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Seite 3: „Klatschpappen gibt es auch in England“

Also alles eine Frage der Ver­mark­tung?
Es ist ein schwie­riges Thema, viel­leicht dauert es ein­fach noch. Reine Even­ti­sie­rung hilft aber auch nicht, da reicht ja ein Blick zu den Män­nern.

Zu viele Hash­tags und Ver­mark­tung beim DFB?
So ein­fach darf man es sich nicht machen. Wenn wir 2018 Welt­meister geworden wären, hätten bestimmt alle die Hash­tags und den ganzen Kram cool und inno­vativ gefunden. Was meinen Sie, wie dem Oliver Bier­hoff das Campo Bahia um die Ohren geflogen wäre, wenn wir 2014 in der Vor­runde raus­ge­flogen wären? Fuß­ball wird halt immer von hinten erzählt. Immer vom Erfolg oder Miss­erfolg zurück zur Wurzel.

Was sollte sich jetzt ändern?
Im Master habe ich Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ma­nage­ment stu­diert. Wäre ich darin jetzt Dozent, würde ich die DFB-Elf wahn­sinnig gerne als Fall­bei­spiel unter­su­chen. Es gibt ja nicht die eine Ant­wort, warum die Natio­nal­mann­schaft aktuell kaum jemanden inter­es­siert. Bier­hoff hat zwar selbst zuge­geben, dass sie medial etwas über­dreht haben mit Pres­se­ter­minen …

… oder ange­lei­erten Cho­reo­gra­phien auf den Rängen.
Natür­lich ist das absurd. Es jetzt aber allein auf den Fan­club-Natio­nal­mann­schaft zu schieben, wird der Pro­ble­matik nicht gerecht. Die Klatsch­pappen gibt es auch in Eng­land und Frank­reich, da ist es stim­mungs­tech­nisch genauso schlimm. Habe ich alles schon erlebt. Die Eng­länder singen dreimal pro Spiel ihre Natio­nal­hymne und dann sagen alle, die Stim­mung wäre so toll. Das ist ein­fach nicht wahr.

Was könnte denn helfen?
Es ist wirk­lich ein span­nendes Thema, denn unser Team ist eigent­lich hoch­in­ter­es­sant. Wir haben ja eine geile Offen­sive, eine coole junge Mann­schaft. Aber die Stim­mung bei den Heim­spielen ist echt ein Pro­blem. Da frage ich mich oft: Wie kriegen wir die Leute wieder dazu, im Sta­dion zu singen, anzu­feuern, emo­tional dabei zu sein? Dafür bräuchte es dann ja quasi rich­tige Deutsch­land-Fans“.

Die alt­be­kannte Pro­ble­matik.
Genau – man muss eben auch bedenken, wel­ches Kli­entel man damit womög­lich anzieht. Schwierig. Klei­nere Sta­dien wären gut. Leider sind Steh­plätze bis­lang nicht mög­lich. Die würden schon sehr helfen.

Der dümmst­mög­liche Leser sollte nicht der kleinste gemein­same Nenner sein“

Spielt die Bericht­erstat­tung eine Rolle?
Ich wün­sche mir tat­säch­lich etwas nach­hal­ti­gere Sport­for­mate. Und eine andere Gewich­tung der Schlag­zeilen.

Eine andere Gewich­tung?
Hm. Bei­spiel: Lucien Favre ist bis­lang der punkt­mäßig erfolg­reichste BVB-Trainer der Geschichte. Diese Schlag­zeile geht aber in Fuß­ball­talk­shows schnell unter, wenn er beim 1:1 nicht so eupho­risch jubelt wie seine Vor­gänger. Das ins Ver­hältnis zu setzen, ist doch Quatsch. Viel zu rei­ße­risch.

Haben Sie Lösungs­an­sätze?
Weniger Weiß­bier, weniger Sonn­tags, weniger 11 Uhr. (Lacht.) Aber mal im Ernst: Es reicht schon, sich nicht immer einen Wett­lauf mit der Sport­Bild um die geilste Über­schrift zu lie­fern. Das ist jedoch in der heu­tigen Zeit viel ver­langt. Es ist ja nicht nur in der Fuß­ball­be­richt­erstat­tung so: Es geht halt um Klicks, das ist ein großes Pro­blem.

Inwie­fern?
Der dümmst­mög­liche Zuschauer oder Leser sollte nicht der kleinste gemein­same Nenner sein – genau das ist aber die Her­an­ge­hens­weise vieler For­mate und Por­tale. Weil sie die Klicks brau­chen. Die wollen dann wirk­lich alle abholen. Dass inzwi­schen auf irgend­einer Fuß­ball­seite die Frisur von Jadon Sancho achtmal so viele Likes bekommt wie eine Ana­lyse seiner Spiel­weise, ist halt die Quit­tung.

Also braucht es mehr Tief­gang.
Es ist aktuell wirk­lich schwierig – ver­lierst du, wirst du negativ gesehen, gewinnst du, ist alles super. Dazwi­schen liegt eine Woche. Ob du aber durch ein Eigentor gewonnen oder im Nega­tiv­fall zwei Elf­meter ver­schossen hast, inter­es­siert dann kaum jemanden. Nur das Ergebnis zählt. Es geht nur um Schwarz und Weiß.

Die Gesell­schaft ver­blödet?
Soweit würde ich jetzt nicht gehen. Aber wenn ich auf mein Handy schaue und ein Foto sehe, auf dem in Groß­buch­staben Ronaldo hat 200.000 Euro für Guten Zweck gespendet“ steht, ver­sehen mit der Unter­schrift: Ein Like = Ein Respekt für Cris­tiano“, kriege ich diesen Ein­druck häufig. Man kann die Mecha­nismen der heu­tigen Zeit jedoch auch ins Posi­tive ummünzen.

Wie?
Chris­tian Streich ist ein kluges Bei­spiel: Wenn der sich poli­tisch äußert, werden seine Aus­sagen genauso geklickt wie ein Video, in dem sich Zlatan Ibra­hi­mović an die Eier packt. Dafür muss aller­dings eine gewisse intel­lek­tu­elle Bereit­schaft der Zuschau­er­schaft bestehen. Und es muss halt Chris­tian Streich sein, den sehen die Leute gerne, weil er amü­sant und anders ist.