Heute Abend treffen Borussia Dortmund und Bayern München zum neunten Mal im Supercup aufeinander. Dabei könnten die Ausgangslagen bei den jeweiligen Klubs kaum unterschiedlicher sein. Für Julian Nagelsmann steht die erste richtige Belastungsprobe der jungen Saison an.
„Man stelle sich vor, was er für ein Fußballer wird, wenn er das Entwicklungspotential komplett ausschöpft.“
Damit es nicht so weit kommt, werden die Münchner Erling Haaland besondere Beachtung schenken müssen. Der 21-jährige Norweger überrannte am Samstag beim 5:2‑Auftaktsieg beinahe im Alleingang die Frankfurter Defensive. Immer wieder konnte er nach Umschaltsituationen seine beeindruckende Schnelligkeit und Durchsetzungskraft zur Schau stellen. Am Ende war er sogar an allen fünf Treffern beteiligt. Zwei erzielte er selbst, die anderen drei bereitete er vor. Eintracht-Trainer Oliver Glasner sprach nach der Partie von einer „Links-Rechtskombination“, die man erlitten habe, und auch Verteidiger Stefan Ilsanker zeigte sich nach der Partei von Haaland beeindruckt – auch wenn er selbst vor dem Tor zum 3:1 Leidtragender der Haaland’schen Wucht war: „Wie er sich jetzt noch einmal entwickelt hat, ist einfach Wahnsinn. Für die deutsche Bundesliga ist es ein Glücksfall, dass er geblieben ist und so performt wie heute – leider.“
Marco Rose versuchte hingegen, dem allgemeinen Lobeswellen etwas zu trotzen, indem er auf das Entwicklungspotential verwies: „Man stelle sich vor, was er für ein Fußballer wird, wenn er das komplett ausschöpft.“ Insbesondere die Münchener Innenverteidigung um Dayot Upamecano und Niklas Süle wird heute Abend aber wohl ausreichend damit beschäftigt sein, den Fußballer zu stoppen, der Haaland jetzt schon ist.
Auch Julian Nagelsmann ist sich der besonderen offensiven Qualität der Borussia bewusst. Die große Stärke im Spiel gegen Frankfurt sei vor allem die Tempoverschärfung nach Ballgewinn gewesen. „Da waren jetzt auch nicht 50 Torchancen mit 27 Pässen nach eigenem Ballbesitz herausgespielt. Oft waren es auch einfach Umschaltsituationen.“ Um diese Schnelligkeit auszubremsen, fordert er von seiner Mannschaft deshalb möglichst wenige Ballverluste im eigenen Aufbauspiel und ein effektives Gegenpressing, um den Dortmundern wenig Zeit zu geben, tiefe Bälle zu spielen. Neben der defensiven Stabilität kommt es aber auch auf die Zielstrebigkeit und Chancenverwertung im eigenen Offensivspiel an. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Flügelspielern Serge Gnabry und Leroy Sané. Beide haben, wie alle anderen deutschen Nationalspieler im Münchener Kader und im Gegensatz zu den Dortmunder Schlüsselspielern Reus und Haaland, laut Nagelsmann kein allzu schöne Zeit bei der Europameisterschaft erlebt und laufen ihrer Topform derzeit hinterher.
Wie auch immer das Spiel am heutigen Abend ausgeht, am Ende wird sich der siegreiche Verein, wie Michael Zorc vor über 30 Jahren, diplomatisch und zurückhaltend äußern können. Die Saison hat ja gerade erst begonnen und der Supercup ist zwar der erste Titel der Saison, aber eben auch nur der Supercup. Der gravierende Unterschied ist: Die Dortmunder werden auch nach einer Niederlage mit ansprechender Leistung öffentlich Positives verkünden können. Eine Niederlage wäre für den FC Bayern und für Nagelsmann hingegen schon wesentlich schwieriger zu moderieren und weniger sportlich, aber psychologisch ein erster klarer Rückschlag.