Heute wird Peter Bosz 60 Jahre alt. Zu seiner Zeit als Leverkusen-Coach sprachen wir mit ihm über das Talent von Kai Havertz, den Genius von Johan Cruyff und die fehlenden Haare auf seinem Kopf.
Zu offensiver Fußball kann einen Trainer auch den Job kosten. Denken Sie über so etwas nach?
Niemals! Eine Begleiterscheinung des Berufs ist es nun mal, dass ein Trainer bei Misserfolg rausfliegt. José Mourinho, der viele große Titel gewonnen hat, wurde in Manchester entlassen, obwohl er defensiv spielen ließ. Da bevorzuge ich meinen Weg. Sehr offensiv, ja. Aber auch defensiv kompakt, wenn alle die Vorgaben richtig umsetzen.
Können Sie am Ende gar nicht anders, weil das Offensivspiel in der DNA des niederländischen Trainers verankert ist?
Da gehe ich nicht mit. Wer sind denn aktuell die großen Offensivtrainer? Pep Guardiola, Marcelo Bielsa, Jorge Sampaoli – alles keine Holländer.
Pep Guardiola ist ein Exponent von Johan Cruyffs Lehre, der wiederum ein Jünger von Rinus Michels war.
Die sich wiederum nicht so grün waren. Sie haben Recht, Cruyff steht in unserem Fußball über allem.
Zu Ihrer Zeit als Trainer bei Maccabi Tel Aviv haben Sie mal eine Woche gemeinsam mit ihm und seinem Sohn Jordi über Fußball diskutiert. Hinterher sagten Sie, Sie hätten in diesen Tagen mehr über Fußball gelernt als vorher in zehn Jahren.
Das stimmt nicht ganz. Ich wusste vorher schon viel über ihn und seine Lehre. Er war als Spieler mein Idol und auch die Art, wie er als Trainer Drucksituationen kreierte, den Torwart zum Feldspieler umfunktionierte, beeindruckten mich sehr. Schon als Jugendlicher haben meine Freunde aus Apeldoorn und ich Interviews mit ihm aus Zeitungen ausgeschnitten und in einem Album gesammelt.
Als Sie Cruyff in Tel Aviv kennenlernten, wussten Sie demnach schon alles?
Viel. Aber wenn man mit ihm redete, erschien einem der Fußball auf einmal noch so viel einfacher.
Cruyff war also nicht nur ein genialer Spieler, sondern auch ein großer Rhetoriker?
Im Gegenteil. Wenn er Holländisch sprach, verstand ihn meistens keiner richtig, was daran lag – das hat er auch selbst mal gesagt –, dass er in Gedanken meistens schon wieder zwei Schritte voraus war. Aber nach der Woche mit ihm dachte ich bei vielen Dingen: Verdammt, er hat Recht.
Stimmt es, dass Sie als Feyenoord-Spieler mal heimlich nach Amsterdam gefahren sind, um dort das Training von Louis van Gaal zu beobachten?
Wir hatten damals eine gute Mannschaft, stellten aber fest, dass Ajax plötzlich alles gewann. Da wollte ich wissen, was dieser Trainer anders macht. Ich musste aufpassen, dass mich dort am Trainingsplatz keiner erkennt, weil es eine große Rivalität zwischen den Klubs gibt. Also fuhr ich nah an den Platz heran, machte die Sonnenblende runter und schaute mir das an.
Würden Sie heute noch einmal Ajax Amsterdam verlassen, um den BVB zu trainieren?
Auf jeden Fall. Ich hatte bereits beschlossen, bei Ajax aufzuhören, bevor das Angebot aus Dortmund kam.
Sie entschieden sich im Sommer 2017 für die Borussia, obwohl Sie wussten, dass schon damals Lucien Favre erste Wahl des Klubs war?
Wenn er damals dort zugesagt hätte, wäre ich überhaupt nicht in Kontakt mit dem BVB gekommen. Ich war dann aber über den Stand der Dinge informiert, wir haben denselben Berater.
Im Dezember 2017 wurden Sie nach neun sieglosen Spielen beim BVB freigestellt. Hans-Joachim Watzke räumte später ein, dass die Spieler nach dem Busattentat in der vorangegangenen Saison nicht mehr dieselben gewesen seien und zuvor auch Fehler bei der Kaderzusammenstellung gemacht wurden.
Wenn ich diese Dinge, die Sie ansprechen, jetzt bestätigen würde, klänge es aus meiner Sicht wie eine Ausrede. Das will ich nicht. Nur so viel: Ich hatte in Dortmund das Momentum nicht auf meiner Seite, aber ich habe viel gelernt und sehr nette Menschen kennengelernt. Es ist schade, dass es so schnell zu Ende gegangen ist, aber so ist der Fußball.