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Dieses Inter­view erschien erst­mals im Mai 2012 in 11FREUNDE #126. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhält­lich.

Jürgen Gra­bowski, wir haben Ihnen etwas mit­ge­bracht: Erkennen Sie das Auto auf diesem Foto?
Natür­lich. Ein Opel Bitter, benannt nach dem Renn­fahrer Erich Bitter. Wun­der­schön, oder?

Bernd Höl­zen­bein hat gesagt, diesen Wagen seien in den sieb­ziger Jahren nur er, Paul Breitner und Sie gefahren.
Das stimmt. Meiner war sil­ber­grau, der Holz“ hatte einen in hell­grün-metallic. Den wäre ich sicher­lich nicht gefahren.

Wieso?
Hell­grün-metallic? Mir muss gefallen, was ich sehe und das ist nicht meine Farbe. Nichts gegen den Wagen vom Holz, aber manche Men­schen kaufen sich ein Auto und freuen sich, wenn es fährt. Bei mir muss auch die Optik stimmen.

Sie sind ein Ästhet.
Ich weiß schon, worauf Sie hinaus wollen. Der Tech­niker Gra­bowski, der den Ball lieber strei­chelte, als blind nach vorne zu bolzen. Aber ich sage Ihnen mal was: 15 Jahre lang war ich Profi und in diesen 15 Jahren hatte ich in jedem Spiel einen Son­der­be­wa­cher. Das bedeu­tete 90 Minuten lang Horst-Dieter Höttges, Berti Vogts und all die anderen Experten in Atem­nähe. Wenn ich ver­sucht hätte, solche Spieler nur mit schönem Spiel zu bekämpfen, wäre meine Zeit als Profi schneller vorbei gewesen, als Sie Opel Bitter“ sagen können.

Trotzdem bringt man Sie heute eher mit ele­ganten Außen­rist­pässen und schnellen Dribb­lings in Ver­bin­dung. Stört Sie dieses Image etwa?
Ganz und gar nicht. Diese tollen Dop­pel­pässe oder die raf­fi­nierten Flanken in den Lauf habe ich ja geliebt. Die Zuschauer in Frank­furt haben solche Sachen auch von mir erwartet. Wenn Gra­bowski auf dem Platz stand, hatte er auch so zu spielen. Aller­dings hatte ich das große Glück ganz am Anfang meiner Kar­riere einen Trainer zu haben, der meine Spiel­weise bedin­gungslos unter­stützte.

Sie wech­selten 1965 vom FV Bie­brich zu Ein­tracht Frank­furt.
Trainer dort war Elek Schwartz, ein Ungar, der zuvor Euse­bios Ben­fica Lis­sabon ins Euro­pa­po­kal­fi­nale geführt hatte. (Ben­fica unterlag 1965 Inter Mai­land mit 0:1, d. Red.). Schwartz liebte den tech­nisch guten Fuß­ball, und obwohl ich gerade erst vom Ama­teur­verein Bie­brich 02 zur Ein­tracht gewech­selt war, war ich bei ihm von Anfang an gesetzt.

Welche Methoden hatte Schwartz, um Ihnen das nötige Selbst­ver­trauen ein­zu­flößen?
Er hat mich stark geredet. Noch vor Sai­son­be­ginn stellte er sich vor die Presse und sagte: Der Junge ist in einem Jahr Natio­nal­spieler!“ Die Jour­na­listen haben ihn für ver­rückt erklärt. Aber ich hatte die ganz breite Brust. Gleich im ersten Spiel gegen den HSV gewannen wir mit 2:0 und ich fei­erte gegen den gefürch­teten Jürgen Kurb­juhn ein anstän­diges Debüt. Acht Monate später war ich Natio­nal­spieler.

Wie groß war die Gefahr, bei dieser rasanten Ent­wick­lung den Boden unter den Füßen zu ver­lieren?
Sehr gering. Ein Bei­spiel: Im Sep­tember 1968 spielten wir vor 60 000 Zuschauern zu Hause gegen Bayern Mün­chen. Für das 1:1‑Unentschieden gab es pro Spieler 125 DM Prämie. Brutto. Ich genoss zwar das Pri­vileg vor Zehn­tau­senden zu spielen, aber reich wurde ich dadurch nicht, was die Chancen des Abhe­bens“ deut­lich ver­rin­gerte.

