Karl-Heinz Rummenigge kritisiert das Festhalten an 50+1 und verabschiedet sich geistig von der DFL. Das offenbart nicht nur ein seltsames Demokratieverständnis – sondern auch die bayrischen Probleme.
Ein großes Aufstiegsendspiel sollte es werden, weshalb die Bayern-Bosse das Münchener Derby zwischen der Reservemannschaft und 1860 München Ende April in die Allianz Arena verlegen wollten. Erst ein Gespräch zwischen Karl-Heinz Rummenigge und Fans, die den Vorstandsvorsitzenden an die traditionelle Heimstätte im Grünwalder Stadion und den befürchteten Verlust „eines Stücks Fußballkultur“ erinnerten, hätten die Verantwortlichen zum Umdenken bewogen.
Seltsames Demokratieverständnis
Am Montagmorgen erinnert Karl-Heinz Rummenigge in einem vierseitigen Interview mit dem Kicker nur kurz an dieses Gespräch, ausgerechnet um nochmals für eine Öffnung für Investoren zu werben. Eigentlich will er sich zur DFL-Abstimmung und der Beibehaltung der 50+1‑Regel kritisch äußern. Er habe erkannt, dass der Ligaverband „zerrissen“ sei. Rummenigge fördert das Bild eines unverantwortlichen Grabenkampfes, dessen Gruben der FC St. Pauli in Person von Geschäftsführer Andreas Rettig durch „ein emotionales und populistisches Spektakel“ weiter ausgehoben hätte.
Rummenigge sagt: „Mit der Frankfurter Abstimmung hat man sich den Ast, an dem die Wettbewerbsfähigkeit hängt, ansägen lassen – und zwar durch einen mäßigen Zweitligisten, das bitte nicht vergessen!“ Nun sollen die Parallelen nicht überstrapaziert werden, aber so denkt man bei einer „Frankfurter Abstimmung“ gezwungenermaßen an die Nationalversammlung in der Paulskirche von 1848. Während die Versammlung aber daran scheiterte, dass der Adel kurzerhand einen demokratischen Prozess ablehnte, muss ausgerechnet Karl-Heinz Rummenigge mit der Demokratie leben – wenn auch nur unter Zetern und Murren. Diese verdammten revolutionären Kräfte aus dem Unterhaus des deutschen Fußballs! Wollen jetzt einfach mitbestimmen. Dass Bayerns Vorstandschef die „Führung“ in den Verbänden fehle, ist nur noch die gagige Fußnote eines zweifelhaften Demokratieverständnisses.
Globale Glitzerwelt
Viele werfen ihm, dem neuen Verfechter offener Wirtschaftsstrukturen im deutschen Fußball, nun Respektlosigkeit und Arroganz vor. Darüber hinaus kann die Frage gestellt werden, warum sich ausgerechnet der FC Bayern, der – wie es auch Rummenigge sagt – laut Satzung 70 Prozent seiner Anteile behalten muss, vehement für eine Reform der 50+1‑Regel wirbt. Der Vorstandschef gibt die Antwort selbst. Denn beim Gespräch mit den Fans über die Heimspielstätte der Zweiten und über mangelnde Fußballkultur sei Rummenigge auch gefragt worden, wieso er überhaupt für 50+1 sei. Sein Verweis: FC Chelsea, Manchester City und Paris Saint-Germain.
Allesamt durch Investoren geführt und mittlerweile im Hochadel des europäischen Fußballs angekommen. Globale Glitzerwelt.