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Wenn ich heute bei Borussia Dort­mund zum Trai­ning komme, dann werde ich manchmal daran erin­nert, wie sehr sich die Zeiten ver­än­dert haben. Das Internat des BVB liegt auf unserem Ver­eins­ge­lände direkt am Fuß­ball­platz und bietet Nach­wuchs­spie­lern im Ver­gleich zu meiner Jugend unglaub­liche Mög­lich­keiten. Es ist immer jemand da, bes­tens aus­ge­bil­dete Trainer, Phy­sio­the­ra­peuten und Sport­psy­cho­logen stehen den ganzen Tag zur Ver­fü­gung.

Zwei Köche küm­mern sich um die Ernäh­rung und eigene Zeug­warte um Sport­sa­chen und Schuhe. Natür­lich werden die Spieler auch schu­lisch betreut, wer sich etwas schwerer tut, bekommt Nach­hil­fe­un­ter­richt. Wegen dieser umfas­senden För­de­rung sind die Jungs einen deut­li­chen Schritt weiter, wenn sie zu den Profis kommen, als das bei uns früher der Fall war. 

Opa hat mich tagein, tagaus kut­schiert

Ich selbst habe bis zu meinem 14. Lebens­jahr daheim im Dörf­chen Lahr­bach in der Rhön gespielt und bin dann nach Fulda in die nächst­grö­ßere Stadt gewech­selt. Die B‑Jugend von Borussia Fulda spielte damals in der Ober­liga, der höchsten Klasse in Hessen. Dort hatte ich vier Mal in der Woche Trai­ning, dazu kamen die Spiele am Wochen­ende. Außerdem bin ich in die Hes­sen­aus­wahl berufen worden. Die Belas­tung war hoch, denn ich musste jeden Morgen und jeden Abend eine halbe Stunde fahren. Wenn mein Opa nicht gewesen wäre, hätte ich das alles nicht geschafft. Er hat mich tagein, tagaus kut­schiert, da meine Eltern in ihrem Hotel sehr ein­ge­spannt waren. Sogar zum Stütz­punkt­trai­ning in der Sport­schule Grün­berg hat er mich gebracht, die Auto­fahrt dorthin dau­erte andert­halb Stunden.

Mit 16 Jahren bin ich zu Han­nover 96 gewechs­elt, nachdem der hes­si­sche Aus­wahl­trainer Rein­hold Fanz dort Chef­trainer wurde und mich unbe­dingt mit­nehmen wollte. Für mich war das ein enormer Schritt, weil ich ein fami­liärer Mensch und aus­ge­spro­chen hei­mat­ver­bunden bin. Aus all dem her­aus­ge­rissen zu werden, war nicht ein­fach. Das wird bei Spie­lern, die heute in die Nach­wuchs­leis­tungs­zen­tren kommen, nicht anders sein.

Aber im Unter­schied zu ihnen musste ich damals alles selbst orga­ni­sieren. Das fing schon mit der Woh­nungs­suche an, und meine erste Wahl stellte sich als nicht so glück­lich heraus, weil Woh­nung und Schule zu weit vom Trai­nings­ge­lände weg waren. Aber auch nach dem Umzug war ich allein dafür ver­ant­wort­lich, wenn der Licht­schalter in der Woh­nung nicht funk­tio­nierte oder etwas mit der Strom­rech­nung nicht passte.

Meine Mutter saß oft wei­nend zu Hause

Im Alltag hat mir nie­mand etwas abge­nommen, aber ich hatte es auch gar nicht anders erwartet. Mir war klar, dass ich schon mor­gens meinen Tag kom­plett durch­struk­tu­rieren musste. Ich habe mir Brote geschmiert, denn in der Schule gab es keine Kan­tine, geschweige denn einen Koch. Dann musste ich die Bahn zur Schule erwi­schen, recht­zeitig zum Trai­ning kommen und anschlie­ßend zügig nach Hause fahren, um abends noch meine Haus­auf­gaben machen zu können. Ich war also zugleich Schüler und habe pro­fes­sio­nell Fuß­ball gespielt, ohne die Eltern in der Nähe zu haben. Die Familie war zwei­ein­halb Stunden ent­fernt, und vor allem das erste halbe Jahr in Han­nover war für mich eine richtig harte Zeit.

Meine Eltern haben zwi­schen­durch sogar über­legt, mich wieder nach Hause zu holen, weil so viel auf mich ein­ge­pras­selt ist. Noch heute erzählt meine Mutter, dass sie oft wei­nend zu Hause saß, weil sie gemerkt hat, wie sehr ich leide. Mein Vater hat dann gesagt: Der Junge muss da durch. Aber ver­mut­lich ist ihm das auch nicht leicht­ge­fallen. Im Nach­hinein bin ich dankbar dafür, dass ich diese Mühle über­standen habe, denn die Erfah­rungen haben mich reifen lassen und ohne sie wäre ich per­sön­lich nicht da, wo ich heute bin. Des­halb sage ich auch immer, dass junge Spieler den Bezug zum nor­malen Leben nicht ver­lieren dürfen. Heute sind sie so wohl­be­hütet und es wird ihnen so viel abge­nommen, dass die Gefahr besteht, sich darauf aus­zu­ruhen und nicht selb­ständig zu werden.

Län­der­spiele wegen Abitur abge­sagt

Ich bin damals zwar in die A‑Jugend von Han­nover 96 gewech­selt, habe aber gleich bei den Profis in der Regio­nal­li­ga­mann­schaft so oft wie mög­lich mit­trai­niert. Mit­unter habe ich sams­tags bei den Profis auf der Bank gesessen und, wenn ich nicht zum Ein­satz kam, am Sonntag in der A‑Jugend gespielt. Als uns später der Auf­stieg in die zweite Liga gelang, habe ich zur glei­chen Zeit mein Abitur gemacht. Teil­weise habe ich den Unter­richt abends nach­ge­holt, oder Lehrer mit Fuß­ball­af­fi­nität haben mir Nach­hilfe gegeben. Die Schule stand bei mir näm­lich über allem, das haben mir meine Eltern ein­ge­bläut. Ich habe sogar die Teil­nahme an etli­chen U18-Län­der­spielen abge­sagt, weil ich das Abitur nicht gefährden wollte.

Auch wenn ich mein Abizeugnis nie mehr gebraucht habe, halte ich einen Schul­ab­schluss wei­terhin für wichtig. So gut in den Nach­wuchs­leis­tungs­zen­tren auch gear­beitet wird, schaffen es trotzdem nur sehr wenige Spieler in den Pro­fi­fuß­ball und können damit Geld ver­dienen. Daran sollten auch die Eltern denken, die ihre Kinder in jungen Jahren stark unter Druck setzen. Das ist fahr­lässig und für die Ent­wick­lung der Kinder nicht för­der­lich, zumal es letzt­lich immer auch mit etwas Glück zu tun hat, ob ein Spieler den Sprung zu den Profis schafft.