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Seite 4: „Was da für eine Charisma-Bombe im Raum geplatzt ist“

Sie selbst teilten auf Twitter kürz­lich ein Foto von Marco Rose und schrieben, er sei zu hübsch für einen Glad­ba­cher Trainer. Wer wäre denn häss­lich genug?
Das will ich nicht beant­worten! (Lacht.) Aber bei Marco Rose fällt mir schon auf, dass er neben seiner fach­li­chen Kom­pe­tenz viele Fak­toren mit­bringt, die einen modernen Trainer aus­ma­chen.

Was denn?
Ich will jetzt keinen Leit­faden für den per­fekten Trainer unseres Zeit­al­ters erstellen, ich bin ja auch nur ein ein­fa­cher Fan.

Ver­su­chen Sie es!
Na gut, zuerst einmal ist natür­lich der eigene Auf­tritt wichtig. Marcus Thuram hat über Marco Rose gesagt, er fühle sich unter ihm so wohl, weil er wie einer von ihnen wirkt. Die Kla­motten, die er trägt, die Schuhe die er anzieht. So banal das klingen mag, das macht bestimmt schon einen Unter­schied aus bei den jungen Profis.

Was noch?
Gene­relle Emp­fäng­lich­keit für Inter­essen der Spieler. Es ist leider so, dass der durch­schnitt­liche Bun­des­li­ga­profi nach dem Spiel sofort ein Foto von sich in den sozialen Medien hoch­laden wird. Das wirkt nach Nie­der­lagen beson­ders unglück­lich, ist aber schlicht der heu­tigen Zeit geschuldet. Wenn ein Trainer vom alten Schlag“ den dann öffent­lich zur Sau macht, kriegt er dafür meis­tens Lob – ver­prellt aber die Chance, wei­terhin am Mann­schafts­ge­füge teil­zu­haben.

Trainer sollen sich den Trends anpassen?
Natür­lich müssen sie nicht die neusten Sneaker und ver­rückte Insta­gram-Sto­ries parat haben. Aber Hand­lungs­weisen nicht direkt abzu­lehnen, bloß weil sie selbst damit nichts anzu­fangen wissen, reicht oft schon. Am Wich­tigsten ist aber eine andere Eigen­schaft.

Welche denn?
Cha­risma. In der bereits erwähnten Zeit als Volontär wurde bei uns mal der Telekom-Cup aus­ge­tragen. Als ich vor Spiel­be­ginn die Auf­stel­lungen für die Jour­na­listen holen wollte, kamen auf einmal Lucien Favre, Pep Guar­diola und Jürgen Klopp in den vier Qua­drat­meter großen Kopier­raum, wahr­schein­lich um sich noch kurz unbe­merkt zu unter­halten. Was da für eine Cha­risma-Bombe im Raum geplatzt ist, war unglaub­lich!

Nun kann man von einem Trainer schlecht for­dern …
hab mal mehr Cha­risma“, das stimmt. Aber allein lockeres und sym­pa­thi­sches Auf­treten kann einem Verein große Image- und Auf­merk­sam­keits­ge­winne bescheren. Hält Jürgen Klopp eine ein­fache Pres­se­kon­fe­renz ab, würde man ihm doch am liebsten ewig zuschauen.

Das Image ver­bes­sert sich auch, wenn es fuß­bal­le­risch gut läuft.
Das spielt immer noch die größte Rolle, aber einem Typ wie Jürgen Klopp treten die Leute nicht miss­günstig gegen­über. Er ist wahn­sinnig erfolg­reich, sehr wohl­ha­bend und lebt in einer ganz anderen Welt – trotzdem wirkt er so, als ob er nichts lieber täte, als mit jedem Fan dieser Welt in der nächst­besten Eck­kneipe ein Bier zu trinken und über Fuß­ball zu schna­cken. Ver­mut­lich würden die Deut­schen Kloppo sogar zum Bun­des­kanzler wählen. Das fasst sein Erfolgs­re­zept und auch die Pro­bleme der Gesell­schaft ganz gut zusammen.

Natür­lich gehören Fuß­ball und Politik zusammen“

Welche Pro­bleme meinen Sie?
Klingt bescheuert, aber Authen­ti­zität hat heut­zu­tage fast schon einen zu hohen Stel­len­wert erreicht. Es zählt heut­zu­tage oft nicht mehr das was“, son­dern nur noch das wie“. Über­spitzt: Da könnte man fast jemanden umbringen oder beknackte Dinge sagen – solange man dabei authen­tisch, nahbar oder real“ wirkt, wäre es den Leuten egal.

Ver­lieren öffent­liche Per­sonen dadurch ihre Hal­tung?
Ich würde mir wün­schen, dass mehr Men­schen sich öffent­lich­keits­wirksam posi­tio­nieren. Jedoch immer nur drauf­zu­hauen und Fuß­bal­lern vor­zu­halten, warum sie nicht zu Thema X oder Pro­blem Y Stel­lung bezogen haben, wird ihnen nicht gerecht. Das funk­tio­niert ja auch nur, wenn der öffent­liche Raum es zulässt.