War Elek Schwartz der wich­tigste Trainer Ihrer Kar­riere?
Sicher­lich einer der wich­tigsten. Neben ihm, Erich Rib­beck, Diet­rich Weise, Hans-Dieter Roos, Dettmar Cramer, Otto Knefler und Friedel Rausch, war Gyula Lorant aber ein ganz beson­ders wich­tiger.

Warum?
Lorant blieb nur ein Jahr bei uns in Frank­furt. Aber was er in der Saison 1976/77 geleistet hat, sollte man hier nie ver­gessen. Als er kam, standen wir auf Platz 16. Am Ende wurden wir Vierter, nur zwei Punkte von der Tabel­len­spitze ent­fernt. 22 Spiele in Folge haben wir mit ihm nicht ver­loren! 

Wie hat er das gemacht?
Gyula war ein­fach anders. Vor einem Aus­wärts­spiel gegen Schalke, sagte er der Gel­sen­kir­chener Presse, dass ich so gut sei, wie Johan Cruyff. Nicht nur mich, auch die anderen Platz­hir­sche hat er sofort bei­seite genommen und ihnen zu erkennen gegeben, wie sehr er ihre Fähig­keiten schätzte. Nebenbei: Ich machte gegen Schalke ein über­ra­gendes Spiel. Außerdem hatte er ver­rückte Methoden, um uns vor den Spielen zu moti­vieren.

Zum Bei­spiel? 
Vor jedem Spiel, hat unser Zeug­wart Anton Hübler vor der Kabine eine kleine Bank auf­ge­baut. Dort standen Tassen, gefüllt mit Mokka und Espresso, dazu Teller mit Plätz­chen. Es waren nur noch wenige Minuten bis zum Anpfiff, wir hörten schon die Alu­st­ollen der geg­ne­ri­schen Mann­schaft im Spie­ler­tunnel kla­ckern. Hoch moti­viert stie­felten sie uns ent­gegen und sahen, wie wir see­len­ruhig unseren Kaffee schlürften. Auch dank dieser Moti­va­ti­ons­me­thode blieben wir 22 Spiele in Folge unge­schlagen.

Über Lorant haben Sie mal gesagt: Der hat mir Sachen bei­gebracht, die ich noch nicht kannte.“. Dabei waren Sie bei seinem Amts­an­tritt bereits 32 Jahre alt.
Ich ver­fügte über eine recht ordent­liche Schuss­technik, aber Guyla nahm mir beim ersten Trai­ning den Ball aus der Hand, legte ihn sich zurecht, zeigte auf das Sechseck in der Mitte des Leders und sagte: Musst du gucken auf den Fleck von Ball. Siehst du? Zwei Meter Anlauf, nicht mehr!“ Wir haben das zunächst belä­chelt, doch gleich mein erster Ver­such lan­dete im Winkel. In einem Spiel gegen Pader­born haute ich dann einen Frei­stoß mit dieser Technik aus 30 Metern unter die Latte. 

Zwei Meter Anlauf, das war das Geheimnis?
Ja, nicht mehr als zwei Meter Anlauf und Voll­spann drauf. Gyula hat das natür­lich auch sen­sa­tio­nell ver­kauft. Wenn im Trai­ning von drei Ver­su­chen ein Schuss mit seiner Technik unter die Latte krachte, rief: Siehst du, habe ich gesagt!“ Viel­leicht war auch ein­fach viel Zufall dabei, aber ich hatte natür­lich großen Respekt vor dem Fach­wissen meines neuen Trai­ners. 

Lorant galt als großer Tak­tik­ex­perte. Hat er sie das spüren lassen?
In der ersten Sit­zung mussten wir uns alle vor eine Tafel hocken, er schrieb mit Kreide unsere Namen auf und dann ging die Post ab. Du hier, du hier, er da lang, du hier lang!“ Am Ende hat man die Tafel vor lauter Krei­de­stri­chen nicht mehr erkannt. Ein Kunst­werk! Unsere Offi­zi­ellen starrten sich ungläubig an und ver­standen die Welt nicht mehr. 

Und die Spieler?
Wir hatten unsere Zweifel. Auch, als er uns die Anwei­sung gab, nicht mehr unseren Gegen­spie­lern über das gesamte Feld nach­zu­jagen, son­dern an die nächsten Mit­spieler zu über­geben. Quasi eine erste Form der Raum­de­ckung, damals eine Revo­lu­tion. Doch es funk­tio­nierte wie geschmiert! Geg­ne­ri­sche Stürmer, die an uns vor­bei­zogen, ver­ab­schie­deten wir mit den Worten Tschüss, mach´s gut!“, weil wir uns sicher sein konnten, dass der nächste auf sie war­tete.

