illuminiert von außen und mit leckerem Ale im Innern. Also alles da, allein die Geschichte fehlt noch.
Newcastle United
Was gibt es über diesen englischen Traditionsverein noch zu schreiben, der 1905 erstmals und 1927 zuletzt die Englische Meisterschaft gewann. Und der trotzdem zum Inventar der Premier League gehörte, wie das Porzellangeschirr in Omas Vitrine. Klar, die Geister von Kevin Keegan, Bobby Robson und Paul Gascoigne, dessen Karriere hier begann, schweben immer noch durch den St. James’ Park. Die großen Zeiten eben, in die sich Verantwortliche und Fans so gerne retten, wenn unten auf dem Platz mal wieder nichts funktioniert. Ungewöhnlich ist da schon eher, dass Rafael Benitez trotz des Abstiegs im Sommer 2016 Trainer blieb. Eine Erfolgsstrategie, denn die Magpies stiegen wie schon nach dem Abstieg von 2009 sofort wieder auf.
Huddersfield Town
Werbung für die Spannung, und deshalb auch Werbung für die Play-Offs, war es dann schon, so haarscharf stieg Huddersfield Town in die Premier League auf. Erst mit dem letzten Elfmeter, getreten von Ex-1860er Christopher Schindler, war das Aufstiegsfinale gegen den FC Reading entschieden. Nicht nur Klubpräsident Dean Hoyle war den Tränen nahe: „Ich bin so gerührt. Ich bin seit 1969 Fan dieses Vereins. Jetzt ein Premier-League-Team zu sein, da werden Träume war.“ Nein, auch David Wagner, Coach der Aufstiegself, sagte: „Was passiert ist, ist eine unglaubliche Geschichte und ein Märchen.“ Mit Schindler, Michael Häfele, Elias Kachunga, Chris Löwe und Collin Quaner spielen gleich fünf Deutsche für den Aufsteiger. Reading, in der Saison als Vierter genau vier Punkte vor Huddersfield platziert, ging leer aus. Scheiterte haarscharf – und das als Mannschaft von Jaap Stam.