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Seite 3: „Die Leute sehen die Bankentürme und denken, hier liege das Geld einfach so auf der Straße herum“

Sport­lich läuft es für die Ein­tracht außer­or­dent­lich gut. Hatten Sie sich das vor der Saison so vor­ge­stellt?
So kon­kret nicht. Niko Kovac, Sport­di­rektor Bruno Hübner und ich waren uns zwar einig, dass der aktu­elle Kader besser ist als jener der letzten Saison. Aber als Vor­stand denkt man auto­ma­tisch den Worst Case mit. Und in der Liga gibt es inzwi­schen so viele Klubs auf ähn­lich hohem Niveau, dass Klei­nig­keiten ent­scheiden. Und oft ist es auch Glück, wie gut du in die Saison star­test, ob ein Spiel zu Beginn der Serie 1:0 oder 0:1 aus­geht. Was die indi­vi­du­elle Qua­lität angeht, dürfte etwa der 1. FC Köln nicht so abge­schlagen im Tabel­len­keller hocken.

Per­so­nell haben Sie durchaus Mut bewiesen, etwa bei der Ver­pflich­tung von Kevin-Prince Boateng, dem der Ruf vor­aus­eilt, kein ein­fa­cher Spieler zu sein.
Als wir mit Boateng ver­han­delt haben, hat hier auch der eine oder andere mit erho­benen Augen­brauen nach­ge­fragt, ob wir den wirk­lich holen wollen. Aber wir haben uns bewusst für ihn ent­schieden, weil er der Mann­schaft mit seinen Ideen und seiner Über­sicht wei­ter­hilft. Und das Letzte, was wir wollen, ist ein Kader voller strom­li­ni­en­för­miger Kicker ohne eigene Mei­nung. Die Spieler brau­chen Frei­räume, um sich zu ent­wi­ckeln.

Jetzt klingen Sie fast wie Mehmet Scholl.
Der Hin­weis, der indi­vi­du­ellen Krea­ti­vität in der Aus-bil­dung mehr Raum zu lassen, ist nicht ver­kehrt. Pau­sen­lose Tak­tik­schu­lung bringt keine Stra­ßen­fuß­baller hervor. Die Kritik so zu per­so­na­li­sieren, war aber der fal­sche Weg.

Was muss ein junger Spieler haben, um für die Ein­tracht inter­es­sant zu sein?
Der deut­sche Fuß­ball ist mit talen­tierten jungen Spie­lern gesegnet. Den Unter­schied macht am Ende die Men­ta­lität, der unbe­dingte Wille, sich durch­zu­setzen. In der Mann­schaft, aber auch gegen den Gegner auf dem Platz.

Die Ein­tracht ist in den letzten Jahren nicht unbe­dingt durch bril­lante Jugend­för­de­rung auf­ge­fallen. Was muss sich da ändern?
Zunächst einmal ist klar, dass wir unsere Spieler lieber selbst aus­bilden, als sie zu scouten. Woran wir arbeiten, ist eine bes­sere Koor­di­na­tion und Ver­zah­nung der Bereiche, der Ver­ein­heit­li­chung der Spiel­sys­teme und natür­lich auch an der Durch­läs­sig­keit zum Pro­fi­be­reich. Dafür haben wir mit Marco Pez­zaiuoli nun einen erfah­renen, weit­ge­reisten, krea­tiven Mann geholt, der die für ihn neu­ge­schaf­fene Funk­tion des Tech­ni­schen Direk­tors Nach­wuchs­leis­tungs­zen­trum und Profis besetzt. Von ihm erhoffe ich mir sehr viel. Wobei es heut­zu­tage für einen jungen Spieler gar nicht mehr so schwierig ist, mal Bun­des­liga zu spielen. Früher, zu meiner aktiven Zeit, war das noch ein großes Ding. Heute sehen wir das ja gern, wenn Talente früh­zeitig in die Ver­ant­wor­tung genommen werden. Aber es ist dann die Kunst, sich im Pro­fi­kader zu behaupten und durch­zu­setzen. Das schaffen eben doch nur wenige.

Die Ein­tracht spielt so attrak­tiven Fuß­ball, dass andere Klubs auf­merksam nach Frank­furt schauen. Niko Kovac wurde Ende letzten Jahres plötz­lich als Bayern-Trainer gehan­delt.
So schnell kann es gehen. (Lacht.) Klar freut uns die Ent­wick­lung der Mann­schaft. Aber wir wissen auch, dass es ein langer Weg ist, sich weiter oben zu posi­tio­nieren. Und das geht nur durch seriöses und nach­hal­tiges Wirt­schaften. Und dadurch, den Klub auf allen Ebenen zu moder­ni­sieren. Das fängt bei der Geschäfts­stelle an, drängt bei der Talent­för­de­rung und hört bei der Ver­mark­tung noch lange nicht auf. Aber dass wir den Klub ent­wi­ckeln wollen, wird hier in der Frank­furter Stadt­ge­sell­schaft auch wohl­wol­lend wahr­ge­nommen.

Frank­furter Stadt­ge­sell­schaft, da denken viele schnell an die zah­lungs­kräf­tigen Banken.
Die Leute sehen die Ban­ken­türme und denken, hier liege das Geld ein­fach so auf der Straße herum. Den glei­chen Irr­glauben gibt es übri­gens auch in Stutt­gart mit Daimler, Por­sche und Bosch vor der Haustür. Aber nicht jeder DAX-Kon­zern ist auto­ma­tisch auch Fuß­ball­sponsor. Des­halb müssen wir die Leute hier in Frank­furt immer wieder aufs Neue von unserem Weg über­zeugen. Und der bedeutet, Struk­turen zu schaffen, die den Klub von den ein­zelnen Per­sonen unab­hängig machen.