Beim Confed Cup in Brasilien wurde protestiert und der Stand der sozialen Reformen, die Investitionen für das Großereignis und die Reaktion der Sicherheitskräfte im Lande überprüft. Doch abseits der Proteste fand das Turnier auch in den Stadien statt. Und es war gut.
Auf eine verpatzte Generalprobe folgt ja bekanntlich eine gelungene Premiere. Doch was, wenn die Vorbereitung schon alles zu bieten hat? Seit dem euphorischen Erfolg der Selecao am Sonntag in einem sportlich unterhaltsamen Turnier stellt sich die berechtigte Frage, wie es wohl in einem Jahr bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien wird. Der Confed Cup, immer ein wenig wegen seiner mangelnden Bedeutung belächelt, ist vorbei – und nur schwer zu überbieten.
Vor allem für Brasilien, wo er so identitätsstiftend wirkte. Das Land formte sich zunächst zu einem großen Protestmarsch zusammen, muckte gegen Misswirtschaft, Korruption und sogar die Fifa auf. Auch Verkehrs‑, Gesundheits- und Bildungssystem stehen auf dem Prüfstand. Hätte Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff nicht mit einer Rede an die Nation und durch Nichterscheinen beim Finale die Lage beruhigt, wären wohl auch noch Leute gegen Polizeigewalt auf die Straße gegangen. So kamen am Sonntag rund ums Maracana eine Handvoll Polizisten oder Sicherheitsleute auf einen Ultra oder Studenten. Grund für das Abklingen könnte auch das Spiel der Selecao gewesen sein, die sich in den zwei Wochen zum Anführer der brasilianischen Fortschritts-Bewegung aufschwang und ein neues Gemeinschaftsgefühl schürte.
Die Proteste werden wieder aufkochen!
Es ist nicht davon auszugehen, dass die Proteste ewig so weitergehen. Obwohl sich in wenigen Wochen die katholische Anhängerschaft beim Weltjugendtag trifft. Auch da gäbe es ja ein paar Dinge zu ändern. Ansonsten werden die Proteste erst pünktlich vor dem Eröffnungsspiel der Weltmeisterschaft in Sao Paulo im kommenden Jahr wieder aufkochen. Zumal das Turnier auch in Cuiaba und Manaus gespielt wird.
Dort werden auch die Spieler protestieren. Gegen das Klima. Im Landesinneren herrschen eher tropische Temperaturen, dagegen war das Sommermärchen eine abkühlende Erfrischung. Vor allem Manaus wird für großes Hyperventilieren sorgen, sollte Deutschland in dem Amazonasstädtchen spielen, kommt man dorthin von den anderen Spielorten aus doch nur per Flieger. Während sich einige Zuschauer sicher auf eine Abenteuerreise freuen, werden vor allem deutsche Medienvertreter heiße Geschichten stricken. Dass in besagten Orten, wie auch im Nordosten zwischen Fortaleza und Recife Fußball jetzt nicht ganz so verbreitet ist wie im Süden und es nicht zwingend neuer Stadien bedurft hätte, wird dann sicher auch noch mal thematisiert.
Der größte Fremdkörper des Confed Cups
Besucher, die die weiten Wege auf sich nehmen, werden mit einem Blick auf kräftige Geschöpfe moderner Stadionarchitektur belohnt, gelandete Ufos, die nur noch selten eine Verbindung zur Umgebung herstellen. Löbliche Ausnahme ist die Festung Estadio Minerao auf einem Hügel im Stadtteil Pampulha in der Minenstadt Belo Horizonte. Andernorts, etwa in Fortaleza, stehen die Bewohner der Favela Mata Galinha vor den Spielen vor ihren gebrechlichen, aufgerissenen Häusern und haben direkten Blick auf die andere Seite der breiten Einfallstraße Alberto Craveiro, und sehen wohin die Gelder geflossen sind, die für die Verbesserung ihres Lebens fehlt. Das neue Estadio Castelao war wohl der größte Fremdkörper des Confed Cups.
Wobei auch die Arena Pernambuco in Recife ein Kandidat wäre, aus anderen Gründen. Das Problem ist, die Arena Pernambuco in Recife steht im 20 Kilometer entfernten Sao Lourenco da Mate. Eine Kombination aus Bus, Metro und Bus führt die Zuschauer immerhin bis auf Wanderdistanz ans Stadion heran. Wegen des Sicherheitsrings, den die Fifa um jedes Stadion legt, muss der letzte Kilometer meist zu Fuß zurückgelegt werden. Viele Zuschauer schwärmten von Ganztagesausflügen, allein der Rückweg nach Recife dauerte bis zu vier Stunden.
