Früher war Frankfurt für Fredi Bobic nur ein ganz normales Auswärtsspiel. Heute schwärmt der Vorstand von der einzigartigen Atmosphäre. Und hat mit der Eintracht eine ganze Menge vor.
Sportlich läuft es für die Eintracht außerordentlich gut. Hatten Sie sich das vor der Saison so vorgestellt?
So konkret nicht. Niko Kovac, Sportdirektor Bruno Hübner und ich waren uns zwar einig, dass der aktuelle Kader besser ist als jener der letzten Saison. Aber als Vorstand denkt man automatisch den Worst Case mit. Und in der Liga gibt es inzwischen so viele Klubs auf ähnlich hohem Niveau, dass Kleinigkeiten entscheiden. Und oft ist es auch Glück, wie gut du in die Saison startest, ob ein Spiel zu Beginn der Serie 1:0 oder 0:1 ausgeht. Was die individuelle Qualität angeht, dürfte etwa der 1. FC Köln nicht so abgeschlagen im Tabellenkeller hocken.
Personell haben Sie durchaus Mut bewiesen, etwa bei der Verpflichtung von Kevin-Prince Boateng, dem der Ruf vorauseilt, kein einfacher Spieler zu sein.
Als wir mit Boateng verhandelt haben, hat hier auch der eine oder andere mit erhobenen Augenbrauen nachgefragt, ob wir den wirklich holen wollen. Aber wir haben uns bewusst für ihn entschieden, weil er der Mannschaft mit seinen Ideen und seiner Übersicht weiterhilft. Und das Letzte, was wir wollen, ist ein Kader voller stromlinienförmiger Kicker ohne eigene Meinung. Die Spieler brauchen Freiräume, um sich zu entwickeln.
Jetzt klingen Sie fast wie Mehmet Scholl.
Der Hinweis, der individuellen Kreativität in der Aus-bildung mehr Raum zu lassen, ist nicht verkehrt. Pausenlose Taktikschulung bringt keine Straßenfußballer hervor. Die Kritik so zu personalisieren, war aber der falsche Weg.
Was muss ein junger Spieler haben, um für die Eintracht interessant zu sein?
Der deutsche Fußball ist mit talentierten jungen Spielern gesegnet. Den Unterschied macht am Ende die Mentalität, der unbedingte Wille, sich durchzusetzen. In der Mannschaft, aber auch gegen den Gegner auf dem Platz.
Die Eintracht ist in den letzten Jahren nicht unbedingt durch brillante Jugendförderung aufgefallen. Was muss sich da ändern?
Zunächst einmal ist klar, dass wir unsere Spieler lieber selbst ausbilden, als sie zu scouten. Woran wir arbeiten, ist eine bessere Koordination und Verzahnung der Bereiche, der Vereinheitlichung der Spielsysteme und natürlich auch an der Durchlässigkeit zum Profibereich. Dafür haben wir mit Marco Pezzaiuoli nun einen erfahrenen, weitgereisten, kreativen Mann geholt, der die für ihn neugeschaffene Funktion des Technischen Direktors Nachwuchsleistungszentrum und Profis besetzt. Von ihm erhoffe ich mir sehr viel. Wobei es heutzutage für einen jungen Spieler gar nicht mehr so schwierig ist, mal Bundesliga zu spielen. Früher, zu meiner aktiven Zeit, war das noch ein großes Ding. Heute sehen wir das ja gern, wenn Talente frühzeitig in die Verantwortung genommen werden. Aber es ist dann die Kunst, sich im Profikader zu behaupten und durchzusetzen. Das schaffen eben doch nur wenige.
Die Eintracht spielt so attraktiven Fußball, dass andere Klubs aufmerksam nach Frankfurt schauen. Niko Kovac wurde Ende letzten Jahres plötzlich als Bayern-Trainer gehandelt.
So schnell kann es gehen. (Lacht.) Klar freut uns die Entwicklung der Mannschaft. Aber wir wissen auch, dass es ein langer Weg ist, sich weiter oben zu positionieren. Und das geht nur durch seriöses und nachhaltiges Wirtschaften. Und dadurch, den Klub auf allen Ebenen zu modernisieren. Das fängt bei der Geschäftsstelle an, drängt bei der Talentförderung und hört bei der Vermarktung noch lange nicht auf. Aber dass wir den Klub entwickeln wollen, wird hier in der Frankfurter Stadtgesellschaft auch wohlwollend wahrgenommen.
Frankfurter Stadtgesellschaft, da denken viele schnell an die zahlungskräftigen Banken.
Die Leute sehen die Bankentürme und denken, hier liege das Geld einfach so auf der Straße herum. Den gleichen Irrglauben gibt es übrigens auch in Stuttgart mit Daimler, Porsche und Bosch vor der Haustür. Aber nicht jeder DAX-Konzern ist automatisch auch Fußballsponsor. Deshalb müssen wir die Leute hier in Frankfurt immer wieder aufs Neue von unserem Weg überzeugen. Und der bedeutet, Strukturen zu schaffen, die den Klub von den einzelnen Personen unabhängig machen.