Lässt er es inzwi­schen zu?
Er erwei­tert sich mit jedem Spieler, der mit dem Nar­rativ bricht, Fuß­ball und Politik hätten nichts mit­ein­ander zu tun. Natür­lich gehören Fuß­ball und Politik zusammen, der Fuß­ball reprä­sen­tiert immer die Gesell­schaft.

Diesem Vor­wurf sind Sportler häufig aus­ge­setzt, sobald sie sich für Tole­ranz enga­gieren.
Und das zeigt ja schon, aus was für einer Ecke diese Äuße­rungen kommen. Sich für eine offene Gesell­schaft und gegen Ras­sismus zu posi­tio­nieren, ist nicht poli­tisch. Das ist mensch­lich und logisch. Chris­toph Kramer hat in dieser Bezie­hung schon häufig Hal­tung bewiesen, vor allem Leon Goretzkas Aus­sagen gegen Ras­sismus haben mich sehr beein­druckt.

Was war an seinen Äuße­rungen so beson­ders?
Mit ihm hat sich die Spitze des deut­schen Fuß­balls geäu­ßert. Der spielt für Bayern, ist Leis­tungs­träger in der Natio­nal­mann­schaft. Dazu kommt, dass er es ja gar nicht nötigt hatte. Nie­mand hätte nach der Ras­sismus-Debatte gefragt: Warum hat sich Leon Goretzka eigent­lich nicht dazu geäu­ßert?“ Trotzdem hat er sich klar posi­tio­niert. Ver­mut­lich musste er dafür sogar viel Gegen­wind ein­ste­cken, in sein Post­fach hätte ich danach nicht schauen wollen.

Bekommen Sie ähn­liche Anfein­dungen?
Wenn ich mich im Pod­cast gegen die AfD aus­spreche, erhalte ich auch Droh­n­ach­richten oder Belei­di­gungen – aller­dings in einem viel gerin­geren Ausmaß als Per­sonen, die dem tag­täg­lich aus­ge­setzt sind. In Nie­der­sa­chen musste neu­lich ein Bür­ger­meister wegen rechter Hetze zurück­treten. Das zeigt doch, wie ver­giftet das Klima ist. Neben Goretzka gibt es aber auch wei­tere Licht­blicke.

Was meinen Sie?
Das Outing von Thomas Hitzl­sperger zum Bei­spiel. Eigent­lich sollte es normal sein, trotzdem freut es mich unge­mein, dass sich jemand auch im Fuß­ball-Zirkus ohne öffent­li­chen Spieß­ru­ten­lauf outen kann. Ich möchte natür­lich nie­manden dazu drängen, aber hoffe, dass es in Zukunft wei­tere selbst­be­wusste Spieler geben wird, die sich mit dem Rück­halt ihrer Mann­schaft frei ent­falten und aus­leben können.

Glauben Sie, dass Fuß­ball­spieler das inzwi­schen ohne Sorge vor Dis­kri­mi­nie­rung tun können?
Gerade weil der Fuß­ball die Gesell­schaft abbildet, wird es in den Kurven auch immer ein paar homo­phobe Arsch­lö­cher geben. Und genau dann liegt es am Rest des Sta­dions – genau wie sonst in der Gesell­schaft – sich diesen Leuten in den Weg zu stellen. Denen muss man klar ent­ge­gen­rufen: Halt die Fresse, das ist ein Spieler von uns. Völlig egal, wen der liebt.“

Abschlie­ßend: Für den (unwahr­schein­li­chen) Fall, dass Glad­bach nicht Meister werden sollte – wem würden Sie den Titel mehr gönnen: Bayern oder Leipzig?
Dann lieber den Bayern. Die Pro­ble­matik in der Ent­ste­hungs­ge­schichte, Mit­glie­der­si­tua­tion oder Fan­kultur bei Leipzig ist ja bekannt. Dazu ist alles gesagt. Ich emp­finde ein­fach nichts, wenn ich an RB denke. Mir tut das fast schon leid.

RB tut ihnen Leid?
Ja, denn sie spielen ja einen tollen Fuß­ball. Aber das, was ich am Fuß­ball so liebe, das Drum­herum und die Tra­di­tion, bedienen sie nicht. Deren Erfolge erin­nern mich immer an die Kinder, die früher beim Com­pu­ter­spielen gecheated haben: Klar, du hast jetzt gewonnen, du hast gut gespielt – aber Applaus bekommst du dafür von mir nicht. Ich will dich noch nicht mal ärgern. Ich habe ein­fach keine Lust mehr, mit dir zu spielen. Als sie letztes Jahr im Pokal­fi­nale standen, habe ich zum ersten Mal das End­spiel nicht gesehen. Hat mich nicht inter­es­siert. Ich war Grillen. War auch gut.