Allerdings wurden die eh schon sehr großzügig angelegten Sicherheitszonen wegen der Proteste noch ausgeweitet – garniert von gut ausgerüstetem Sicherheitspersonal von der Policia Municipal bis zur Forca Nacional. Gut in Form zu sein, ist da nicht nur für die Strände von Vorteil. Zumal die langen Wege dank der Fernsehzuschauer in Europa bei der Weltmeisterschaft oftmals in der prallen Mittagssonne zurückgelegt werden dürfen.
Von allzu spontanen Anreisen sollte man in Brasilien generell absehen und sich auf lange Wege in dem riesigen Land, etwa genauso groß wie Europa, einrichten. Dabei wird das Taxi zum zuverlässigsten, weil flexibelsten Fahrzeug. Die Verkehrsbusse, die sich in Brasilien eher grob nach nirgends sichtbaren Fahrplänen richten, kommen zwar zuverlässig irgendwann, aber dann eben auch nicht durch den dichten und zudem an Spieltagen durch die Proteste blockierten Verkehr.
Der Sound der brasilianischen Stadien gefällt. Im Gegensatz zur WM in Südafrika wird es kein ohrenbetäubendes Hintergrundrauschen bei den Spielen geben. Dabei hatte der Musiker Carlinhos Brown extra die Caxirolas als offizielle Instrumente für die brasilianischen Turniere erfunden. Kurz vor Beginn des Confed Cups wurden sie aber von der Fifa verboten. Nicht wegen nerviger Geräusche, sondern weil Fans von Bahia beim Salvadorer Stadtderby gegen Vitoria feststellten, dass sich die Plasteinstrumente super als Wurfgeschosse eignen. Ersatz wurde noch nicht gefunden. Es gibt einen Kanon von drei landesweit bekannten nationalen Songs, darunter die inbrünstig intonierte Hymne, gerade zu Spielen ohne Beteiligung der Selecao fangen die in den Trikots ihrer Vereine kommenden brasilianischen Fans gerne an, die Hymnen der lokalen Klubs anzustimmen.
Ausbuhen der Spanier
Selbst, wenn aufgrund der nicht gerade billigen Tickets nur ein gut situierter Teil der Gesellschaft in die Stadien strömt, ist der dank brasilianischer Pässe fußballverrückt genug, um ein äußerst fachkundiges Publikum zu bilden. Allerdings auch ein ungeduldiges, das unterhalten werden möchte. Die Begeisterung für Übersteiger und Hackentricks und somit auch für ihren Superstar Neymar lässt sich so erklären, das Ausbuhen der dauerballbesitzenden Spanier. Und ja, in Brasilien wird wirklich gebuht, nicht gepfiffen. Auftritte der Selecao ausgenommen, schmeißen sich die gastfreundlichen Brasilianer aber auch liebend gerne auf die Seite der Außenseiter. Nicht umsonst wurde Tahiti zum gefeierten Export Ozeaniens seit Wynton Rufer.
Überhaupt war der Fußball der große Gewinner. Wo unbedeutende Turniere gespielt werden, gewinnen nichts zu verlieren habende Mannschaften auf einmal wieder eine Freude am Fußball, die ansteckend wirkt. Nicht nur dank Tahiti, das erfolgreich aufopferungsvoll um einen eigenen Treffer kämpfte, war es ein offensives Turnier mit sehenswerten Treffern und engagiertem Fußball. Auf einmal sah sogar Neymar Junior aus wie dieser Typ aus all den Youtube-Videos.
Werbung in eigener Sache
Ein besonderes Raunen ging beim Confed Cup nicht nur bei dessen Übersteigern, Hackentricks, Traumtoren und Theatereinlagen durchs Rund, sondern auch stets eine viertel Stunde vor Schluss. Dann stellten die Zuschauer fest, dass kein Bier mehr verkauft wird. Obwohl, bei Ligaspielen gibt es in Brasilien gar kein Bier mehr. Insofern ist nicht alles, was die Fifa befiehlt, zwingend schlecht. Auch der Confed Cup hat zwei Wochen lang Werbung in eigener Sache gemacht. Und die Weltmeisterschaft nun gehörig unter Zugzwang gebracht.