Zwölf Spiele, elf Siege: Thomas Doll und Ralf Zumdick haben mit Ferencvaros hat einen überragenden Saisonstart hingelegt. Wir haben die beiden in Budapest besucht.
Was für eine Serie! Ferencvaros Budapest ist mit 34 aus 36 möglichen Punkten in die Saison gestartet. Trainer des ungarischen Traditionsklub ist ein Altbekannter. Sein Name: Thomas Doll. Wir haben ihn in Budapest besucht und sprachen auch mit Co-Trainer Ralf Zumdick. Die Reportage über Doll lest ihr in 11FREUNDE #168 (ab heute Mittag im App-Store, ab morgen am Kiosk und im 11FREUNDE-Shop)
Ralf Zumdick, Sie leben nun seit beinahe zwei Jahren in Budapest. Haben Sie sich schon mit Lajos Detari getroffen?
Klar, Lajos wohnt ja auch hier. Erst neulich haben wir die entscheidende Freistoßszene aus dem DFB-Pokalfinale 1988 (der VfL Bochum verlor damals 0:1 gegen Eintracht Frankfurt, d. Red.) fürs ungarische Fernsehen nachgestellt. Im Stadion von Ferencvaros. Das war eine richtig große Nummer. Viele Leute haben ja jahrelang gesagt, dass der Freistoß haltbar gewesen wäre.
War er es?
Diesmal habe ich ihn zumindest pariert. (Lacht.)
Sie sind seit Ende 2013 Thomas Dolls Co-Trainer bei Ferencvaros. In der vergangenen Saison wurde die Mannschaft Vizemeister und holte den Pokal. Aktuell steht sie auf Platz eins – mit zehn Siegen in elf Spielen. Klingt nach einem entspannten Traumjob, oder?
Als Thomas mich Anfang Dezember 2013 anrief, brauchte ich allerdings erst einmal etwas Bedenkzeit. Ich hatte damals auch Angebote aus Thailand oder Südafrika. Also kam ich quasi auf Probe nach Budapest und lebte die ersten Monate mit Thomas in einer Art WG. Anfangs lief es nicht gut, wir starteten mit ein paar Unentschieden und Niederlagen. Aber mit der Zeit wurde es besser. Am Saisonende legten wir eine Serie von neun Siegen in Folge hin. Dann bauten wir das Team ein wenig um, und plötzlich sah ich, dass hier viel möglich ist. Erst kürzlich haben wir unsere Verträge bis 2017 verlängert.
Ferencvaros ist der vierte Verein, bei dem Sie mit Thomas Doll zusammenarbeiten. Sind Sie Kollegen oder Freunde?
Beides. Es fing 2003 beim HSV an. Damals kam ich als Co-Trainer von Klaus Toppmöller nach Hamburg. Thomas war in dieser Zeit Trainer der zweiten Mannschaft, weswegen wir uns oft über Spieler austauschten. Er gab mir Spieler für die erste Mannschaft, ich ließ gelegentlich Profis bei ihm trainieren. Wir verstanden uns von Anfang an super. Als Toppmöller 2004 entlassen wurde, einigten wir uns – auch mit Toppi –, dass ich unter Thomas weiter beim HSV arbeiten werde.
Was macht Ihre Zusammenarbeit so besonders?
Thomas ist natürlich der Chef, der Frontmann, dafür ist er gemacht. Trotzdem lässt er meinen Einfluss zu. Er braucht das auch: Kommunikation, Austausch. Daher verstehe ich uns eher als Trainerteam, und Thomas sieht das auch so.
Sie haben auch als Cheftrainer gearbeitet. Warum sind Sie wieder in die zweite Reihe gegangen?
Ich war Thomas’ Co-Trainer in Hamburg, Dortmund und Ankara. In Bochum und später in Ghana und Iran habe ich auch als Cheftrainer gearbeitet. In den letzten Monaten in Ankara ebenfalls. Ich mag beides, aber vielleicht bin ich zu introvertiert für den Job als Chef. Ich arbeite gerne im Hintergrund.
Thomas Doll galt lange Zeit als der liebe Duz-Dolly, später als zu aufbrausend und zu sensibel für das Trainergeschäft. Wie ist er denn wirklich?
Er kann gut mit den Spielern, und seine positive Art ist ansteckend. Wer ihn aber darauf reduziert, der verkennt ihn. Thomas ist sehr direkt und kann auch anecken.
Während des Spiels sieht es manchmal so aus, als würde er am liebsten selber auf den Platz rennen. Wie oft müssen Sie ihn zurückhalten?
(Lacht.) Nie. Aber es stimmt natürlich, dass er extrem mitgeht. Bei ihm liegen Emotionalität und Sachlichkeit sehr nah beieinander. Er kann wild gestikulieren, schreien, pfeifen, er hat immer noch ein Feuer in sich, aber er kann binnen Sekunden auch wieder runterkommen. Dann geht er von der Linie ein paar Schritte zurück und bespricht mit mir taktische Dinge oder mögliche Wechsel.
Ist er gelassener geworden?
Absolut. Ich finde es auch unfair, dass man ihn rückblickend oft nur mit der Pressekonferenz in Dortmund verbindet, bei der er sich über die Berichterstattung echauffierte. Das sagt nichts über seine Trainerqualitäten aus. Und wenn man sich unsere Arbeit genauer anschaut, kann man feststellen, dass wir ein sehr erfolgreiches Team gewesen sind. Wir haben in zwei Traditionsvereinen gute Arbeit über einen längeren Zeitraum geleistet.
Mit Dortmund sind Sie 2008 Dreizehnter geworden.
Wir haben den BVB Anfang 2007 zu einem wirklich kritischen Zeitpunkt übernommen. Die Mannschaft stand wenige Spieltage vor Saisonende einen Punkt vor einem Abstiegsplatz. Am Ende sind wir beinahe noch in den UI-Cup gekommen. In der darauffolgenden Saison spielten wir in der Liga nicht sonderlich gut, aber immerhin kamen wir ins Pokalfinale.
Wie haben Sie denn die Pressekonferenz erlebt, auf der sich Thomas Doll den Arsch ablachte?
Ich war auch total überrascht. Danach fragte ich ihn: „Was wolltest du überhaupt sagen?“ Er erklärte mir, dass er sich eigentlich vor die Spieler stellen wollte, weil die in der Presse kontinuierlich als zu alt oder zu schlecht dargestellt wurden.
Den HSV führten Sie vom letzten Tabellenplatz in den UI-Cup, den die Mannschaft gewann. Im Jahr darauf erreichte sie einen Champions-League-Platz. Warum ging es danach so rapide bergab?
Nach der erfolgreichen Saison griffen die üblichen Mechanismen, und drei der wichtigsten Spieler verließen uns: Daniel van Buyten, Khalid Boulahrouz und Sergej Barbarez. Wir haben versucht, das über Jugendspieler aufzufangen, aber es hat nicht geklappt.