Er war der genialische Regisseur der BVB-Elf, die 1997 die Champions League gewann. Als Trainer des FC Basel sucht er den Rat der Bäume. Was geht in Paulo Sousa vor?
Was ist Ihr großer Traum?
Ich will auch als Trainer die Champions League gewinnen. Und das werde ich auch schaffen. Kein Zweifel.
Kein Zweifel?
Nicht den geringsten.
Woher nehmen Sie diese Gewissheit?
Seit ich ein kleiner Junge war, habe ich jeden Tag hart dafür gearbeitet, besser zu werden. Ich weiß, dass es Faktoren gibt, die mein Schicksal beeinflussen. Aber je besser ich vorbereitet bin, desto besser kann ich meinerseits diese Faktoren beeinflussen, zu meinen Gunsten.
Sie klingen jetzt wie Jürgen Klinsmann, der beim FC Bayern „jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen“ wollte. Er wurde vor dem Ablauf seiner ersten Spielzeit entlassen.
Sicher, es gibt Rückschläge. Ich wurde 2010 in Leicester nach drei Monaten rausgeworfen!
Hatten Sie damals auch keinen Zweifel, dass Sie eines Tages die Champions League gewinnen?
Nein. Es ging schon damals nur darum, mich vorzubereiten auf den Tag, der kommen wird. Und Vorbereitung bedeutet auch, aus Rückschlägen und Fehlern zu lernen.
Die Saudade, der portugiesische Weltschmerz, scheint Ihnen ja vollkommen fremd zu sein.
Ich betrachte es als meine Aufgabe als Sportsmann, meinen Landsleuten Freude zu schenken und das Selbstvertrauen zu verleihen, das sie selbst mitunter nicht haben.
Gehen wir davon aus, dass der Tag kommt: Sie stehen mit Ihrer Mannschaft im Endspiel. Es geht ins Elfmeterschießen. Sie können dann aber nicht selbst antreten und verwandeln.
Ich würde gern, glauben Sie mir. Ich liebe es, Entscheidungen zu treffen.
Sie sind aber der Fortune Ihrer Spieler ausgeliefert. Ist das kein Grund zu zweifeln?
Ich kann immer noch Einfluss nehmen, indem ich entscheide, wer zum Elfmeterschießen antritt. Körpersprache und der Müdigkeitsgrad sind ausschlaggebende Faktoren – und natürlich mein Wissen darüber, wer mit einer solchen Drucksituation am besten umgeht.
Mit Druck umgehen – bitte verraten Sie uns, wie das geht.
Ich empfehle Ihnen Meditation. Dabei lernen Sie, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, Ziele zu identifizieren und sie auf direktem Wege zu erreichen. Wenn man die Technik beherrscht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, auch in einem Finale, in einem vollbesetzten Stadion, dieses eigentlich doch recht simple Ziel zu erreichen: den Elfmeter zu verwandeln.
Gerd Müller sagte einst: „Wennst denkst, is eh zu spät.“
Es ist sicherlich von Vorteil, wenn ein Stürmer einen klaren Kopf hat. Aber diesen Zustand kann man auch herstellen, er muss nicht von Natur aus da sein.
Man hört, Sie gehen gern im Wald spazieren und umarmen Bäume.
Auch das stammt aus meiner Kindheit, aus den Momenten, als ich mich von meinen Mitmenschen zurückzog. Mein Schulweg führte durch den Wald. Dort umarmte ich die Bäume und kletterte hinauf, manchmal um mit anderen Kindern zu spielen, manchmal um allein zu sein.
Mit Verlaub, das klingt ein bisschen esoterisch.
Für mich nicht. Die Natur ist für mich sehr wichtig und eine Freude. An einem Tag wie gestern, als es auf den warmen Waldboden geregnet hat, genieße ich es, die Luft einzusaugen und der Stille zu lauschen.
Was lernen Sie von den Bäumen?
Sie widerstehen den schwersten Stürmen. Das ist doch eine gute Metapher für das, was ein Fußballtrainer können sollte.
Schlagen Sie Wurzeln beim FC Basel?
Ich fühle mich sehr wohl hier. Der Verein hat sein Ziele, und ich habe meine. Noch sind sie kongruent.
Aber die Champions League werden Sie mit diesem Verein nicht gewinnen.
Es ist doch ganz einfach: Je bessere Spieler man als Trainer zur Verfügung hat, desto leichter ist es, dieses Ziel zu erreichen. Aber wenn einmal alles zu unseren Gunsten läuft, warum sollte nicht auch der FC Basel so weit kommen?
Sind Sie auch so optimistisch, wenn Sie an den Plan Ihres alten Weggefährten Luis Figo denken, der nächste FIFA-Präsident zu werden?
Noch ist es wohl zu früh für ihn, Sepp Blatter abzulösen. Aber bei der nächsten Wahl 2019 wird er es schaffen. Was soll ich anderes sagen? Luis verkörpert alles, woran ich im Fußball glaube: Ehrlichkeit, Hoffnung, Freude, Respekt, Liebe und Leidenschaft.
Sie als Champions-League-Sieger, Figo als FIFA-Präsident: Es wäre der späte Triumph der Goldenen Generation Portugals.
Ein schöner Gedanke. Wir könnten diesem wunderbaren Land etwas zurückgeben. Sie erwähnten ja die Saudade. Das Wort ist nicht in andere Sprachen übersetzbar. Am ehesten beschreibt es das Gefühl, dass die Menschen vor langer Zeit etwas Geliebtes verloren haben. Ich empfinde es als meinen Auftrag, es ihnen zurückzugeben.