Der Iran hat politisch einen miesen Ruf, dafür gibt es gute Gründe. Doch sein Nationalteam sammelt bei der WM einen Sympathiepunkt nach dem anderen.
Der Brief war im besten Sinne ergreifend. Und er war an St.-Pauli-Profi Aziz Bouhaddouz gerichtet, jenen tragischen Eigentorschützen bei Marokkos 0:1‑Niederlage gegen den Iran.
„Ich kenne dich nicht persönlich“, schrieb Irans Torjäger Reza Ghoochannejhad vom SC Heerenveen auf seinem Instagram-Profil, „aber im Leben gewinnst du manchmal, und manchmal verlierst du. Lass dich von diesem Eigentor nicht unterkriegen. Ich freue mich über unseren Sieg, aber ich wollte dir auch alles Gute für deine Laufbahn wünschen! Reza.“
Der Inbegriff des Bösen
Wir lesen und wir hören es jeden Tag: Illegale Atomwaffenpläne, heimliche Terror-Netzwerke und eine unheimliche Art der Rechtsprechung – bis hin zu öffentlichen Hinrichtungen. Der Iran, als Staat, ist für viele der Inbegriff des Bösen. Dafür gibt es durchaus Gründe.
Was die politischen Machthaber und die religiösen Mullahs in diesem Land treiben, passt nämlich gar nicht nicht in unser Bild von der modernen, humanen Zivilgesellschaft. Und der Gedanke, dass solche Leute früher oder später in den Besitz der „Bombe“ gelangen könnten, ist alles andere als beruhigend.
Eine süße Geste des Friedens
Umso schöner, dass Reza Ghoochannejhad und seine Mannschaftskameraden bei der Weltmeisterschaft alles tun, um unser Bild von den Menschen im Iran zu korrigieren. Noch schöner ist, dass sie das offenbar nicht auf Geheiß ihrer totalitären Regierung tun.
Während es zwischen der Islamischen Republik Iran und dem Königreich Marokko derzeit nicht einmal diplomatische Beziehungen gibt, überreichten die iranischen Spieler jedem Gegner vor dem Spiel ein kleines Päckchen mit Naschwerk. Anlass war das islamische Zuckerfest, mit dem Muslime traditionell das Ende des Fastenmonats Ramadan begehen. Eine süße und vor allem große Geste des Friedens.
Kindliche Freude
Überhaupt präsentieren sich die iranischen Nationalspieler bei der WM bislang als allerbeste Botschafter ihres Landes – nicht unbedingt fußballerisch, aber menschlich. Dazu passte auch die kindliche Freude, mit der das Team den zweiten WM-Sieg in der Geschichte des Landes (der erste war ein 2:1 über die USA, 1998 in Frankreich) feierte.
Einige Profis wickelten sich in ihre Nationalflagge ein, Torhüter Ali Beiranvand schulterte seinen Kollegen Mohammad Khanzadeh, während Rechtsverteidiger Ramin Rezaeian ein Gebet zelebrierte und Mehdi Taromi ein paar Tränen verdrückte. Am Ende warf die Mannschaft ihren portugiesischen Nationaltrainer Carlos Queiroz in die St. Petersburger Luft. Es waren Bilder wie nach einem Jugendturnier.