Schon im November 1977 tauschte Gyula Lorant seinen Arbeits­platz mit Dettmar Cramer. Sie pro­tes­tierten gegen diese Ent­schei­dung und legten sich mit der Frank­furter Ver­eins­füh­rung an. Warum?
Ich war zu 100 Pro­zent von Gyula über­zeugt, des­halb wollte ich seinen Wechsel ver­hin­dern. Ich habe mich sehr weit aus dem Fenster gelehnt und viel ris­kiert.

Sie sollen unter anderem von einer Dis­qua­li­fi­zie­rung des Ein­tracht-Prä­si­diums“ gespro­chen haben.
Solch ein revo­lu­tio­näres Ver­halten kannten die Ent­scheider in der Bun­des­liga nicht. Doch zwi­schen der Ein­tracht und Lorant war zu viel Por­zellan zer­schlagen, Gyula ging nach Mün­chen.

Zu diesem Zeit­punkt hatten Sie als Natio­nal­spieler bereits an drei Welt­meis­ter­schaften teil­ge­nommen: 1966, 1970 und 1974. Wel­ches Tur­nier war das schönste?
Die WM in Mexiko. 

Obwohl Sie dort nicht Stamm­spieler waren? 
Die Kon­kur­renz war 1970 so groß, dass es mir sehr schwer fiel, mich über meine Situa­tion zu beklagen. Mein ärgster Wider­sa­cher auf der Rechts­außen-Posi­tion war Stan Libuda, ein sen­sa­tio­neller Fuß­baller. Doch nur einer von uns konnte spielen. Er oder ich, so hatte es Helmut Schön nun einmal aus­ge­geben. 

Wie haben Sie sich mit Libuda ver­standen?
Ganz aus­ge­zeichnet. Wir teilten uns wäh­rend der WM sogar ein Zimmer. Wenn wir abends in unseren Betten lagen, spra­chen wir ganz offen über die Kon­kur­renz­si­tua­tion. 

Das klingt sehr nett, wäre aus heu­tiger Sicht aller­dings kaum vor­stellbar.
Alles hängt davon ab, ob man seinen Mit­spieler respek­tiert oder nicht. Ich spreche noch heute voller Hoch­ach­tung von Stan Libuda, weil ich ein großer Fan seiner Fuß­ball­kunst war. Ihm ging es wahr­schein­lich genauso. Wir waren Brüder im Geiste, Kon­kur­renten auf dem Fuß­ball­platz.

Wie würden Sie Libuda beschreiben? Über seinen Cha­rakter weiß man bis heute wenig.
Stan war ein her­aus­ra­gender Fuß­baller, neben dem Platz aller­dings sehr intro­ver­tiert. Was viele nicht wissen: Er war auch ein ziem­li­cher Spaß­vogel. In Mexiko konnten wir damals die Uhr danach stellen, dass sich Helmut Haller und Stan nach dem Trai­ning ein Duell mit dem Was­ser­schlauch lie­fern würden. Das zeigt die dama­lige Stim­mung im Team: Sowohl Helmut, als auch Stan waren bei Helmut Schön nicht gesetzt und hatten trotzdem ihren Spaß. 

Beim Vier­tel­fi­nale gegen Eng­land wurden Sie beim Stand von 0:2 für Libuda ein­ge­wech­selt, Deutsch­land gewann bekannt­lich noch mit 3:2. Die inter­na­tio­nale Presse nannte Sie fortan den besten Ein­wech­sel­spieler der Welt“. 
Ich weiß immer noch nicht so recht, ob ich mich über diesen Titel freuen soll. Natür­lich habe ich von diesem Ruf pro­fi­tiert, mein Name war damit ja welt­be­kannt. Ande­rer­seits war ich mein Leben lang Stamm­spieler, nur in der Natio­nal­mann­schaft kam ich paar Mal von der Ersatz­bank. Ein schwie­riges Image für jemanden, der bei Ein­tracht Frank­furt die Kapi­täns­binde trug und 441 Mal von Anfang an spielte ohne einmal aus­ge­wech­selt zu werden. 

Dafür brachte Ihnen Ihr neues Image nach der WM ein Mil­lionen-Angebot von Feye­noord Rot­terdam ein. Warum sind Sie bei der Ein­tracht geblieben?
So kon­kret, wie es die Bou­le­vard­zei­tungen damals behauptet haben, war das Angebot der Nie­der­länder gar nicht. Viel weiter war ich da zwei Jahre zuvor mit dem FC Bayern.

