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Seite 2: „Wir haben Zeichen gesetzt, was möglich ist“

Und Sie nehmen in Liver­pool Aus­zeit vom Leben als Pop­star?
Cam­pino: Lassen Sie uns die Sache mit dem Pop­star nicht so hoch hängen, aber es macht mir großen Spaß, hier nur einer von vielen zu sein. Wenn ich nach Liver­pool reise, ziehe ich mein rotes Trikot an und bin Teil dieser Armee. Da fragt nie­mand, woher ich komme und was ich mache, und es hat auch noch nie jemand gesagt, dass ich nicht hierhin gehöre, weil ich doch nur zur Hälfte Eng­länder bin. Beson­ders liebe ich die Aus­wärts­fahrten, wie zuletzt nach Man­chester gegen United in der Europa League.
Klopp: Die Spiele gegen United gehörten auch für mich zu den High­lights. Die Stim­mung mag nicht an allen Tagen Welt­klasse sein, aber in den beiden Spielen hat es richtig geknallt.

Die deut­sche Wahr­neh­mung der Pre­mier League ist nicht zuletzt wegen der feh­lenden Stim­mung sehr kri­tisch.
Cam­pino:
Ich kenne tat­säch­lich einige Eng­länder, die nach Deutsch­land fahren, um auch für wenig Geld rich­tigen Fuß­ball zu erleben. Genau wie sie ver­stehe ich nicht, warum ange­sichts der rie­sigen Ein­nahmen aus den welt­weiten Fern­seh­deals die hohen Ticket­preise über­haupt nötig sind. Bei den Klubs sollte das Bewusst­sein dafür wachsen, dass junge, eupho­ri­sche Zuschauer, die man für die Atmo­sphäre und die Gesänge braucht, noch an erschwing­liche Karten kommen.
Klopp: Ich fand es immer eine komi­sche Vor­stel­lung, eine über­ra­gende Atmo­sphäre haben zu wollen, wäh­rend man irgend­wel­chen Mist kickt. Stim­mung ist immer auch an Erfolg gekop­pelt, und in Liver­pool gab es schon länger keine grö­ßeren Erfolge mehr. Wir sind gerade dabei, das zu drehen. Es geht was, wie man gegen Man­chester United gesehen hat. Da lag es natür­lich am Gegner und an der Riva­lität. Wir müssen aber dahin kommen, dass es pas­siert, weil wir auf dem Platz stehen und egal ist, gegen wen wir spielen. Wir hatten solche Momente, ich bin immer noch ganz glück­lich mit der Schluss­phase aus dem Nichts heraus gegen West Brom. Das ist das größte Miss­ver­ständnis meiner bis­he­rigen Eng­land­ge­schichte, dass ich mich da beim Publikum bedankt habe.

Die Presse fand es unan­ge­bracht, dass Sie ein Aus­gleichstor gegen eine Mann­schaft aus dem Mit­tel­feld der Tabelle vor dem Kop fei­erten.
Klopp:
Aber es war nie­mand nach Hause gegangen wie drei Wochen zuvor, es hat nie­mand gemurrt, alle wollten das ver­dammte Aus­gleichstor. Dann schießen wir es, und das Sta­dion ist explo­diert. Das war über­ra­gend. Es gab auch noch den 5:4‑Sieg in Nor­wich, den späten Erfolg über Crystal Palace, den Aus­gleich kurz vor Schluss gegen Arsenal. Wir haben Man­chester City weg­ge­don­nert und Man­chester United aus der Europa League geworfen. In der Summe sind Punkt­zahl und Tabel­len­platz nicht das, wo wir hin­wollen. Aber wir haben Zei­chen gesetzt, was mög­lich ist.

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Ich bin lieber Sta­di­onro­cker als Knei­pen­ro­cker“

Paul Ripke

Wie beur­teilen Sie die Pre­mier League sport­lich? Sie wird bei uns inzwi­schen ziem­lich kri­tisch gesehen?
Klopp: Es ist typisch für Deutsch­land, dass man die Dinge halb beob­achtet, aber voll bewertet. Wäh­rend der Win­ter­pause in Deutsch­land haben wir zehn Spiele gehabt, wie soll man die weg­dis­ku­tieren? Das elfte Spiel war gegen einen aus­ge­ruhten deut­schen Klub, und danach hieß es: So toll ist Liver­pool nun auch wieder nicht! Ich will mich nicht beschweren, doch das rie­sige Pro­gramm hier führt zu anderen Her­aus­for­de­rungen. Inner­halb der Pre­mier League ist das kein Pro­blem, weil das für alle gilt. Es wird aber eins, wenn man sich mit Europa misst.

Ist es nicht so, dass Bild­hauer ver­pflichtet werden, die dann Nägel in die Wand kloppen müssen?
Klopp: Finde ich nicht, hier wird ganz ansehn­li­cher Fuß­ball gespielt. Es gibt viel­leicht drei oder vier Mann­schaften, die, ohne despek­tier­lich zu sein, wie Darm­stadt 98 spielen. Deren Spieler sind groß und wuchtig und gehen auf die Stan­dard­si­tua­tionen. Nur haben sie auch noch Stürmer, die 35 Mil­lionen gekostet haben und wissen, wie man Tore macht. Mann­schaften wie Arsenal, Tot­tenham, Man­chester City, Man­chester United, Chelsea oder wir spielen Fuß­ball, aber es geht immer auch ums Kör­per­liche. Dass die eng­li­schen Mann­schaften in den letzten Jahren in der Cham­pions League nicht funk­tio­niert haben, ist eine Wahr­heit. Aber liegt es daran, weil sie zu doof sind, oder weil sie vor und nach der Cham­pions League um jeden ein­zelnen Meter kämpfen müssen?