Beim Drittligisten KFC Uerdingen sind sich Spieler und Vereinsführung uneins, ob sie in Kurzarbeit gehen. Für die meisten Vereine ist diese Form der finanziellen Entlastung allerdings unverzichtbar. Doch was bedeutet Kurzarbeit und welche Handhabe hat ein Verein, wenn sich Spieler querstellen?
Deutschlands Fußballvereine sind im Standby-Modus. Leere Stadien und leere Trainingsplätze allerorts. Die Fußballer halten sich vornehmlich zuhause fit. Gleichzeitig beginnt für viele Vereine der Kampf um die eigene Existenz. Es gilt die wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern. Deshalb haben fast alle Vereine der 3. Liga Kurzarbeit für Spieler und die übrigen Angestellten beantragt. Beim KFC Uerdingen geht dieser Prozess nicht ganz so einvernehmlich vonstatten. Der Disput zwischen Mannschaft und Vereinsführung hatte eine Solidaritätsdebatte ausgelöst – Spieler wurden kritisiert, den Verein nicht angemessen entgegen zu kommen.
Bis mindestens 30. April wird in der 3. Liga kein Ball rollen. Ob dieser Termin allerdings eingehalten werden kann, ist in der kritischen Lage mehr als fraglich. KFC-Geschäftsführer Frank Strüver sprach bereits in der vergangenen Woche über die Auswirkungen des ruhenden Spielbetriebs: „Schon jetzt macht sich die Krise allein durch die fehlenden Einnahmen aus den Spielen gegen Duisburg und 1860 München bemerkbar.“ Obwohl im Schnitt nur gut 3300 Zuschauer die Heimspiele der Uerdinger besuchen, betont Strüver: „Auch wir benötigen die Zuschauereinnahmen. Die Spiele sind fester Bestandteil unserer Jahresplanung.“ Die Aussichten seien nicht rosig.
Trotz einem der höchsten Etats aller Drittligisten, der auch durch den finanzkräftigen Investor Mikhail Ponomarev realisierbar war, betont der Geschäftsführer es sei falsch zu glauben, der KFC habe dank Ponomarev keine finanziellen Probleme. Der Verein reagierte auf die fehlenden Einnahmen, indem er zunächst Kurzarbeit für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle und das Funktionsteam beantragte. Geht es nach dem Willen der Geschäftsführung, soll auch der Profikader in Kurzarbeit gehen und damit nicht mehr den vollen Lohn beziehen, was den Verein zusätzlich entlasten würde.
Bislang haben sich die Spieler aber noch nicht bereit erklärt diesen Weg mitzugehen. „Wir sind verwundert darüber, dass bei den Spielern der Solidaritätsgedanke nicht so ausgeprägt zu sein scheint, wie es europaweit in der gesamten Gesellschaft der Fall ist“, sagt Strüver gegenüber der Rheinischen Post in der vergangenen Woche.
Anders als für viele Bundesligaspieler trifft ein Gehaltsverzicht in der vergleichsweise schlecht bezahlten 3. Liga viele Akteure hart. Trotzdem haben sich fast alle Profikader der 20 Drittligisten bereit erklärt, finanzielle Einbußen zum Wohle des Arbeitgebers in Kauf zu nehmen. Lediglich bei der SpVgg Unterhaching, dem FC Ingolstadt und eben beim KFC Uerdingen werden die Spieler noch voll bezahlt – obwohl aktuell kein Fußball gespielt wird. Bei Waldhof Mannheim sträuben sich hingegen nur zwei Spieler gegen die Kurzarbeit.
Gestern gab der KFC bekannt, man sei in Gesprächen aufeinander zu gekommen und einer Lösung nahe. Kapitän Jan Kirchhoff betont: „Wir als Spieler waren immer bereit, unseren solidarischen Beitrag in dieser Krise zu leisten, haben unsere grundsätzliche Bereitschaft auf Gehaltsverzicht signalisiert. Dabei waren wir auch zu Gesprächen bereit.“ Über die Darstellung in der Presse sei die Mannschaft verwundert und enttäuscht, „da sie unserer Wahrnehmung widersprach.“ Auch Strüver ruderte plötzlich zurück, er habe keine Solidaritätsdebatte ins Rollen bringen wollen. „Wir sind zuversichtlich, dass wir mit den Spielern eine faire, solidarische Lösung gefunden haben“, wird er in einer Pressemitteilung des Vereins zitiert.
