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Paulo Sousa, wir unter­halten uns zwei Tage nach Jürgen Klopps Ankün­di­gung, dass er sein Trai­neramt bei Borussia Dort­mund zum Sai­son­ende nie­der­legt. Sie werden zur Stunde als poten­ti­eller Nach­folger gehan­delt. Hat Ihr alter Mann­schafts­ka­merad Michael Zorc Sie bereits kon­tak­tiert?
Nein, das hat er nicht. Der BVB musste in der Ver­gan­gen­heit bereits schwie­rige Ent­schei­dungen fällen und wird auch jetzt wieder ruhig han­deln. Es besteht also kein Grund zu der Annahme, dass die Ver­ant­wort­li­chen hek­tisch her­um­te­le­fo­nieren. Und ich warte auch nicht darauf, dass mein Handy klin­gelt. Dafür bin ich nicht der Typ.

Was würden Sie denn sagen, wenn Zorc Sie anriefe?
Das ist absolut spe­ku­lativ. Ich bin kein Trainer, der sich mit dem Gedanken befasst, wie er für andere Klubs attraktiv erscheinen könnte. Ich habe auch keinen Agenten, der den Markt son­diert und mich plat­ziert wie ein Pro­dukt im Schau­fenster. Meine Arbeit hier beim FC Basel und bei meinen frü­heren Klubs muss als Aus­kunft über meine Fähig­keiten genügen.

Diese Hal­tung könnte Sie das eine oder andere Enga­ge­ment kosten. Viele Ihrer Kol­legen sind in ihrer Job­ak­quise nicht so zurück­hal­tend wie Sie.
Ich will, wie schon als Spieler, aus mir selbst heraus wachsen. Schritt für Schritt. Ich will durch meine Leis­tungen aner­kannt werden und dabei vor allem durch die Wert­schät­zung meiner Spieler. Ich freue mich, wenn ich sehe, dass sie sich als Fuß­baller und als Men­schen wei­ter­ent­wi­ckeln.

Aber eine Ehre ist es doch bestimmt für Sie, mit dem BVB in Ver­bin­dung gebracht zu werden.
Die größte Wert­schät­zung, die ich mir vor­stellen kann, kommt immer von meinen eigenen Spie­lern. Bin ich ein guter Trainer für sie? Ent­wi­ckeln sie sich unter mir weiter? Folgen sie mir in die Rich­tung, die ich ein­ge­schlagen habe? Das sind die rele­vanten Fragen. Andere stelle ich mir nicht. Wer bringt mich denn über­haupt mit dem BVB in Ver­bin­dung, bitte?

Unter anderem die Buch­ma­cher. Zur­zeit stufen sie die Wahr­schein­lich­keit, dass Sie Klopps Amt über­nehmen, auf 1:8 ein.
Ich denke, damit beant­worten Sie Ihre Frage selbst. Ich beschäf­tige mich nicht mit Wahr­schein­lich­keiten, mich inter­es­sieren nur Tat­sa­chen.

Der BVB hat sich selbst den Slogan Echte Liebe“ ver­liehen. Jürgen Klopp stand im Mit­tel­punkt der hoch­emo­tio­nalen Bezie­hung zwi­schen dem Klub und seinen Fans. Wären Sie über­haupt der Typ für solch eine Romanze?
Aber ja! Ich trage doch selbst eine rie­sige Lei­den­schaft für den Fuß­ball in mir. Und es fällt mir leicht, sie auch zu zeigen und zu teilen. Für viele Fans ist der Fuß­ball eine Ablen­kung von ihren Sorgen und Nöten. Sie hätten allen Grund, miss­mutig im Sta­dion zu sitzen und zu erwarten, dass die Mann­schaft sie aus ihrer Agonie erlöst. Aber das tun sie nicht: Sie feuern die Mann­schaft an mit allem, was sie haben. Und da soll ich meine Gefühle zurück­halten? Ich werde doch sogar dafür bezahlt, dass ich den Fuß­ball liebe!

Muss ein Trainer manchmal fröh­li­cher wirken, als er eigent­lich ist?
Mag sein, dass das opportun wäre. Aber ich halte nichts davon. Ich will ich selbst sein. Keine Maske. Keine Schau­spie­lerei. Keine Effekte. Nur Paulo Sousa, der kohä­rente Mensch und Trainer.

