Hertha BSC steckt mal wieder in der Krise, auch Bruno Labbadia konnte den Verein nicht nachhaltig zur Ruhe bringen. Doch ist nicht eigentlich Manager Michael Preetz das Problem? Drei Herthaner diskutieren.
stand ebenfalls lange in der Ostkurve, lässt sich mittlerweile über berufliche Kontakte aber auch gerne mal mit Tickets für die Haupttribüne versorgen. Den Einstieg von Investor Lars Windhorst fand er, zumindest zu Beginn, spannend. Er betreibt den Blog „Big City Club“ und den dazugehörigen Twitter-Account.
Bernstein: Aber auch in der Rolle hat er Probleme. Das hat das Kalou-Video wunderbar gezeigt. Als Geschäftsführer ist er verantwortlich für seine Mitarbeiter. Und entweder bekommt er es als Chef hin, diesen klipp und klar zu vermitteln, was seine Erwartungen an sie sind – oder eben nicht. Da stelle ich mir am Ende schon die Frage: Ist es wichtiger, dass Arne (Friedrich, d. Red.) bei Late Night Berlin in einem TV-Spot über Corona mitmacht, oder dass der Verein die Schutzmaßnahmen im Alltag in einer Ernsthaftigkeit trainiert, dass es den Leuten in Fleisch und Blut übergeht?
Kempert-Gmuer: Ganz ehrlich. So schlimm fand ich die Aktion von Kalou nicht. Im Endeffekt hat sein Video nur gezeigt, auf was für wackligen Beinen das Hygienekonzept der DFL steht – und dass vieles davon auch einfach nur Show ist. Nerviger finde ich da schon die Sache mit Jens Lehmann. Um mal den nächsten Kracher anzuschneiden. (Lacht.)
Bernstein: Lehmann ist – glaube ich – allein für die Londoner Investoren da, die das Windhorst-Unternehmen finanzieren. Weil man den dort kennt. Und der dort ein anderes Ansehen hat als bei uns.
Kempert-Gmuer: Und trotzdem wird er in der Öffentlichkeit so wahrgenommen, als würde er für den Verein sprechen. Ich habe mit dem nichts zu tun, der sitzt in Zukunft für Windhorst im Aufsichtsrat einer ausgegliederten KGaA, 80 Prozent der Dinge, die der öffentlich in seinem Leben bisher gesagt hat, finde ich scheiße, und trotzdem wird in den Bauchbinden stehen: „Jens Lehmann – Aufsichtsrat Hertha BSC“. Ätzend.
Bernstein: Außerdem hat er auch noch in Gelsenkirchen gespielt.
Kempert-Gmuer: Wie steht ihr denn zu Windhorst selbst?
Bernstein: Als die Nachricht kam, dachte ich: Das kann nicht gutgehen. Meiner Meinung nach sollte Hertha sich nicht von einem Investor abhängig machen. Es ist aber letztendlich völlig egal, was wir Fans denken. Es wurde einfach gemacht.
Kempert-Gmuer: Ich bin früher so oft halbbetrunken aus dem Stadion getorkelt und habe gedacht: Was geht hier? Wir sind Berlin. Wir sind die einzige fucking Hauptstadt in Europa, die kein Spitzenteam hat. Vor dem Hintergrund fand ich Windhorst spannend. Ich wollte es jedenfalls nicht gleich verteufeln.
„Labbadia? Eine Momentaufnahme“
Vogel: Und zumindest die ersten Labbadia-Wochen machen sportlich ja tatsächlich Spaß.
Bernstein: Eine Momentaufnahme. Gewünscht hätte ich mir Niko (Kovac, d. Red.). Berliner Junge, alter Herthaner. Auf mich hat er immer einen sehr empathischen Eindruck gemacht.
Vogel: Ich glaube nicht, dass er mit dieser Art zur Geschäftsführung gepasst hätte.
Kempert-Gmuer: Ich hätte mir einen größeren Namen gewünscht. Oder besser: nicht einen der üblichen Verdächtigen. Es war ja auch mal Gerardo Seoane von Young Boys Bern im Gespräch. Seine Verpflichtung hätte ich spannender gefunden. Trotzdem: Labbadia scheint eine echte Idee vom Fußball zu haben, macht einen aufgeräumten Eindruck und erzählt nicht so viel Quatsch …
Bernstein: … und damit muss man als Hertha-Fan in diesen Tagen zufrieden sein. Wobei mir das Sportliche gerade nicht so wichtig ist. Das Derby hat sich angefühlt, als hätte es auf dem Mond stattgefunden. Vollkommen wertlos.
Kempert-Gmuer: Mir war wichtig, dass wir deutlich gewonnen haben. Dass wir die 0:1‑Niederlage aus dem Hinspiel nicht nur ausgeglichen haben. Das tat in Bezug auf Union schon gut.
Bernstein: Nicht falsch verstehen: Wie Union von außen gehypt wird, nervt mich ja auch total. Weil da mit zweierlei Maß gemessen wird. Union hat zum Beispiel, wie andere Vereine auch, Probleme mit Rechtsextremen und Homophobie. Aber das wird in der Öffentlichkeit ganz anders besprochen.
Kempert-Gmuer: Ab und zu bin ich bei Union, ein Kumpel arbeitet da. Und in der Alten Försterei ist schon coole Stimmung. Aber in so einem Stadion musst du es auch erst mal schaffen, keine coole Stimmung zu haben. Unsere Ostkurve da drin – und das Ding würde auseinanderfliegen. Was mich nervt, ist die vor sich hergetragene Ostalgie. Die meisten, die ich da sehe, sind Zugezogene oder Leute, die auch die Bayern ganz gut finden. Einer der Sponsoren ist Marcus Trojan, der das Weekend (Club in Berlin-Mitte, d. Red.) betreibt. Das ist für mich der neue Typus Union-Fan. Ich brauche dieses Kultimage nicht.