Wie bitte?
Die Bayern wollten mich unbe­dingt haben. Ich werde nie die Szene ver­gessen, wie Bayern-Manager Robert Schwan mit unserem Prä­si­denten Rudi Gram­lich tele­fo­nierte, wäh­rend ich im Vor­zimmer des Prä­si­diums auf die Ent­schei­dung warten musste. Schwan machte ihm ein Angebot, das er offenbar ablehnen konnte, also blieb ich in Frank­furt. Wenn Gram­lich sein Okay gegeben hätte, wäre ich ver­mut­lich Rich­tung Mün­chen gewech­selt.

In Mün­chen fei­erten Sie 1974 den größten Erfolg Ihrer Kar­riere. Kit­schige Frage: Wie fühlt es sich an, Welt­meister zu sein?
Der Moment, wenn der Schieds­richter das Spiel abpfeift, ist ein­fach unglaub­lich. Aus sport­li­cher Sicht ist dieses Gefühl mit nichts auf der Welt zu ver­glei­chen. 1954 stand ich als kleiner Junge inmitten einer Men­schen­traube vor dem Schau­fenster eines Fern­seh­ge­schäfts in meiner Hei­mat­stadt Bie­brich und bewun­derte die Helden von Bern. Als ich dann 20 Jahre später selbst Welt­meister wurde, dachte ich für einen kurzen Moment: Jetzt gehört dir die Welt! 

Warum haben Sie dann nicht diese Welt­meis­ter­schaft genannt, als es um das schönste Tur­nier Ihrer Kar­riere ging?
Dafür ist 1974 zu viel pas­siert. In allen drei Grup­pen­spielen stand ich auf dem Platz, doch nach dem, zuge­geben schlechten, Spiel gegen die DDR, strich mich Helmut Schön aus dem Kader. Gegen Jugo­sla­wien saß ich auf der Tri­büne, da brach für mich eine Welt zusammen. Das hat mich sehr ver­letzt. Sogar mehr, als ich es damals für mög­lich gehalten hätte.

Im darauf fol­genden Spiel gegen Schweden wurden Sie nach 63 Minuten ein­ge­wech­selt.
Da hatte sich der liebe Gott offenbar gedacht: Dem Gra­bowski greife ich mal unter die Arme. Elf Minuten später erzielte ich das 3:2, das schönste Tor meiner Kar­riere! Der Moment, wo ich dachte: Grabi, jetzt hast du es allen gezeigt. Wir gewannen mit 4:2 und ich gehörte wieder zur Mann­schaft. Gegen Polen und im End­spiel gegen die Nie­der­lande stand ich von Beginn an auf dem Rasen. 

Nach der Welt­meis­ter­schaft gaben Sie völlig über­ra­schend bekannt, nie wieder für die Natio­nal­mann­schaft spielen zu wollen. Warum?
Als ich gegen Jugo­sla­wien auf der Tri­büne hockte, dachte ich erst­mals über einen mög­li­chen Rück­tritt nach. Dieses Spiel hat mich richtig fertig gemacht. Das war das Schlimmste, was mir wäh­rend dieser WM hätte pas­sieren können.

Eine ein­zige Nicht­no­mi­nie­rung hat dafür gesorgt, dass Sie Ihre inter­na­tio­nale Kar­riere an den Nagel hängten?
Hinzu kam, dass ich, wie gesagt, eigent­lich auf der Spiel­ma­cher-Posi­tion zu Hause war, in der Natio­nalelf auf­grund des Über­an­ge­bots aber immer auf die rechte Seite aus­wei­chen musste. 

Warum eigent­lich?
Schön setzte im Zweifel auf Wolf­gang Ove­rath oder Günter Netzer. Und die Rolle des Spiel­ma­chers wurde damals noch anders inter­pre­tiert. Ove­rath ist richtig sauer geworden, wenn er bei einem Angriff seiner Mann­schaft nicht als Erster den Ball bekam. So wie ich in Frank­furt. Ich musste in der Natio­nal­mann­schaft an der Außen­linie kleben und durfte das Spiel nicht eng machen. Was pas­siert wäre, wenn ich in die Mitte gewech­selt wäre. Ich habe für Deutsch­land nie auf der Posi­tion spielen können, auf der ich am stärksten war. 

