Campino ist nicht nur Sänger der Toten Hosen, sondern ewiger Fan des FC Liverpool. Dass Jürgen Klopp dort arbeitet, macht ihn glücklich. Wir haben beide zusammengebracht
Jürgen Klopp, kennen Sie den Begriff „Stadionrock“?
Klopp: Nein.
Campino: Ich betrachte es als ein von Journalisten erfundenes Schimpfwort für Bands, denen es gelingt, mit ihrer Musik den Mainstream zu erreichen. Eine ehemals als cool empfundene Band mit vielen anderen teilen zu müssen, geht manchen Leuten eben gegen den Strich. Trotzdem bin ich lieber Stadionrocker als Kneipenrocker.
Kann man beim Fußball auch zum „Stadionrocker“ werden?
Klopp: Klar! Mich haben wahrscheinlich auch viele Leute noch nett gefunden, als ich mit Mainz 05 gegen alle Widerstände des Fußballestablishments gekämpft habe. Selbst am Anfang in Dortmund war es vermutlich noch so, aber dann gewinnt man zwei Meisterschaften und das Double, worauf die gleichen Leute sagen: Jetzt ist er aber etwas komisch geworden, der Trottel.
„Du kannst von der ganzen Welt angehimmelt werden und trotzdem ein total normaler Kerl sein“
Sind Sie denn etwas komisch geworden?
Klopp: Nein, ich habe mich sogar erschreckend wenig verändert. Es ist die Sichtweise der Leute, die sich verändert.
Campino: Es gibt halt zwei Realitäten. Ich bin einerseits so, wie ich mich selbst sehe, andererseits aber auch der, als den mich die anderen wahrnehmen. Oder besser gesagt: Ich kann noch so sehr darauf beharren, der Alte geblieben zu sein, wenn die Leute das nicht wahrnehmen wollen, werden sie das nicht akzeptieren. Außerdem verändert sich das ganze Leben fortwährend. Wenn Jürgen mal Lust drauf haben sollte, kann er bestimmt zurück nach Mainz gehen und da auf einer Wiese kicken, so wie wir auch heute noch gerne Konzerte in Kneipen spielen. Trotzdem weiß man, dass man das Lebensgefühl von früher nicht mehr zurückholen kann.
Klopp: Oder zumindest nur für kurze Momente. Kurz bevor ich hierher nach Liverpool kam, bin ich relativ spontan zu einem Spiel von Mainz 05 gefahren. Da habe ich in der Loge gesessen, wie das heute eben so ist in meinem Leben. Ich würde zwar gerne auf der Tribüne hocken, aber dann guckt keiner das Spiel, weil alle ein Selfie machen wollen. Nach dem Spiel wollten Christian Heidel und ich noch ein Bier trinken. Und jetzt muss man wissen, dass es am alten Bruchwegstadion den „Haasekessel“ gab. Das ist das Vereinsheim des benachbarten PSV Mainz, wo wir früher nach dem Spiel mit den Leuten ein Bier getrunken haben. Irgendwann war das ein ganz cooles Miteinander, weil die Leute daran gewöhnt waren, dass der Trainer auch in der Kneipe stand. Im neuen Stadion gibt es auch einen „Haasekessel“, und da sind wir nach dem Spiel hin. Ich habe mich schon gefragt, ob das geht, und am Anfang kamen auch gleich einige an, um Fotos zu machen. Aber dann haben sie sich sehr schnell selbst diszipliniert, so konnten Christian Heidel und ich völlig entspannt ein Bierchen trinken. In der Kneipe waren die gleichen Leute wie früher – nur acht Jahre älter. Als wir gegangen sind, habe ich an ihren Blicken gesehen: „Das war wie früher.q Ein unfassbar schöner Moment, ich war richtig selig. Wir würden so was viel öfter machen, wenn man uns nur lassen würde.
Stattdessen bleiben Promis unter sich und freunden sich mit ihresgleichen an.
Klopp: Aber dabei geht es auch um Gelegenheiten. Wotan Wilke Möhring oder Joachim Król sind nicht nur tolle Schauspieler, sondern eben auch ausgeflippte BVB-Fans. Die hätte ich nicht kennengelernt, wenn ich nicht Trainer des Klubs gewesen wäre. Oder wie sollte ich Campino kennenlernen, wenn ich beim Konzert in der Meute stehe? Ich habe übrigens viele Leute getroffen, die richtig bekannt und auch noch unfassbar gute Typen sind. Da lernt man eine Schauspielerin kennen, die gut aussieht, Kohle hat, Erfolg auch und unheimlich nett ist. So was will niemand hören, weil es irgendwie zu viel ist. Bei Franz Beckenbauer und Pelé habe ich erlebt, dass du von der ganzen Welt angehimmelt und verehrt werden und ein total normaler Kerl sein kannst. Das ist möglich!
Campino: Dass sogenannte „Promis“ sich nur mit anderen Promis anfreunden, ist ein dummes Klischee. Die wenigsten meiner Freunde stehen in der Öffentlichkeit und ich nehme an, dass es bei Jürgen nicht anders aussieht. Über solche Bekanntschaften wird halt nicht berichtet.