Sie sagten mal: Ich exis­tiere nicht, um anderen zu gefallen.“ Es muss schwer sein, authen­tisch zu bleiben, wenn man von einem Mil­lio­nen­pu­blikum beob­achtet wird.
Mir ist bewusst, dass der Fuß­ball eine Unter­hal­tungs­in­dus­trie ist. Die Men­schen zahlen das Ein­tritts­geld, um Emo­tionen zu erleben. Aber diese Emo­tionen müssen echt sein. Wie auch die Bezie­hung zwi­schen einem Trainer, der Mann­schaft und dem Publikum. Kurz: Die Liebe muss echt sein.

Echte Liebe – wenn Michael Zorc das hören würde!
Michael und ich haben damals in Dort­mund zusam­men­ge­spielt und kicken noch heute von Zeit zu Zeit mit ein paar Jungs aus der Mann­schaft, die 1997 die Cham­pions League gewann. Seien Sie gewiss, er weiß schon längst, worum es mir im Fuß­ball geht.

Haben Sie Freunde in diesem Geschäft?
Freunde …

Zögern Sie, weil es bloß ein Effekt wäre, jetzt ein­fach ja zu sagen?
Ich tue mich schwer mit diesem emo­tional so auf­ge­la­denen Begriff. Meine Freunde aus der Kind­heit in Viseu musste ich hinter mir lassen, als ich mit 14 zu Ben­fica Lis­sabon wech­selte. Uns eint die Erin­ne­rung, Zeit und Raum aber trennen uns. Ich ging meinen eigenen Weg, hinein in den Fuß­ball. Dort ist es nicht so ein­fach, Freund­schaften zu schließen und zu ent­wi­ckeln: Man spielt zwar in einer Mann­schaft, aber man kon­kur­riert doch gleich­zeitig mit­ein­ander, auf zuweilen harte kör­per­liche und men­tale Weise. Man ist kame­rad­schaft­lich ver­bunden, hat Respekt vor­ein­ander. Aber Freund­schaft …

… ist Ihnen ein zu großes Wort.
Es ist ein wich­tiges Wort. Aber man sollte nicht allzu ver­schwen­de­risch damit umgehen.

Ver­missen Sie Ihre alten Freunde aus Viseu?
Ja, manchmal. Aber nicht so, dass ich dar­über unglück­lich wäre.

Es gibt diese berühmte Paulo-Sousa-Legende: In Ihrer Dort­munder Zeit sollen Sie im Trai­ning links herum gelaufen sein, wäh­rend Ihre Mit­spieler rechts herum liefen. Ein Sinn­bild für Ihr Ein­zel­gän­gertum?
Es wurde jeden­falls sehr dankbar von den Jour­na­listen auf­ge­nommen und wei­ter­ver­breitet, wie ich sehe. Offenbar hat es sich ja bis zum heu­tigen Tage gehalten. Glauben Sie mir, ich gehe nicht zwang­haft andere Wege, um indi­vi­dua­lis­tisch rüber­zu­kommen. Die Wahr­heit ist: Ich befand mich damals nach einer Knie­ope­ra­tion in der Reha-Phase und lief mit meinem per­sön­li­chen Trainer in einem anderen Tempo als die Mit­spieler. Mög­li­cher­weise auch gegen den Uhr­zei­ger­sinn. Aber das hatte rein gar nichts zu bedeuten. Ich wollte nur nicht über­rundet werden! (Lacht.)

Aber Sie gefielen sich schon in der Rolle des genialen Diri­genten, der ganz für sich war.
Das schien viel­leicht so. Aber mein Ver­halten hatte Gründe: Als Kind war ich sehr scheu, ich sprach kaum mit anderen Men­schen, außer mit denen, die ich sehr gut kannte. Auch später gab es immer wieder Momente und Phasen, in denen ich mich von meiner Umwelt abschot­tete, um mich auf mein Innerstes zu kon­zen­trieren. Daraus zog ich meine Stärke als Spieler: Fokus­siert sein zu können, auch im Durch­ein­ander, im Chaos.

Das Buch Die Ent­de­ckung der Lang­sam­keit“ von Sten Nadolny han­delt von dem Polar­for­scher John Franklin, der von seinen Mit­men­schen für langsam und dumm gehalten wird, aus seiner zeit­lu­pen­haften Wahr­neh­mung heraus aber Zusam­men­hänge sieht, die andere nicht sehen. Im Chaos han­delt er als Ein­ziger richtig.
Das gefällt mir, dieser Mann ist mir sehr sym­pa­thisch. Man muss die Logik erkennen, die die Dinge zusam­men­hält. Aber man muss auch das Chaos lieben, weil es uns Krea­ti­vität erlaubt. Wenn das Chaos ein­tritt, mein Freund: Genieße es! Bewahre die Ruhe und nutze deine Chance.