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Seite 2: Typischer Spätentwickler

Lato war also ein typi­scher Spät­ent­wickler, wie auch Robert Lewan­dowski, der im Jugend­alter eben­falls nie in eine Aus­wahl­mann­schaft berufen wurde. Es ist nicht die ein­zige Gemein­sam­keit dieser beiden Ikonen des pol­ni­schen Fuß­balls. So wurden sie beide früh zum Halb­waisen. Lato war erst neun, als sein Vater bei der Arbeit auf einer Öllache aus­rutschte und sich schwere Kopf­ver­let­zungen zuzog. Er starb mit nur 37 Jahren bei der Not-OP. Ver­mut­lich brauchte sein jüngster Sohn lange, um das zu ver­ar­beiten und unbe­schwert Fuß­ball spielen zu können. So been­dete Grze­gorz ganz normal die Schule und nahm dann einen Job in der Fabrik an. Nur fünf Jahre, bevor er Tor­schüt­zen­könig der WM wurde, baute Lato Über­tra­gungs­wagen für das pol­ni­sche Fern­sehen zusammen.

Doch nicht lange. Im Sommer 1969 stieg Stal Mielec dank seiner her­vor­ra­genden Jugend­ar­beit in die erste Liga auf, und nun wurden beim Klub quasi-pro­fes­sio­nelle Bedin­gungen ein­ge­führt. Lato war zwar offi­ziell weiter bei der Fabrik ange­stellt, ver­brachte seine Tage aber nur noch auf dem Fuß­ball­platz. Damit begann das Wunder von Mielec – und das große Jahr­zehnt des pol­ni­schen Fuß­balls, dem das Schicksal das schenkte, was man im Sport gerne eine Gol­dene Gene­ra­tion nennt.

Noch varia­bler als die Hol­länder

Ein halbes Jahr­hun­dert später wurden in einer War­schauer Kneipe Salz- und Pfef­fer­streuer auf dem Tisch hin- und her­ge­schoben, damit Marek und Jacek ihrem deut­schen Gast erklären konnten, was die pol­ni­sche Natio­nalelf der Sieb­ziger so außer­ge­wöhn­lich machte. Auf den ersten Blick war ihre 4 – 3‑3-Grund­ord­nung der hol­län­di­schen und west­deut­schen sehr ähn­lich. Vorne rechts spielte Lato, links Robert Gadocha, zen­tral stürmte der brand­ge­fähr­liche Andrzej Szar­mach, der aller­dings bei der WM über­haupt nur spielte, weil sich Polens bester Angreifer, Wlod­zi­mierz Lub­anski, das Kreuz­band gerissen hatte. Hinter diesem Trio zog der begna­dete Spiel­ma­cher Kazi­mierz Deyna die Fäden.

Doch wo diese vier auf­tauchten, dass wusste nie­mand vorher. Offensiv waren die Polen noch varia­bler als die Hol­länder mit ihrem Totalen Fuß­ball“. Der beim DFB ange­stellte Trainer Karl-Heinz Hed­der­gott schrieb in seiner Ana­lyse der WM 1974: Die Impulse gingen mal von Deyna, mal von [Henryk] Kas­per­czak oder von [Zyg­munt] Maszczyk aus, aber auch Gadocha oder Szar­mach erschienen im Mit­tel­feld. Es gab nicht den Diri­genten, son­dern jeder konnte im Mit­tel­feld die Füh­rung über­nehmen und jeder war bereit, zu laufen und geführt zu werden.“

Unter dem legen­dären Trainer Kazi­mierz Górski hatte der Kern dieser Mann­schaft schon bei den Olym­pi­schen Spielen 1972 in Mün­chen für Auf­sehen gesorgt und über­ra­schend die Gold­me­daille gewonnen. Doch in den nur zwei Jahren, die seitdem ver­gangen waren, war den Polen noch mal ein Schritt nach vorn gelungen, und das lag nicht zuletzt am Pro­vinz­verein Stal Mielec. Der wurde 1973 sen­sa­tio­nell Meister, mit dem tollen Trio Lato, Kas­per­czak und Jan Dom­arski. Nur vier Monate, nachdem sie Stal zum ersten Titel der Klub­ge­schichte geschossen hatten, waren sie für einen Treffer ver­ant­wort­lich, der als wich­tigstes Tor der pol­ni­schen Fuß­ball­ge­schichte gilt.