Zum Jahresausklang erinnern sich 11FREUNDE-Redakteure an ihren Moment des Jahres. Den Anfang macht Alex Raack, der sich sehr über Viktor Skripnik freute.
Meinem Verein geht es scheiße. Er wird in dieser Saison auf einem Abstiegsplatz überwintern, hat keine Kohle mehr, einen Trikotsponsor, dessen Mitarbeiter Weihnachtsgänse mit Mistgabeln massakrieren und viele Spieler, die vor fünf Jahren nicht mal hätten die Schuhe der Profis sauber machen dürfen.
Wenn es ganz mies läuft, steigt Werder Bremen in dieser Saison ab.
Dümmer als Pegida
Und doch möchte ich meinen „Moment der Saison“ dem SVW widmen. Weil der nämlich stellvertretend für so viele Hoffnungsschimmer steht, nach denen wir Anhänger von erfolglosen Klubs eigentlich täglich auf der Suche sind. Wir geben nicht auf, an einen Sieg gegen Bayern München zu glauben, obwohl allein der Gedanke daran fast noch dümmer ist, als Teilnehmer von Pegida-Demonstrationen. Wir sprechen unserer Innenverteidigung Sicherheit und Konsequenz zu, obwohl die Pfeifen in den ersten zehn Saisonspielen 30 Tore kassiert haben.
Und wir glauben ganz fest daran, dass jetzt wirklich alles besser ist, nur weil unser Verein einen neuen Trainer präsentiert.
So auch bei mir. Ich konnte Robin Dutt an der Seitenlinie von Werder einfach nicht mehr ertragen. Sein Fußball war grausam, seine Ausreden fast noch schlimmer – und was ich besonders erschütternd fand: seine Mannschaft, obgleich doch nun wahrlich nicht mit Talent gesegnet, schlurfte gelangweilt über den Rasen, als sei das nicht die Bundesliga, sondern ein Sponsoren-Kick gegen die Mistgabel-Menschen von Wiesenhof. Ich hasse Niederlagen. Aber Niederlagen ohne Gegenwehr sind meiner Ansicht nach schlimmer, als ein Betriebsausflug von Hogesa-Aktivisten. In beiden Fällen würde ich gerne über Superkräfte und eine Strafraumgroße Mistgabel verfügen.
Strahlkraft? Nun ja..
Dann schmiss Werder Dutt endlich raus und stellte Viktor Skripnik als neuen Trainer vor. Dazu Torsten Frings als Co-Trainer, außerdem Marco Bode als neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Die gute alte Werder-Strategie: Einfach lang gediente Fahrensmänner in die verantwortlichen Positionen hieven und darauf hoffen, dass sich deren Strahlkraft auf die Mannschaft überträgt. Hatte doch 100 Jahre lang so gut funktioniert mit Thomas Schaaf. Dass Viktor Skripnik aufgrund seiner ebenfalls etwa 100-jährigen Tätigkeit beim SVW zwar über das viel beschworene „Werder-Gen“ verfügt, seine Strahlkraft sich allerdings eher auf „Fackel-im-Sturm“-Niveau bewegt, war mir zwar bewusst, aber als Fußballfan einer erfolglosen Mannschaft lernt man auch das: Die Realität beiseite schieben und ordentlich viel Platz für Interpretationen und Möglichkeiten schaffen. Hoffnungsschimmer und so.
Deshalb ballte ich innerlich die Faust, als ich Skripniks „Testosteron“-Pressekonferenz hörte, deshalb rechnete ich bereits nach, wie viele Punkte es brauchte, um auf einem Europa League-Platz zu überwintern, als Werder plötzlich mal wieder ein Spiel gewann. Deshalb glaube ich sogar immer noch daran, dass die Besetzung Skripnik/Frings für diesen Laienschaustück Werder Bremen die richtige Entscheidung ist.
Denn ich sehe diese Mannschaft jetzt anders: Sie ackert, sie reißt sich den Hintern auf, sie spuckt Gift und Galle, sie kann sogar Spiele umbiegen. Problem nur: Sie verliert weiterhin regelmäßig und schliddert dem Abstieg entgegen. Vielleicht, weil diese Mannschaft einfach nicht Erstligareif ist. Vielleicht aber auch, weil Viktor Skripnik nicht den richtige Mann ist. Aber davon lasse ich mir doch nicht meinen Moment kaputtmachen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Und ich mag keine Beerdigungen.