Sollten die Spieler des Drittligisten wirklich in Kurzarbeit gehen, gelten für sie als Profifußballer die gängigen Regeln zur Kurzarbeit – zwischen Topverdiener und Normalverdiener wird nicht unterschieden. Interessant für die Fußballprofis, wie natürlich auch für den Ottonormalarbeitnehmer, ist die Höhe des ausbezahlten Kurzarbeitergeldes. Es beträgt 60 oder 67 Prozent des Nettoentgelts. Der Arbeitnehmer muss nur noch die Sozialabgaben übernehmen, während die Agentur für Arbeit für das Kurzarbeitergeld aufkommt. Allerdings ist die Höhe des Geldes gedeckelt: Ab einem Bruttomonatsgehalt von 6.890 Euro steigt das Kurzarbeitergeld nicht mehr.
Das entspricht einem Jahresgehalt von 82.680 Euro. Zum Vergleich: Ein Drittligaspieler verdient laut einer DFB-Jahresbilanz der Spielergehälter im Durchschnitt 9.700 Euro brutto pro Monat oder 116.000 im Jahr. Die finanziellen Einbußen sind im Vergleich zu den Durchschnittsgehältern der 2. Liga (rund 37.500 Euro pro Monat) oder der Bundesliga (rund 111.000 Euro) deshalb überschaubar. Die Zahlen spiegeln dabei den Mittelwert der Gehälter wider. Etwaige Top-Verdiener können den Schnitt nach oben ziehen. Ebenfalls zu berücksichtigen ist das Gehaltsgefälle zwischen den einzelnen Vereinen.
Doch ab wann ist Kurzarbeit im Profifußball eigentlich möglich? Laut dem Landessportbund NRW reiche eine Absage der Spiele nicht aus, um Kurzarbeit zu rechtfertigen. Der Verlust der Arbeitszeit wäre nicht groß genug. Die Spieler sind immer noch vertraglich zum Training verpflichtet. Der Arbeitsausfall könnte mit zusätzlichem Training kompensiert werden.
Entsteht für den Arbeitgeber allerdings ein wirtschaftlicher Schaden aus der Vollbeschäftigung und eine Beschäftigung der Spieler nur im Trainingsbetrieb erweist sich als nicht mehr sinnvoll, sind das triftige Gründe, Kurzarbeit zu beantragen.
Nun ruht aber auch der reguläre Trainingsbetrieb. Spieler sind in vielen Fällen angehalten, sich zuhause fit zu halten. Das ist zunächst völlig rechtens. Die arbeitsvertraglich festgelegten Pflichten gelten auch, wenn der Trainings- und Spielbetrieb ruht. Des Weiteren bedeutet Kurzarbeit nicht gleich keine Arbeit. Mit Training im Homeoffice wird lediglich das Arbeitsvolumen reduziert – deshalb auch die prozentuale Abstufung des Bruttogehalts.
Weigern sich Spieler oder auch Mitarbeiter der Geschäftsstelle in Kurzarbeit zu gehen, habe ein Verein grundsätzlich nur wenig handhabe. Der Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Daniel Hautumm erklärt: „Das Problem besteht darin, dass der Arbeitgeber gezwungen ist, sich das Einverständnis der Arbeitnehmer zu holen.“ Anders sei es nur, wenn die Kurzarbeit in einer Betriebsvereinbarung, einem Tarifvertrag oder im Arbeitsvertrag geregelt sei. Im Fußball ist das allerdings nicht gängig.
Hautumm nennt zwei Möglichkeiten, mit der der Verein Kurzarbeit durchsetzen könnte. „Eine Möglichkeit wäre, eine Änderungskündigung auszusprechen, also das Arbeitsverhältnis zu beenden und den Spielern gleichzeitig einen neuen Vertrag anzubieten. Dieser sähe dann die Anordnung von Kurzarbeit vor.“ Die Hürden seien allerdings hoch. Der Verein müsse darlegen, dass ohne Kurzarbeit die eigene Existenz gefährdet sei.
Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, sich das Einverständnis der Spieler einzuhandeln, „indem man beispielsweise die Zustimmung unter verschiedene Bedienungen setzt, wie eine zeitliche Begrenzung oder einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld“, sagt Hautumm.
Dieser Tage ist der erste Profiverein unter den finanziellen Auswirkungen der Coronakrise zerbrochen. Das Beispiel des slowakischen Tabellenzweitem MSK Zilina zeigt eindringlich, was passieren kann, wenn Spieler nicht auf ihr Gehalt oder einen Teil verzichten wollen. Der slowakische Erstligist und siebenfacher Meister gab gestern bekannt, insolvent zu sein. Hauptgrund seien die Einnahmeverluste durch die abgesagten Spiele und ausbleibende Sommertransfers. Der Verein geriet überdies finanziell in Schieflage, weil sich die Spieler nicht zu Gehaltseinbußen überreden ließen. Sie hatte eine Verhandlung mit der Spielergewerkschaft abwarten wollen. Stattdessen wurden nun 17 Spielern gekündigt.