Frankreich kann es nicht fassen: Ausgeschieden gegen die Eidgenossen aus der Schweiz. Und während hierzulande auf Deutschland gegen England hingefiebert wird, meldet sich ausgerechnet Clemens Tönnies zurück. Unser Newsletter „11FREUNDE am Morgen“.
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Was für ein dramatischer Fußballtag das war. Hatten sich die Achtelfinals der Euro bisher eher so etwas dröge und überraschungsarm dahin geschleppt, überbot sich der gestrige Montag an fußballerischem Spektakel. Erst schmiss Spanien Kroatien mit 5:3 nach Verlängerung aus dem Turnier und zeigte dabei eine spielerisch derart ansprechende Leistung, dass nach dem großen Favoritensterben der letzten Tage der Weg zum Turniersieg über diese Mannschaft führt. Und dann produzierte die Schweiz mit ihrem Sieg im Elfmeterschießen gegen Weltmeister Frankreich die bislang wohl größte Sensation des Turniers.
Es ist das allererste Mal, dass die Auswahl überhaupt in ein EM-Viertelfinale einzieht – und sie tat es mit dem größtmöglichen Spektakel. Erst ging sie durch Seferovic überraschend in Führung, kam nach einem deprimierenden 1:3‑Rückstand in den Schlussminuten noch zum Ausgleich, kämpfte sich bravourös durch eine nicht enden wollende Verlängerung und hatte dann im Elfmeterschießen das Momentum auf ihrer Seite. Dass sich da eine Sensation anbahnte, sah übrigens jeder, der vor dem Shootout in die Gesichter der Franzosen blickte. Die Mienen der Stars vermittelten allesamt eine Botschaft, die da lautete: „Wir sollten eigentlich gar nicht hier sein!“ Sollten sie auch nicht.
Die Equipe Tricolore hatte während der 90 und 120 Minuten ausreichend Gelegenheit, das Spiel zu entscheiden. Schlimmer noch: Sie hatte es bereits entschieden, durch ansehnliche Tore von Benzema und Pogba, gab es leichtfertig wieder aus der Hand und musste am Ende zusehen, wie sich um Keeper Yann Sommer, der den letzten Elfer von Kylian Mbappé mit einem Hechtsprung parierte, eine wild tanzende Jubeltraube bildete. Für die Schweizer geht es am Freitag weiter – mit einer weiteren Bewährungsprobe. Es geht nämlich gegen Spanien. Aber das Spiel gegen die Franzosen hat bewiesen, dass diese Mannschaft, so kompakt und begeisterungsfähig sie sich präsentierte, jeden Gegner schlagen kann. Ganz eventuell sogar die Spanier.
Bittere Orangenmarmelade. Nach dem überraschenden Aus gegen Tschechien wird nun in den Niederlanden ein mediales Scherbengericht abgehalten. Alle Gazetten, Portale und Zeitungen eint dabei die Erkenntnis, wie unnötig doch das Ausscheiden gewesen sei und die Enttäuschung darüber, wie wenig Coach Frank de Boer es geschafft habe, die Mannschaft wirklich zu einer Einheit zu formen. Manch einer driftete dabei auch in den klassischen Chauvinismus ab. Peter Wekking von „Voetbal International“ schäumte, die Elftal habe das Unmögliche möglich gemacht, nämlich „gegen ein tschechisches Team zu verlieren, das nicht einmal anständig Fußball spielen“ könne. Die Niederlande bewege sich auf Augenhöhe mit den „Hobbykickern aus Wales“. Ein Vergleich, den das irische Portal „balls.ie“ dann aber doch unangemessen fand: „Das hat Wales nicht verdient!“
„Die kurze und unruhige Nacht, die sie in ihrem Hotel in der Innenstadt von Bukarest, der rumänischen Hauptstadt, verbringen mussten, reicht als Grund nicht aus!“
Prince Boateng kehrt zur Hertha zurück, er soll die Mannschaft anführen und den Klub mit der Stadt versöhnen. Viel Verantwortung für einen Mann, der einst Backpfeifen im Training verteilte und randalierend durch die Straßen zog. Aber immerhin ist Marko Rehmer nicht mehr da.