Sie waren belei­digt?
Ja, ich fühlte mich in meiner Eitel­keit ver­letzt. Im Spiel gegen die DDR war ich ja nicht der ein­zige Spieler, der eine schlechte Leis­tung geboten hatte. Doch man suchte einen Sün­den­bock und fand mich. Später habe ich durch die Presse erfahren müssen, dass sich einige meiner Mit­spieler für meine Aus­boo­tung stark gemacht hatten. Natür­lich war ich sauer.

Sie waren 30 Jahre alt und drei­fa­cher WM-Teil­nehmer, als Sie die inter­na­tio­nale Kar­riere been­deten. Kurio­ser­weise star­teten Sie dann erst richtig durch.
Ver­rückt, oder? Die letzten sechs Jahre meiner Lauf­bahn waren auch meine besten. Vier Jahre nach meinem Abschied wollte mich Helmut Schön vor der WM 1978 sogar unbe­dingt zurück­holen. Als Spiel­ma­cher. Aber ich sagte ihm ab.

Warum? 
Ich hatte eine Ent­schei­dung getroffen und bei der wollte ich bleiben. Ich fuhr trotzdem nach Argen­ti­nien, als Reporter für die Frank­furter Nacht­aus­gabe“. 

Wie haben Sie das aus­ge­halten: Auf der Tri­büne zu sitzen, wäh­rend unten eine Mann­schaft spielt, die Sie eigent­lich hätten anführen sollen?
Das waren schlimme Wochen. Ich saß da oben zwi­schen all den Zuschauern und dachte mir: Warum stehst du nicht da unten auf dem Platz und spielst Fuß­ball? Wie blöd bist du eigent­lich? Ich hatte es ja als eine Ehre emp­funden, mit 34 Jahren noch einmal vom Bun­des­trainer ein­ge­laden zu werden. 

Haben Sie Ihre Ent­schei­dung jemals bereut?
Nein.

Warum nicht?
Das würde doch alles nur schlimmer machen. Natür­lich habe ich mir durch meine Ent­schei­dung einige Län­der­spiele, eine Euro­pa­meis­ter­schaft und eine Welt­meis­ter­schaft ver­baut. Ich habe mich nie ganz wohl mit diesem Ent­schluss gefühlt. Noch heute weiß ich nicht, ob es richtig war.

Anders gefragt: Würden Sie heute genauso han­deln?
Ver­mut­lich schon. Ich fühlte mich unge­recht behan­delt, was für mich Grund genug war nach reif­li­cher Über­le­gung der Natio­nal­mann­schaft ade zu sagen. 

Am 15. März 1980 ver­letzten Sie sich beim Spiel gegen Borussia Mön­chen­glad­bach in einem Zwei­kampf mit Lothar Mat­thäus so schwer, dass Sie die Saison abrupt beenden mussten und nicht beim UEFA-Cup-End­spiel mit­wirken konnten. 2008 hat Mat­thäus dem Wies­ba­dener Tag­blatt“ gesagt: Viel­leicht hatte er (Gra­bowski) damals eine gute Ver­si­che­rung abge­schlossen. Bei einer sol­chen Ver­let­zung muss man ganz sicher keine Kar­riere auf­geben.“ 
Ich habe nach der Ver­let­zung im Mit­telfuß täg­lich über Wochen alles ver­sucht, um wieder fit zu werden. Drei- bis viermal die Woche kam eine Kran­ken­gym­nastin ins Haus und ver­suchte mich fit zu kriegen. Die Ver­let­zung war so hart­nä­ckig, dass alle Anstren­gungen umsonst waren, der Traum vom UEFA-Cup-End­spiel war aus­ge­träumt. Da ich ohnehin am Ende der Saison meine Fuß­ball­schuhe an den Nagel hängen wollte, habe ich meine Inva­li­di­täts­ver­si­che­rung nicht in Anspruch genommen und dum­mer­weise auf viel Geld ver­zichtet. Immerhin habe ich im November, ein halbes Jahr danach, mein Abschieds­spiel machen können – voll­ge­pumpt mit Spritzen und Schmerz­ta­bletten. 

Haben Sie den UEFA-Cup-Sieg 1980 trotzdem genießen können?
Ich freute mich riesig. Für den Verein, die tollen Zuschauer, meine Kol­legen. Aber für mich per­sön­lich waren die Final­spiele reinste Folter. Eine Kata­strophe. Da steht deine Mann­schaft im End­spiel und du sitzt auf der Tri­büne, weil die Schmerzen in deinem ver­letzten Fuß ein­fach nicht auf­hören wollen. Das ist nicht gerecht.