So manchem Amateur-Schiedsrichter wird mangelndes Fußballverständnis vorgeworfen. Bei René Vollath, Torwart beim Karlsruher SC, ist dieser Vorwurf nicht angebracht. Wir sprachen mit ihm über sein neues Hobby.
René Vollath, Sie bekamen als Torhüter in drei Spielzeiten in der Dritten Liga zwölf Gelbe Karten, vornehmlich wegen Meckerns. Verspüren Sie nun als Schiedsrichter Genugtuung?
Ich habe neulich das erste Mal Gelb zeigen müssen, auch wegen Meckerns. Der Spieler war mit sich selbst unzufrieden. Es gab eine leichte Berührung und dann fiel er über seine eigenen Füße. Die Spieler gehen mit viel Respekt in die Partie, weil mich viele als aktiven Profi kennen.
Sie werden also erkannt?
Es ist immer mindestens einer dabei, der weiß, wer ich bin. Nach dem Spiel höre ich manchmal, wie sich die Spieler untereinander über meine Leistung austauschen. Größtenteils ist der Tenor: „Was willst du dem jetzt über Fußball erzählen, der weiß es ja wohl besser als du.“ Somit bin ich über den Vorwurf, nichts vom Fußball zu verstehen, erhaben. (Lacht.)
Was war die größte Herausforderung in den ersten Spielen?
Das Schwierigste war, mich dem körperlichen Niveau anzupassen. Ein Zweikampf in der Zweiten Liga wird härter geführt als in der Kreisklasse, der Einsatz ist ein ganz anderer. Da gab es am Anfang viele verwunderte Blicke, weil ich Situationen laufen ließ, die andere Schiedsrichter in der Kreisliga normalerweise abpfeifen. Daher habe ich es mir angewöhnt, vor dem Spiel in den Kabinen anzusagen, dass ich viel laufen lasse und den Spielfluss nicht kaputtmachen will.
Was hat Sie motiviert, die Ausbildung zum Schiedsrichter zu absolvieren?
Ich bin in der Vergangenheit häufiger mit Schiedsrichtern aneinander geraten, weil ich im Spiel manchmal aus der Haut fahre, wenn meine Mannschaft benachteiligt wird. Ich habe mich nach den Spielen oft mit dem Schiedsrichterbeobachter unterhalten. Als ich mal wieder unzufrieden war, meinte er: „Dann mach das doch mal selbst.“ Von daher war es eine Art Therapiemaßnahme für mich. Ich wollte die andere Seite kennenlernen und sehen, ob ich es vielleicht besser hinbekomme als so mancher zuvor von mir kritisierter Kollege.
Wie fällt Ihr Urteil nach den ersten vier Spielen aus?
Da möchte ich mich nicht zu sehr aus dem Fenster lehnen, bisher war das Feedback aber durchweg positiv. Das untermauert bei mir das Gefühl, dass ich mit dem Wissen aus dem Profibereich als Hintergrund die eine oder andere Situation besser einschätzen kann als jemand, der nicht aktiv Fußball gespielt hat.
Gibt es einen Schiedsrichter, dem Sie nacheifern?
Früher habe ich mit Begeisterung Pierluigi Collina zugeschaut, der mit nur einem Blick die Spieler zum Schweigen brachte. Der hat einfach eine Autorität und Souveränität ausgestrahlt, ohne dabei überzogen zu wirken. Für mich ist allerdings jeder Kollege, der regelmäßig Bundesliga pfeift und es gepackt hat, sich da oben auf lange Zeit zu etablieren, eine Art Vorbild.
Beeinflusst Ihr neues Hobby Ihre Emotionalität als Fußballprofi?
Wir hatten beim Auswärtsspiel in Heidenheim eine interessante Situation auf der Bank: Es gab einige kritische Situationen in dem Spiel, und ich habe die Jungs ein wenig beruhigt. Dass ich da eine Art Vorbildrolle einnehme und versuche zu schlichten, war bisher noch nie der Fall. Daher hat mich die Schiedsrichterausbildung etwas ruhiger gemacht, weil ich nun auch die andere Seite kenne.
Wie stehen die Mannschaftskollegen zu Ihrem neuen Engagement?
Jeder, dem ich das erzählt habe, hat erst mal gelacht und gedacht, ich mache einen Witz. Keiner wollte mir glauben, dass ich die Sache ernst meine und auch durchziehen will. Die Jungs finden die Geschichte lustig, aber auch total interessant. Die fragen mich: „Wie ist es, in der Kreisliga zu pfeifen? Macht das Spaß? Bist du dir da nicht zu schade für?“ Ich sage denen ganz ehrlich, dass es mir große Freude bereitet. Jetzt überlegen einige schon, beim nächsten Spiel mal zuzuschauen.
Macht Ihr Ansatz Schule und sehen wir bald noch mehr Profis als Schiedsrichter über die dörflichen Kartoffelacker laufen?
Ich glaube, es würde dem Schiedsrichterwesen gut tun, Profis oder ehemalige Profis als Schiedsrichter zu rekrutieren. Auch wenn es jede Saison nur zwei oder drei Leute wären, hätte man schon sehr gut vorqualifiziertes Personal angeworben. Viele Amateurvereine tun sich bekanntlich schwer, ausreichend Schiedsrichter zu stellen. Wenn der DFB diesen Weg gehen würde, wäre das ein weiterer Lösungsansatz.
Wie bekommen Sie Ihr Dasein als Fußballprofi und Amateurschiedsrichter unter einen Hut?
Ich bin in erster Linie Profi und pfeife nur dann, wenn kein Spiel für den KSC ansteht. Maximal drei Tage vor einem Spiel ist da meine Richtlinie. Zudem ist dieses neue Hobby für mich als Torwart eine gute Konditionseinheit, also nicht nur Spaß, sondern auch sukzessives Training, daher lässt sich das gut vereinbaren.