Flott unterwegs. Ein wirklich rührender Mitgliedsantrag flatterte dem Drittligisten 1.FC Magdeburg ins Haus. Ein rüstiger Senior wollte seinem Herzensklub beitreten und füllte brav alle einschlägigen Felder aus. Unter anderem auch das, wo routinemäßig unter „Mobil“ die Handynummer abgefragt wird. Das baldige Neumitglied interpretierte die Frage nach der Mobilität allerdings anders und notierte wahrheitsgemäß: „Rollator“. Wie rührend.
Jetzt wird’s knifflig. Diesmal werden die Könige der Bilderrückwärtssuche auf eine harte Probe gestellt. Keine Eske Nannen oder Kain, die per „Google Lens“ die Lösung bringen. Heute suchen wir nämlich einen Klub, dessen Ausstrahlung und Charisma unterschätzt wird und in den Gazetten oftmals als „graue Maus“ abgestempelt wird. Wie ungerecht! Lösungen bitte an philipp@11freunde.de. PS: Gestern suchten wir den Fan-Chant „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“, wobei vor allem das erste Bild Probleme machte. Zu sehen war natürlich der legendäre Sketch mit Diether Krebs und Iris Berben, in deren Verlauf auch der beste Witz aller Zeiten dargebracht wird („Wie heißt das Reh mit Vornamen? Kartoffelpü.“). Quizzer Manuel Hanning schrieb ratlos: „Möglicherweise handelt es um eine kulturelle Referenz, für die ich 20 Jahre zu spät geboren wurde“. Ich möchte korrigieren: 30 Jahre zu spät.
Ära beendet. Sollte es auf Schalke noch irgendwelche Zweifel gegeben haben, dass der Rücktritt von Clemens Tönnies ein Segen für den Klub war, dann sollten diese nach einem jüngst veröffentlichten Interview mit dem ehemaligen Machthaber endgültig beseitigt sein. Es präsentierte sich in der „WAZ“ nämlich niemand, der auch nur ansatzweise an einer gedeihlichen Zukunft des Klubs interessiert ist, stattdessen variierte Tönnies immer wieder eine Botschaft, die da lautete „Mit mir wäre das nicht passiert!“ Mal mit Larmoyanz vorgetragen („Jederzeit hätte man mich fragen können. Aber die Verantwortlichen wollten sich emanzipieren“), mal mit großspurigen Versprechungen garniert („Ich kann Ihnen sagen, dass das Konzept für ein neues Schalke fix und fertig in der Schublade liegt“), mal mit Morgenthau-Assoziationen angereichert („In den vergangenen Monaten haben wir den Plan für das Multifunktionsgebäude auf dem Berger Feld erarbeitet. Jetzt wächst dort Gras“) – das ganze Interview ist eine beeindruckende Selbstbeweihräucherung und eine Geschichtsklitterung ohnegleichen. Denn so sehr Tönnies auch den Eindruck erwecken möchte, der Schalker Niedergang habe pünktlich am Tag seines Ausscheidens begonnen, so sehr steht der ehemalige Boss für die Talfahrt des Klubs. Es waren seine Entscheidungen, sein Personal, seine Strategie. Das sollte nicht vergessen werden.
Heute spielt Deutschland gegen England. Und dieses Spiel entscheidet auch über die historische Nachbetrachtung der späten Ära Löw. Gewinnt sein Team heute, werden sich all die erratischen Personalentscheidungen und die bisweilen irrlichternde Taktik zu einem letztlich doch positiven Gesamtbild formen. Hat der Jogi es halt besser gewusst als wir alle. Scheidet die Mannschaft hingegen heute aus, werden die drei Jahre seit dem Ausscheiden bei der WM in Russland 2018 als verlorene Jahre gelten. So nah liegen Glanz und Elend bisweilen beieinander.
Einen schönen Spieltag wünscht euch