Diskriminierungen sind im englischen Fußball trauriger Alltag. Wer sich dagegen wehrt, muss mit Übergriffen rechnen. Ein Besuch bei Fans von Clapton FC und Charlton Athletic.
Über den Grund für den Angriff in Thamesmead muss man nicht lange spekulieren: Die „Scaffold Brigada“ positioniert sich offensiv gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus – auf Bannern, Aufnähern und Stickern der Gruppe prangt häufig das Logo der „East London Antifa“. Ihre Mitglieder sammeln Geld und Nahrungsmittel für soziale Projekte im Viertel, aktuell vor allem für mittellose Flüchtlinge.
Auch deswegen gehen immer mehr Fans zu den Spielen des Clapton FC: Die Mitglieder der „Scaffold Brigada“ wollen Zeichen setzen. Einerseits gegen die zu teuren Eintrittskarten für Spiele im englischen Profifußball – viele waren oder sind immer noch Fans großer Vereine, können oder wollen aber nicht 60 Pfund oder mehr ausgeben, um Zugang zu einer modernen Arena zu haben, in der Ordner einen zur Vernunft ermahnen, wenn man es wagt, Emotionen zu zeigen. Steve ist zum Beispiel Fan des nur wenige Kilometer von Forest Gate entfernten Vereins West Ham United; ins Stadion geht er höchstes einmal im Jahr.
Die Premier League präsentiert sich sauber poliert
Andererseits wollen sich die Ultras gegen Diskriminierung in all ihren Spielarten positionieren. Denn auch in englischen Fußballstadien halten sich hartnäckig verkrustete Denkweisen – trotz aller Versuche der Football Association, zumindest die oberen Vorzeigeligen nach außen hin sauber poliert zu präsentieren.
Tommaso, Steve und die anderen leeren mit großen Schlücken ihre Gläser. Eine halbe Stunde bis zum Anstoß. Zeit, zum Stadion zu gehen. Vom Pub aus sind es etwa 15 Minuten Fußweg bis zum Old Spotted Dog Ground, vorbei an den Imbissen und Ramschläden – hier trägt der Clapton FC seit 1888 seine Heimspiele aus. Heute Abend ist Eton Manor zum ersten Heimspiel der neuen Saison zu Gast.
Sechs Pfund statt 60 Pfund
Vor dem Kassenhäuschen warten etwa 15 Menschen. Der Eintritt kostet sechs Pfund, der Kassierer kennt viele Gäste persönlich. Während die letzten Besucher ihren Eintritt bezahlen, fängt sich der Schall der ersten Gesänge der „Scaffold Brigada“ in den Mauern der umstehenden Häuser.
Das Niveau des Spiels ist nicht hoch, die Gangart ruppig, aber nicht unfair – neunte Liga eben, „erwarte nicht zu viel“. Hinter den Trainerbänken haben die Ultras aus Gerüststangen und Wellblech eine überdachte Stehplatztribüne gebaut, etwa so groß wie drei Garagen. Die Bausubstanz war gleichzeitig Inspiration für den Namen der Gruppe – „Scaffold“ bedeutet auf Deutsch Gerüst. Darauf und daneben stehen die Fans, heute sind etwa 300 gekommen, singen und trinken Bier. An der gegenüberliegenden Seitenauslinie steht eine kleinere Sitzplatztribüne für Gäste. Zur Melodie von Desmond Dekkers „The Israelites“ singt die „Scaffold Brigada“ „The Claptonites“. An dem hüfthohen Zaun, der sie vom Spielfeld trennt, haben sie Banner angebracht, die an vergleichbare Exemplare auf St. Pauli erinnern: „Forza Clapton!“