Heute kann man sich ein großes Fußballturnier ohne Panini-Album überhaupt nicht vorstellen. Dabei ist es ganz schön kompliziert, so ein Heft zu planen. Vor allem zum Afrika-Cup.
In diesen Wochen findet nun schon zum 32. Mal der Afrika-Cup statt. Es ist eine der traditionsreichsten Kontinentalmeisterschaften, älter als zum Beispiel die EM, und hat natürlich in seiner langen Geschichte viele Anekdoten produziert. Eine der charmantesten erzählt der Italiener Filippo Ricci in seinem Buch „Elephants, Lions and Eagles“.
Als junger Journalist suchte Ricci eine Nische – ein Themengebiet, das nur wenige Kollegen abdeckten. Er fand es in Afrika. Von den frühen neunziger Jahren an berichtete er für das Turiner Sportmagazin „Guerin Sportivo“ über den afrikanischen Fußball. Und deswegen erreichte ihn Ende 1994 eine ungewöhnliche Anfrage einer bekannten italienischen Firma: Panini.
Ein komplexes Produkt
Schon seit 1970 gab Panini Sammelalben zu den WMs heraus, seit 1984 auch anlässlich der Europameisterschaften. Nun plante das Unternehmen aus Modena, sich auf den nächsten Kontinent zu wagen. Zum Afrika-Cup 1996 sollte ein Album mit 316 Aufklebern herauskommen. Das musste jemand organisieren und planen, der mit der Geschichte und Gegenwart des Turniers bestens vertraut war. Jemand wie Filippo Ricci.
Wer heute in einen Laden geht und sich ein Panini-Album kauft, der macht sich selten klar, was für ein komplexes Produkt er in der Hand hält. Noch während die Qualifikation für ein Turnier läuft, müssen die Spieler fotografiert werden, die am Ende vielleicht nominiert werden, außerdem muss jemand die biografischen und statistischen Daten von Kickern aus allen möglichen Ländern suchen, finden und bündeln. Heute hilft dabei das Internet, aber vor einem Vierteljahrhundert sah das noch ganz anders aus. Erst recht wenn es um Spieler aus Sierra Leone oder Burkina Faso ging.
Ausgerechnet Liberia
Ricci machte sich an die Arbeit. Er schrieb Fotografen, Gewährsleute und Kollegen an, reiste nach Südafrika, dem Austragungsort des Turniers, und verbrachte viele Stunden am Telefon. Panini hatte ihm gesagt, dass man bis August 1995 alle Bilder brauchte (früher begann der Afrika-Cup immer im Januar), doch es gab ein großes Problem: Liberia.
Das kleine, arme Land an der Atlantikküste hatte sich noch nie für eine Endrunde des Afrika-Cups qualifiziert, deswegen wusste Ricci so gut wie nichts über die Spieler. Bis auf einen, natürlich. George Weah vom AC Mailand würde einige Monate später zu Europas Fußballer des Jahres gewählt werden, dann auch noch zum Weltfußballer. Unter seiner Führung war Liberia drauf und dran, es zum Afrika-Cup 1996 zu schaffen, deswegen sorgte Ricci dafür, dass ein Fotograf zum letzten Gruppenspiel Liberias nach Dakar reiste, um den Kader abzulichten.
Das Spiel war am 30. Juli. Ricci saß daheim wie auf heißen Kohlen. Würde alles klappen? Und würden die 16 Bilder rechtzeitig in Italien eintreffen? Man kann sich seine Erleichterung vorstellen, als die Post aus Afrika endlich in seinem Briefkasten lag. „Ich feierte die Zustellung wie die Rückkehr eines lange verlorenen Sohnes“, schreibt der Italiener in seinem Buch. Man kann sich aber auch ausmalen, wie entsetzt er war, als er feststellte, dass sich in dem Umschlag nur die 16 Fotos befanden. Ohne dazugehörige Namen. Ricci erkannte natürlich Weah. Auch dessen Cousin James Debbah, der in Frankreich für Nizza spielte. Aber das waren die einzigen Spieler, die er identifizieren konnte.
Es gab nur eine Lösung. Ricci setzte sich ins Auto und eilte nach Mailand, um den einzigen Mann in ganz Italien zu treffen, der ihm sagen konnte, welches Foto zu welchem Spieler gehörte. Und tatsächlich empfing George Weah ihn nicht nur, sondern war auch äußerst freundlich, höflich und hilfsbereit. Gerade noch rechtzeitig hatte Ricci sein Album beisammen. Der Afrika-Cup konnte beginnen.
„Aber das bin ich nicht!“
Er tat dies am 13. Januar 1996. Zwei Tage später besuchte Ricci das Team von Liberia in dessen Mannschaftshotel, dem Holiday Inn in Durban. Weah saß in der Lobby, umringt vom Rest des Kaders, als Ricci ihm stolz das Panini-Album überreichte. Weah blätterte es durch, dann reichte er es weiter. Ricci wechselte gerade ein paar Worte mit dem frisch gebackenen Weltfußballer, da hörte er in seinem Rücken eine Stimme. „Aber das bin ich nicht!“ Gefolgt von einer nächsten. „Ich auch nicht!“ Während sich immer mehr Spieler beschwerten, sah Weah den Italiener böse an. „Was haben Sie denn da gemacht?“, fragte er.
In diesem Moment muss Ricci schlagartig klar geworden sein, dass der große Weah, der Liberia im Alter von 20 Jahren verlassen hatte, seine Mitspieler im Nationalteam auch nicht wirklich gut kannte. Um Ricci zu helfen, hatte er in so manchem Fall einfach geraten. Und nicht immer richtig gelegen.
Weahs Geständnis
Während ihn mehr als ein Dutzend Spieler aus Liberia böse anblickten, ging Ricci in die Offensive. „Aber von wem stammen denn die Informationen?“, rief er. Einen Moment herrschte Stille. Dann sagte Weah: „Von mir.“ Da brachen alle in Gelächter aus. Als Ricci das Hotel verließ, erklärte Weah seinen Kollegen gerade, dass die Fotos etwas unscharf wären und die Lichtverhältnisse zu wünschen übrig ließen, als er sie begutachtet hatte.
Am nächsten Tag gewann Liberia 2:1 gegen Gabun. Das 1:0 erzielte Kelvin Sebwe. Sein Aufkleber war nicht im Panini-Album, weil er beim Spiel in Dakar gefehlt hatte, als die Fotos gemacht wurden. Das 2:0 schoss Mass Sarr. Im Album war das richtige Foto. Aber sein Name war falsch geschrieben.
So sah das fertige Album aus.