Die Leichtathletik-WM in Katar zeigt, dass sportliche Großveranstaltungen im Emirat anders ablaufen als im Rest der Welt. Das kleine, aber reiche Land versucht, auf diese Weise politisch Einfluss zu nehmen – auch mithilfe des Fußballs.
Katar investiert also massiv in den Sport und feiert sogar erste Erfolge – doch was sind die Beweggründe einer Nation, die sich offensichlich nur schwer für sportliche Großereignisse im eigenen Land begeistern kann? Das Engagement in diesem Bereich lässt sich durch die „Qatar National Vision“ erkären. So heißt die Modernisierungsstrategie des Emirats, das zusammen mit dem Iran über das größte Erdgasvorkommen der Welt verfügt. Aber weil diese Ressourcen endlich sind, möchte der Herrscherclan der Al-Thanis die Einkommensquellen diversifizieren. Deswegen gibt es Versuche, das Land wirtschaftlich gegenüber dem Westen zu öffnen und Investoren anzuziehen. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 130.000 Dollar im Jahr gilt Katar, das flächenmäßig etwa so groß wie Hessen ist, als das reichste Land der Erde. Im Emirat leben 2,7 Millionen Menschen. Rund 2,4 Millionen davon sind Arbeitsmigranten. Der Rest der Bevölkerung gehört zur Elite des Landes, die überwiegend übergewichtig ist und sich eher für Kamelrennen und Falkenjagd interessiert.
Auf dem Landweg ist Katar nur über Saudi-Arabien zu erreichen, das vergleichsweise riesig daherkommt und ebenfalls von einer antidemokratischen Familiendynastie regiert wird. Auch wegen des mächtigen Nachbarn wollen die Al-Thanis die Position Katars im Nahen Osten verbessern und zu einem wichtigen Player werden. Ein entscheidender Hebel dafür ist der Sport. Das Emirat nutzt die Strahlkraft der besten Athleten der Welt, um mittels indirekter Einflussnahme politisch Macht auszuüben – und das eigene Image zu verbessern. Investitionen in den Sport, riesige Einkaufszentren und die Vermittlung der katarischen Kultur sollen dabei helfen.
Die Kröung der katarischen Strategie
Und wenn man jede Menge Geld hat, fällt es eben leichter, eine Fußball-WM auszurichten und die Blicke auf sich zu ziehen. Seit 2010 laufen in Doha und Umgebung die Vorbereitung für eine der wichtigsten Sportveranstaltungen der Welt.
Um den Bauboom für die Fußball-WM 2022 aufrechtzuerhalten, muss sich Katar ausländische Firmen und Investoren ins Land holen. Dass in drei Jahren eine der größten sportlichen Veranstaltungen in Katar stattfindet, ist so etwas wie die Krönung der Strategie Katars, sich dem Westen gegenüber zu öffnen – wenngleich um die Vergabe im Jahr 2010 immer noch Korruptionsvorwürfe schwelen. Das zeigt der FIFA-Prozess in New York, der im November 2017 begann. Auch ein FIFA-eigener Bericht hatte Indizien geliefert, dass Katar die WM gekauft haben könnte.
Spielwiese Paris
Die bekannteste Sportart der Welt ist für die Kataris schon länget eine wichtige Spielwiese: 2011 kaufte der staatliche Fonds „Qatar Sports Investments“ den französischen Hauptstadtverein Paris Saint-Germain. In diesen Fonds fließen die Gelder, die ansonsten im üppig gefüllten Staatshaushalt keine Verwendung finden. Der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy, selbst großer Anhänger von PSG, hatte die Übernahme der Anteile durch Lobbyarbeit hinter den Kulissen eingeleitet.
Angetreten mit dem Ziel, die Champions League zu gewinnen, lockte das katarische Geld in der Folge mehrere Weltstars nach Paris. David Beckham, Zlatan Ibrahimovic, später Neymar und Kylian Mbappé wurden die sportlichen Aushängeschilder eines Vereins, der vor dem Einstieg der Kataris in der Ligue 1 keine große Rolle gespielt hatte. Mit Ausnahme von 2012 und 2017 gewann PSG aber in jedem Jahr die Meisterschaft, in der Champions League war bisher immer spätestens im Viertelfinale Schluss. Vor zwei Jahren verpflichtete PSG auf dem Höhepunkt einer Krise am Golf den Ausnahmefußballer Neymar für die Fantasiesumme von 222 Millionen Euro, um positive Schlagzeilen zu schreiben. Denn zeitgleich hatte Saudi-Arabien ein Wirtschaftsembargo gegen Katar ausgesprochen und die Luft‑, See- und Landwege nach Katar gekappt. Die diplomatische Lage zwischen Saudi-Arabien und Katar hatte sich wegen ihres Verhältnisses zum Iran verschlechtert.