Campino ist nicht nur Sänger der Toten Hosen, sondern ewiger Fan des FC Liverpool. Dass Jürgen Klopp dort arbeitet, macht ihn glücklich. Wir haben beide zusammengebracht
Campino, Sie sind seit vier Jahrzehnten Fan des FC Liverpool. Was zeichnet das Älterwerden des Fans aus?
Campino: Die Frage ist: Wie armselig muss man sein, sich in meinem Alter so mit einem Fußballklub zu identifizieren? Warum bin ich nach Siegen glücklich? Wieso ist mein Wochenende nach Niederlagen im Eimer? Ich habe inzwischen aufgegeben, darauf eine Antwort zu suchen. Nur so viel: Der Tag des Champions-League-Finales in Istanbul gehört zu den schönsten meines Lebens …
Klopp: Ich liebe am Fußball genau das: Er kann dich ein Leben lang begleiten, ohne dass du dich verändern musst, wenn du nicht willst. Das Blöde ist aber, dass du von fünf bis 90 selber kicken oder zuschauen kannst, ohne das Spiel zu verstehen. Es gibt genug Leute, die gehen so ahnungslos raus, wie sie eingestiegen sind. Sie rufen immer noch „Schieß!“, wenn nicht geschossen werden sollte.
„Die Tür zum FC Bayern habe ich mir selbst zugedonnert“
Wie ist es, als Trainer älter zu werden?
Klopp: Ich war mit 33 Jahren kein schlechter Trainer, weil ich ein gewisses Talent dafür hatte. Aber Lebenserfahrung und die Dinge ruhiger anzugehen, hilft extrem. Zum Problem wird Älterwerden, wenn du zu wissen glaubst, wie es geht. Dann ist man schon auf dem absteigenden Ast. Du musst offen bleiben für die Probleme, denn es ergeben sich immer neue. Also packt man nicht immer nur Qualitäten obendrauf, sondern muss neue entwickeln. Man wird nicht besser, sondern breiter aufgestellt.
Die großen Liverpool-Trainer Bill Shankly und Bob Paisley schauen hier von den Fotos an der Wand auf uns herunter. Inwiefern sehen Sie sich beide manchmal als historische Figuren?
Campino: Überhaupt nicht. Schon die Frage danach ist für mich nicht relevant, nicht nur, weil die Platte von vor vier Jahren heute sowieso nichts mehr gilt.
Klopp: Ich kann auf das Double mit Dortmund zurückschauen, aber das Gefühl von damals bekomme ich nicht mehr hin. Das war cool, und ich freue mich über die Erinnerung oder Leute von damals zu sehen. Aber auf etwas besonders stolz zu sein, führt zu der Gefahr, bequem zu werden. Ich hatte mal einen Spieler, der hatte ein Bundesligaspiel gemacht und ist in die Oberliga gewechselt. Der hat gesagt: „Ich wollte ein Bundesligaspiel machen und habe mein Ziel erreicht.“
Jürgen Klopp, wie oft haben Sie „Wir würden nie zum FC Bayern geh’n“ von den Toten Hosen mitgesungen?
Klopp: Ein extrem gutes Lied, aber ich hätte es nie singen können. Als Fußballer auszuschließen, zum FC Bayern zu gehen, ist relativ schwachsinnig. Doch die Bayern-Tür habe ich mir ja selber zugedonnert.
Wie das denn?
Klopp: Ich habe neulich vor laufender Kamera lauthals gelacht, als ich gehört hatte, dass Bayern gegen Mainz verloren hat. Es war zwar die Freude über den Mainzer Erfolg, aber das Video sieht nach reiner Schadenfreude aus, und das ist nicht geradezurücken.
Campino, was wünschen Sie sich vom Trainer des FC Liverpool?
Campino: Na, was wohl? Ich wünsche jedem Trainer vom FC Liverpool den größtmöglichen Erfolg. Es würde mich aber auch freuen, wenn Jürgen das Leben und die Menschen hier für sich als eine Bereicherung sieht und er die Zeit auch genießen kann. Ich bin aber jetzt schon beeindruckt, mit welcher Leidenschaft er und sein Team diese Aufgabe angehen und hier eintauchen.
Klopp: Nach einem halben Jahr kann ich sagen, dass es wirklich cool wäre, wenn wir hier etwas länger machen könnten. Der Verein hat ein paar Probleme, die nicht unlösbar sind, denn es gibt eine ganz tolle Basis. Für mich ist relativ klar: Wenn wir das Interview in fünf Jahren noch mal machen können, haben wir unterwegs was gewonnen.
Campino: Und hoffentlich bist du bis dahin hier auch mal mit mir in eine Kneipe gegangen.